Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_766/2023 vom 14. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 7B_766/2023 vom 14. August 2025

1. Einleitung Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (II. strafrechtliche Abteilung) vom 14. August 2025 (Verfahren 7B_766/2023) betrifft die Beschwerde in Strafsachen von A.A.__ (Beschwerdeführer) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 14. Dezember 2022. Gegenstand der Beschwerde sind Schuldsprüche wegen mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher, teilweise versuchter Vergewaltigung, Drohung sowie mehrfacher, teilweise versuchter Nötigung. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und seinen vollumfänglichen Freispruch, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens.

2. Sachverhalt (Kurzfassung) Dem Beschwerdeführer, A.A._, wurde vorgeworfen, seine damalige Ehefrau und Lebenspartnerin B.A._ (Privatklägerin) von 2010 bis Mai 2014 unter fortwährendem psychischem Druck (Herabsetzung, Beleidigung, Erniedrigung, Drohungen, Schläge) wöchentlich zum Beischlaf und zu oralen sowie anderen sexuellen Handlungen genötigt zu haben. Insbesondere soll er sie Ende Juni 2011 nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft einmal vergewaltigt und einmal versucht haben zu vergewaltigen, sowie im Januar 2012 während ihrer Bettlägerigkeit nach einer Rückenoperation zu Oralverkehr genötigt und dabei geschlagen haben. Weitere Vorwürfe umfassen Drohungen und Nötigungshandlungen, einschliesslich körperlicher Gewalt im September 2012, die zu einer Gehirnerschütterung und Halswirbelsäulenverletzung führten.

Das Amtsgericht Thal-Gäu sprach den Beschwerdeführer u.a. der mehrfachen sexuellen Nötigung und mehrfachen, teilweise versuchten Vergewaltigung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Es sprach der Privatklägerin eine Genugtuung von Fr. 15'000.-- zu und verhängte ein Kontaktverbot. Das Obergericht des Kantons Solothurn bestätigte die Schuldsprüche (teilweise mit angepassten Zeiträumen) und die Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie die Genugtuungszahlung. Das Kontaktverbot hob es auf, da Art. 67b StGB zum Tatzeitpunkt noch nicht in Kraft war.

3. Rechtliche Problematik und Argumente des Beschwerdeführers Der Beschwerdeführer wendete sich gegen sämtliche Schuldsprüche und rügte primär die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz als willkürlich. Seine Hauptargumente waren: * Fehlen eines Glaubhaftigkeitsgutachtens: Das Obergericht habe zu Unrecht kein Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin erstellen lassen, obwohl diese spätestens ab 2006 an Denkstörungen, Halluzinationen und Wahnvorstellungen gelitten und eine IV-Rente bezogen habe. * Methodisch fehlerhafte Aussageanalyse: Die Vorinstanz sei bei der Analyse der Aussagen methodisch falsch vorgegangen, indem sie eine falsche Nullhypothese zugrunde gelegt und die Suggestionshypothese nicht falsifiziert habe. * Willkürliche Sachverhaltsfeststellung: Die Vorinstanz habe keine "echte" Aussageanalyse vorgenommen, sondern sich weitgehend auf eine Zusammenfassung von Einvernahmen beschränkt und die Feststellung des Sachverhalts sei willkürlich.

4. Massgebende Rechtsgrundsätze des Bundesgerichts Das Bundesgericht ist als oberste Recht sprechende Behörde keine Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung frei überprüft (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 145 IV 154 E. 1.1). Es legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung kann nur berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). * Willkür: Eine Sachverhaltsfeststellung ist offensichtlich unrichtig und damit willkürlich (Art. 9 BV), wenn sie schlechterdings unhaltbar ist (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5). Willkür liegt vor, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt, ohne sachlichen Grund ein entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 148 I 127 E. 4.3). Es genügt nicht, wenn eine andere Lösung vertretbar wäre. Der Entscheid muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich sein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1). * Rügepflicht: Die Verletzung von Grundrechten, einschliesslich Willkür, prüft das Bundesgericht nur, wenn dies in der Beschwerde klar und detailliert begründet wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 356 E. 2.1). * Beweiswürdigung und Glaubhaftigkeit von Opferaussagen: Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner Überzeugung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Opferaussagen sind ein Beweismittel (Urteil 7B_1052/2023 E. 3.2.4). Eine aussagepsychologische Begutachtung drängt sich nach der Rechtsprechung nur unter besonderen Umständen auf, z.B. bei bruchstückhaften Äusserungen von Kleinkindern, ernsthaften Anzeichen geistiger Störungen, die die Aussageehrlichkeit beeinträchtigen könnten, oder dem Einfluss Dritter (BGE 129 IV 179 E. 2.4). Dem Gericht steht diesbezüglich ein Ermessensspielraum zu. Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit ist zu untersuchen, ob die Aussagen verständlich, zusammenhängend und in Einklang mit weiteren Beweisen stehen (Urteil 7B_88/2022 E. 3.1).

