Nachfolgend wird das Urteil 6B_966/2024 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 25. August 2025 detailliert zusammengefasst, wobei die massgebenden Punkte und rechtlichen Argumente, die zum endgültigen Entscheid beigetragen haben, hervorgehoben und vertieft werden.
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_966/2024 vom 25. August 2025
1. Einleitung und Verfahrensüberblick
Das Bundesgericht befasste sich mit einer strafrechtlichen Beschwerde von A.__ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Tessin (Corte di appello e di revisione penale del Cantone Ticino, CARP) vom 23. Oktober 2024. Der Beschwerdeführer wurde von der Vorinstanz wegen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) verurteilt. Die erstinstanzliche Verurteilung wegen Gehilfenschaft zu mehrfachem, teilweise versuchtem Prozessbetrug wurde von der CARP aufgrund des Fehlens eines gültigen Strafantrags (Art. 30 ff. StGB i.V.m. Art. 30 StPO) aufgehoben. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die Verurteilung wegen Urkundenfälschung rechtens war, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Akkusationsprinzips, der Informationspflicht, des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung.
2. Sachverhalt und Vorinstanzenentscheid
- Erste Instanz (Corte delle assise correzionali): A._ wurde im Mai 2023 wegen Urkundenfälschung und Gehilfenschaft zu Prozessbetrug verurteilt. Die Urkundenfälschung betraf die Eröffnung eines PostFinance-Kontos im Februar 2018, bei der A._ fälschlicherweise als wirtschaftlich Berechtigter angegeben wurde, obwohl B._ der tatsächliche Berechtigte war. Ziel war es, Vermögenswerte vor B.__s Ehefrau im Scheidungsverfahren zu verbergen. Der Prozessbetrug bestand darin, B._ bei der Vorlage unwahrer Dokumente in einem Zivilverfahren (z.B. gefälschte Mietverträge für Fahrzeuge) zu unterstützen, um eine schlechtere finanzielle Situation vorzutäuschen und geringere Unterhaltszahlungen zu erwirken. Er wurde zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu CHF 90.00 verurteilt.
- Zweite Instanz (CARP): Im Oktober 2024 bestätigte die CARP die Verurteilung wegen Urkundenfälschung. Die Anklage wegen Gehilfenschaft zu Prozessbetrug wurde jedoch fallengelassen, da kein gültiger Strafantrag vorlag. Die Geldstrafe wurde auf 30 Tagessätze zu CHF 90.00 reduziert. Dem Beschwerdeführer wurde zudem eine Entschädigung für die Anwaltskosten zugesprochen.
3. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht und deren Würdigung
Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht einen Freispruch vom Vorwurf der Urkundenfälschung und machte verschiedene Verletzungen des Bundesrechts, der StPO, der Bundesverfassung und der EMRK geltend.
3.1. Verletzung des Akkusationsprinzips (Art. 9 Abs. 1 StPO)
- Rüge: Der Beschwerdeführer beanstandete, er sei für ein Verhalten verurteilt worden, das nicht dem im Strafbefehl beschriebenen Sachverhalt entsprach. Der Strafbefehl habe sich auf den PostFinance-Basiskonto-Vertrag bezogen, während die Verurteilung der CARP auch die Beantragung der Kreditkarte einbeziehe.
- Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies die Rüge zurück. Es hielt fest, dass das Akkusationsprinzip die Beschuldigtenrechte wahrt, indem es den Gegenstand des Verfahrens und des Urteils eingrenzt und eine angemessene Verteidigung ermöglicht (vgl. BGE 149 IV 128 E. 1.2). Eine unpräzise oder fehlerhafte Formulierung der Anklage führe nicht per se zum Ausschluss eines Schuldspruchs, wenn die Sachverhalte für den Beschuldigten klar sind (BGE 145 IV 407 E. 3.3.2). Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer für die im Strafbefehl beschriebenen Sachverhalte verurteilt worden, namentlich die falsche Angabe des wirtschaftlich Berechtigten auf dem Basiskonto-Vertrag. Die Erwähnung des Kreditkartenantrags in den Erwägungen der CARP diene lediglich der Beweiswürdigung und der Sachverhaltsfeststellung und gehe nicht über den Anklagesachverhalt hinaus. Eine Verletzung des Akkusationsprinzips liege somit nicht vor.
3.2. Verletzung der Informationspflicht (Art. 158 Abs. 1 lit. a StPO)
- Rüge: Der Beschwerdeführer machte geltend, er sei in der Untersuchung nur über Delikte im Zusammenhang mit Versicherungsbetrug informiert worden, nicht aber über die Falschangabe des wirtschaftlich Berechtigten beim PostFinance-Konto.