5. Detaillierte Begründung des Gerichts

5.1. Zur Notwendigkeit eines Glaubhaftigkeitsgutachtens Die Vorinstanz (Obergericht) hat die Notwendigkeit eines Glaubhaftigkeitsgutachtens sorgfältig geprüft und die zahlreichen medizinischen Unterlagen der Privatklägerin gewürdigt. Sie stellte fest, dass die Privatklägerin zwar über akustische und visuelle Halluzinationen berichtet habe, sich psychotische Symptome im Sinne von Wahnvorstellungen aber nie objektivieren liessen. Im Zentrum ihrer langjährigen psychiatrischen Behandlung habe immer eine depressive Störung gestanden. Das Bundesgericht bestätigt diese Einschätzung. Es gab keine ernsthaften Hinweise auf eine Einschränkung der Aussagetüchtigkeit oder sonstige Störungen, die eine aussagepsychologische Begutachtung erforderlich gemacht hätten. Der Beschwerdeführer interpretiere die ärztlichen Berichte frei und belege nicht, dass die Schlussfolgerung der Vorinstanz willkürlich sei. Da keine besonderen Umstände im Sinne der Rechtsprechung vorlagen, habe die Vorinstanz ihren Ermessensspielraum bei der Ablehnung des Gutachtens nicht rechtsverletzend ausgeübt.

5.2. Zur methodischen Vorgehensweise bei der Aussageanalyse Das Bundesgericht weist die Kritik des Beschwerdeführers an der methodischen Vorgehensweise der Vorinstanz zurück. Der Beschwerdeführer legt selbst ein falsches Verständnis der Aussageanalyse und der Nullhypothese zugrunde. Die Rechtsprechung (BGE 133 I 33 E. 4.3; 129 I 49 E. 5) besagt, dass die Nullhypothese lautet: Eine Aussage ist nicht realitätsbegründet. Erst wenn diese Annahme aufgrund festgestellter Realitätskriterien nicht mehr zu halten ist, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht (Alternativhypothese der Wahrheit). Die Vorinstanz habe die Aussagen der Privatklägerin auf Realkennzeichen untersucht und deren Entstehung sowie Entwicklung analysiert, was dieser methodischen Herangehensweise entspricht. Die Rüge, die Suggestionshypothese sei nicht falsifiziert worden, stützt der Beschwerdeführer erneut auf eine willkürliche Interpretation der medizinischen Unterlagen.

5.3. Zur materiellen Glaubhaftigkeitsbeurteilung der Aussagen der Privatklägerin Das Bundesgericht befindet, dass die materiellen Einwände des Beschwerdeführers gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nicht durchdringen. * Umfangreiche Beweiswürdigung: Die Vorinstanz fasste zunächst medizinische Unterlagen und Aussagen zusammen, analysierte dann aber die Aussagen der Privatklägerin detailliert auf Realkennzeichen und stellte sie anderen Beweismitteln gegenüber. Die Berücksichtigung anderer glaubhaft geschilderter Drohungen durch den Beschwerdeführer sei zulässig, da die Glaubhaftigkeitsbeurteilung sich auch auf nicht direkt mit dem Tatgeschehen zusammenhängende, aber im Kontext stehende Umstände erstrecken darf (Urteil 6B_388/2021 E. 1.1.3.2). * Entstehungsgeschichte und Entwicklung der Aussagen: Die Vorinstanz stellte fest, dass die Privatklägerin nicht von sich aus zur Polizei ging, sondern sich einer Freundin anvertraute und erst nach weiteren Gewaltanwendungen gegen den gemeinsamen Sohn den Schritt zur Polizei wagte, aus Angst vor Drohungen des Beschwerdeführers. Die anfangs zurückhaltenden, später detaillierteren Schilderungen sexueller Handlungen erklärte die Vorinstanz plausibel mit Scham und der Schwierigkeit, die Vorfälle richtig einzuordnen. Dies sei keine Aggravation. * Realkennzeichen und Detaillierungsgrad: Die Aussagen der Privatklägerin zeigten das "klassische Bild einer durch jahrelange Gewalt, Unterdrückung und Erniedrigung traumatisierten Ehefrau". Sie seien differenziert und keineswegs stereotyp, enthielten entlastende Elemente (manchmal kein Widerstand, auch einvernehmlicher Sex), was ihre Glaubwürdigkeit stütze. Die Privatklägerin habe eine sehr spezifische Wortwahl benutzt, insbesondere bei Drohungen. Über sieben Einvernahmen seien keine signifikanten Widersprüche aufgetreten. Für die konkreten Vorfälle nach der Untersuchungshaft und der Rückenoperation wiesen ihre Aussagen hohe Qualität an Realkennzeichen auf (raum-zeitliche Verknüpfung, Interaktionsschilderungen, Schilderungen eigener und wahrgenommener Gefühle, Einräumung von Erinnerungslücken, spontane Korrekturen). * Weitere Beweismittel: Aussagen des gemeinsamen Sohnes, des Sohnes aus erster Ehe und dessen Ehefrau bestätigten Gewalt durch den Beschwerdeführer. Das Fehlen direkter Zeugen für die sexuellen Übergriffe wurde plausibel mit Scham der Privatklägerin und der häuslichen Situation erklärt. Die Vorinstanz schloss sämtliche möglichen Motive für eine Falschbeschuldigung aus und sah die Aussagen des Beschwerdeführers, der lügen durfte, nicht als widerlegend an. * Anwendung von "in dubio pro reo": Die Vorinstanz übernahm nicht unbesehen die Anklage oder die Version der Privatklägerin, sondern äusserte Zweifel an der Häufigkeit der "wöchentlichen" sexuellen Nötigungen und Vergewaltigungen vor der Scheidung im Juli 2012. Sie wandte den Grundsatz "in dubio pro reo" an und ging zugunsten des Beschwerdeführers von je einem Beischlaf oder Oralverkehr während rund 22 Monaten (2. Juli 2012 bis 18. Mai 2014) aus, woraus elf Fälle von Oralverkehr und elf Fälle von Beischlaf resultierten. Dies zeugt von einer differenzierten und nicht willkürlichen Beweiswürdigung.

5.4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände zur Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung erweisen sich als unbegründet, soweit sie den qualifizierten Begründungsanforderungen überhaupt genügten. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt willkürfrei festgestellt. Da der Beschwerdeführer keine anderen Rügen erhob, erweisen sich die Schuldsprüche als bundesrechtskonform.

6. Entscheid des Bundesgerichts Die Beschwerde wurde abgewiesen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abgewiesen. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, unter Berücksichtigung seiner angespannten finanziellen Verhältnisse.

Wesentliche Punkte (Kurzfassung):

  • Verurteilung: Der Beschwerdeführer wurde wegen mehrfacher sexueller Nötigung und Vergewaltigung (sowie Drohung und Nötigung) zu 4.5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, basierend auf den glaubhaften Aussagen seiner ehemaligen Ehefrau.
  • Glaubhaftigkeitsgutachten: Das Bundesgericht bestätigte die Ablehnung eines aussagepsychologischen Gutachtens durch die Vorinstanz, da keine psychotischen Symptome im Sinne von Wahnvorstellungen objektiviert werden konnten und somit keine "besonderen Umstände" vorlagen, die ein solches Gutachten erfordert hätten.
  • Aussageanalyse: Die methodische Analyse der Opfer-Aussagen durch die Vorinstanz wurde als korrekt erachtet. Die Kritik des Beschwerdeführers an der zugrunde liegenden Nullhypothese wurde zurückgewiesen, da er selbst ein falsches Verständnis davon hatte.
  • Beweiswürdigung: Die Feststellung der Fakten und die Würdigung der Beweise durch die Vorinstanz (insbesondere der detaillierten und differenzierten Opfer-Aussagen mit vielen Realkennzeichen) wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich befunden.
  • "In dubio pro reo": Die Vorinstanz hat den Grundsatz "in dubio pro reo" angewandt, indem sie die Häufigkeit der angeklagten sexuellen Handlungen zugunsten des Beschwerdeführers reduziert, was eine sorgfältige und nicht willkürliche Beweiswürdigung unterstreicht.
  • Ergebnis: Die Beschwerde wurde vollumfänglich abgewiesen.