- Begründung des Bundesgerichts: Das Gericht erwiderte, dass die Informationspflicht gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. a StPO eine allgemeine, dem jeweiligen Verfahrensstand entsprechende Information über die vorgeworfenen Straftaten erfordere. Es gehe darum, das beanstandete Verhalten konkret zu beschreiben (BGE 141 IV 20 E. 1.3.3). Im ersten Einvernahme-Protokoll vom 2. April 2019 sei der Beschwerdeführer über die Ermittlungen wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Geldwäscherei im Zusammenhang mit Versicherungsleistungen und dem auf seinen Namen geführten PostFinance-Konto informiert worden. Er sei zu dessen tatsächlichem wirtschaftlich Berechtigten und dem Zweck des Kontos befragt worden. Damit sei er ausreichend über die gegen ihn erhobenen Verdachtsmomente informiert worden, auch wenn dies in einer frühen Phase der Untersuchung geschah. Die Rüge wurde abgewiesen.
3.3. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Verfahrensverbindung
- Rüge: Der Beschwerdeführer beanstandete die unterlassene Verbindung seines Verfahrens mit demjenigen gegen B._. Dies habe sein Recht auf Kontradiktion verletzt, da er nicht an Einvernahmen teilnehmen und die Akten von B._ nicht einsehen konnte. Er verwies auf angeblich widersprüchliche Urteile.
- Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht verwies auf den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV), wonach formelle Mängel frühzeitig geltend gemacht werden müssen (BGE 143 IV 397 E. 3.4.2). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer habe es unterlassen, vor der CARP entsprechende Beweisanträge zu stellen oder die Konfrontation mit B.__ zu beantragen, obwohl er dessen Aussagen kannte und bereits eine Konfrontationseinvernahme stattgefunden hatte. Sein Vorgehen sei treuwidrig. Bezüglich der "widersprüchlichen Urteile" wies das Bundesgericht darauf hin, dass der Beschwerdeführer nicht wegen der Fälschung des Mietvertrags oder des Prozessbetrugs verurteilt wurde, da diese Anklagepunkte wegen des fehlenden Strafantrags fallen gelassen wurden. Die angebliche Diskrepanz sei daher für seinen aktuellen Schuldspruch wegen Urkundenfälschung ohne praktische Bedeutung. Eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch die unterlassene Verfahrensverbindung konnte das Bundesgericht nicht erkennen.
3.4. Willkürliche Sachverhaltsfeststellung bezüglich des Vorsatzes und der Kenntnis des Begriffs "wirtschaftlich Berechtigter"
- Rüge: Der Beschwerdeführer hielt die Feststellung für willkürlich, er habe die Falschangabe absichtlich gemacht, um B.__ beim Verstecken von Vermögenswerten vor dessen Ehefrau zu helfen. Er argumentierte, eine Falschaussage sei dafür nicht zwingend notwendig gewesen. Weiter rügte er, die Annahme, er habe als erfahrener Autohändler den Begriff "wirtschaftlich Berechtigter" gekannt, sei willkürlich, da solche Leasing-Formulare keine tiefgreifenden Bankenkenntnisse vermittelten und PostFinance ihn nicht ausreichend aufgeklärt habe.
- Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht führte aus, dass eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) nur dann vorliegt, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation steht, auf einem offensichtlichen Versehen beruht oder das Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden in stossender Weise verletzt (BGE 148 IV 356 E. 2.1).
- Zum Vorsatz: Die CARP hatte gestützt auf die Aussagen des Beschwerdeführers und B._s festgestellt, dass A._ das Konto auf Anweisung von B._ eröffnete, um dessen Vermögenswerte vor der Ehefrau zu verbergen. Er habe B._ die Bankkarten übergeben und die Korrespondenzadresse zu B.__s Mutter geändert. Seine Behauptungen, er habe die Bedeutung von "wirtschaftlich Berechtigter" nicht gekannt oder vom Scheidungsverfahren gewusst, seien unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe diese Feststellungen nicht willkürlich substantiiert, sondern lediglich appellatorisch seine eigene Version dargelegt. Die Argumentation, eine Falschaussage sei nicht notwendig gewesen, basiere auf einer nicht festgestellten Hypothese und entbehre der Substanz.
- Zur Kenntnis des Begriffs "wirtschaftlich Berechtigter": Das Bundesgericht bestätigte die Würdigung der CARP. Der Beschwerdeführer habe lediglich appellatorische Argumente vorgebracht. Die vorinstanzliche Feststellung, dass er den Begriff kannte, sei angesichts des Zwecks der Kontoeröffnung (Vermögenswerte verstecken) und seiner Erfahrung im Umgang mit ähnlichen Leasing-Formularen, die ebenfalls Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten enthalten, nicht offensichtlich unhaltbar. Die Rüge der Verletzung der Unschuldsvermutung (in dubio pro reo) wurde im Rahmen der Willkürprüfung ebenfalls abgewiesen, da sie über diese keine eigenständige Bedeutung hinausgeht.
3.5. Erfüllung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB)
- Rüge: Der Beschwerdeführer bestritt, dass der PostFinance-Basiskonto-Vertrag ein Dokument im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB sei und ihm die Qualität der "erhöhten Glaubwürdigkeit" zukomme. Er argumentierte, die elektronische Ausfüllung erhöhe das Risiko des Fehlers. Im Gegensatz zu Formular A von Banken verweise der PostFinance-Vertrag nicht explizit auf Art. 251 StGB. Selbst wenn es ein Dokument wäre, diene es der Geldwäschereibekämpfung, nicht dem Schutz von Drittinteressen, und sei eine Pflicht der Finanzintermediäre, nicht des Kunden. Des Weiteren bestritt er den subjektiven Tatbestand, da er nur einem Freund habe helfen wollen und nicht beabsichtigte, Dritten Schaden zuzufügen.
- Begründung des Bundesgerichts:
- Dokumenteneigenschaft und erhöhte Glaubwürdigkeit: Das Bundesgericht bekräftigte seine ständige Rechtsprechung, wonach das Formular A zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten gemäss Art. 4 Abs. 1 GwG die Qualität eines Dokuments mit erhöhter Glaubwürdigkeit besitzt (vgl. BGE 139 II 404 E. 9.9.2; Urteil 6B_731/2021 E. 6.3.3). Als Finanzintermediär unterliegt PostFinance dem GwG (Urteil 2C_488/2018 E. 3.2.1), weshalb die entsprechende Klausel im Basiskonto-Vertrag analog zu Formular A behandelt werden muss. Die elektronische Erfassung ändert nichts an der Dokumenteneigenschaft (Art. 110 Abs. 4 StGB), da der Beschwerdeführer die Daten lieferte und das ausgedruckte Formular unterzeichnete. Der fehlende explizite Hinweis auf Art. 251 StGB auf diesem spezifischen Formular ist irrelevant, da Rechtsunkenntnis nicht schützt (Art. 21 StGB). Das Bundesgericht sah keinen Anlass, seine etablierte Rechtsprechung zur erhöhten Glaubwürdigkeit von Erklärungen über den wirtschaftlich Berechtigten zu ändern, da Finanzintermediäre grundsätzlich auf die Richtigkeit dieser Angaben vertrauen dürfen und der Kunde für die korrekte Ausfüllung verantwortlich ist (Urteil 6B_731/2021 E. 6.4.4).
- Subjektiver Tatbestand: Der Tatbestand von Art. 251 Ziff. 1 StGB erfordert Vorsatz (auch Eventualvorsatz genügt) und eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht (BGE 141 IV 369 E. 7.4). Die CARP hatte verbindlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Falschheit der Angabe kannte und handelte, um B.__s wirtschaftliche Interessen zu schützen, indem er Vermögenswerte vor dessen Ehefrau verbarg und damit potenziell deren Rechte beeinträchtigte. Da der Beschwerdeführer diese Sachverhaltsfeststellungen nicht willkürlich rügte, sondern lediglich appellatorisch davon abwich, erachtete das Bundesgericht die Rüge des subjektiven Tatbestands als unzulässig.
3.6. Strafzumessung, Prozesskosten und Entschädigung
- Rüge: Der Beschwerdeführer beanstandete die Strafzumessung, die teilweise auferlegten Prozesskosten sowie die nur teilweise zugesprochene Entschädigung für die kantonalen Verteidigungskosten.
- Begründung des Bundesgerichts: Da der Antrag auf Freispruch unbegründet war, waren die daraus abgeleiteten Rügen bezüglich der Strafzumessung, Kosten und Entschädigung ebenfalls unbegründet und mussten nicht weiter geprüft werden.
4. Fazit und Kosten
Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab. Die Gerichtskosten von CHF 3'000.00 wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung von A.__ wegen Urkundenfälschung. Es wies alle Rügen des Beschwerdeführers zurück:
- Akkusationsprinzip und Informationspflicht: Die Anklage bezog sich klar auf die falsche Angabe des wirtschaftlich Berechtigten im PostFinance-Kontoeröffnungsvertrag; die Vorinstanz hat den Sachverhalt nicht überschritten. Die Informationspflicht in der Voruntersuchung war ausreichend erfüllt.
- Verfahrensverbindung und rechtliches Gehör: Der Beschwerdeführer hat seine Rechte nicht fristgerecht geltend gemacht (Grundsatz von Treu und Glauben); eine unterlassene Verfahrensverbindung hatte keine prozessualen Nachteile für ihn.
- Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung: Die Annahme, der Beschwerdeführer habe wissentlich und willentlich die Falschangabe gemacht, um Vermögenswerte zu verbergen und damit Dritte zu schädigen, sowie seine Kenntnis des Begriffs "wirtschaftlich Berechtigter", wurden als nicht willkürlich bestätigt.
- Tatbestand der Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB):
- Der PostFinance-Basiskonto-Vertrag, der die Angabe des wirtschaftlich Berechtigten verlangt, hat gemäss der Rechtsprechung zur erhöhten Glaubwürdigkeit von Formular A im Sinne des GwG Dokumentenqualität.
- Die Falschangabe des wirtschaftlich Berechtigten stellt eine ideelle Fälschung dar.
- Der erforderliche Schädigungs- oder Bereicherungsvorsatz wurde vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten und galt als gegeben.
Die Beschwerde wurde somit abgewiesen, und die Kosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.