Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_1184/2023 vom 18. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (BGE 6B_1184/2023 vom 18. August 2025) detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 6B_1184/2023 vom 18. August 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.__ gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn zu befinden. Gegenstand war ein Schuldspruch wegen Fälschung von Ausweisen (Art. 252 StGB) sowie Fragen des rechtlichen Gehörs und der Kosten- und Entschädigungsfolgen im Verfahren.

Der Sachverhalt umfasste, dass A._ im Februar 2013 in der Schweiz Asyl ersuchte. Dieses Gesuch wurde 2014 vom Bundesamt für Migration (BFM) und später vom Bundesverwaltungsgericht (BVGer) abgewiesen, da A._ seine wahre Herkunft verschleiere. Im August 2020 reichte A.__ dem Staatssekretariat für Migration (SEM) eine chinesische Identitätskarte nach, die er nachträglich erhalten haben will. Eine forensische Analyse, die im Rahmen eines Revisionsverfahrens vor dem BVGer veranlasst wurde, ergab, dass es sich um eine Totalfälschung handelte. Daraufhin erstattete das BVGer Strafanzeige.

Die Staatsanwaltschaft Solothurn verurteilte A._ im Mai 2021 per Strafbefehl wegen Fälschung von Ausweisen zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe. A._ erhob Einsprache, woraufhin das Richteramt Solothurn-Lebern ihn im Oktober 2021 freisprach und ihm eine Parteientschädigung zusprach. Die Staatsanwaltschaft legte erfolgreich Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte A._ im August 2023 wegen Fälschung von Ausweisen zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 10.--. Es stellte zudem eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest und regelte die Kosten- und Entschädigungsfolgen. Gegen dieses Urteil reichte A._ Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein, mit dem Hauptantrag auf Freispruch.

2. Würdigung des Sachverhalts und Willkürrüge (E. 1)

Das Bundesgericht prüfte zunächst die Rügen des Beschwerdeführers gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Die Überprüfung von Sachverhaltsfeststellungen durch das Bundesgericht ist gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG stark eingeschränkt und erfolgt nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit (Willkür) oder Rechtsverletzung, sofern die Behebung des Mangels entscheidend ist. Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, nicht schon, wenn eine andere Lösung vertretbar wäre. Die Willkürrüge muss zudem substanziiert begründet werden und sich mit der gesamten Beweislage auseinandersetzen (E. 1.1 unter Verweis auf BGE 148 IV 356 E. 2.1; 146 IV 88 E. 1.3.1).

Die Vorinstanz hatte gestützt auf ein detailliertes Gutachten der Fachgruppe Urkunden und Schriften der Kantonspolizei Bern vom Dezember 2022 die strittige Identitätskarte als Totalfälschung qualifiziert. Sie führte verschiedene technische Merkmale auf, die für eine Fälschung sprachen: * Das Ausstelldatum der Identitätskarte (16. Oktober 2023) enttarnte sie bereits als Fälschung, da sie der "zweiten Generation" chinesischer Identitätskarten nachempfunden war, die laut Auskunft der Botschaft der Chinesischen Volksrepublik über das EDA ab dem 1. Januar 2004 in Verkehr gebracht wurden (E. 1.3.1). * Eine Durchlichtungsuntersuchung ergab das Fehlen eines Chips. * Es fehlten feine Linien des Untergrunddrucks und Iriseinfärbungen, die im Vergleichsmaterial vorhanden waren. * Ein punktförmiges Druckbild des Tintendrucks und unvollständige Mikroschriftzüge deuteten auf eine Fälschung hin. * Die gleichzeitige, parallele Anwendung des Tintendrucks für Untergrunddruck, Personaleintragung und Lichtbild war atypisch. * Wolkenartige Luminiszenzen auf Vorder- und Rückseite liessen auf Klebspuren schliessen. * Ein fehlender UV-Aufdruck der chinesischen Mauer auf der Frontseite, sowie undeutlich definierte kinetische Bewegungsabläufe, Farbabläufe und unscharfe Randzonen irisierender Elemente sprachen für eine Nachahmung (E. 1.2).

Des Weiteren würdigte die Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers als widersprüchlich und nicht glaubhaft. Sie stellte fest, dass A._ bereits einmal ein gefälschtes Dokument (Pass mit falschem Namen und Foto) zur Einreise benutzt hatte. Hinsichtlich der Herkunft der strittigen ID-Karte machte A._ unterschiedliche Angaben (Kontakt zu Familie vs. Mönche in einem Kloster). Die Vorinstanz bemerkte zudem, dass A.__ zum Zeitpunkt der angeblichen Ausstellung der ID-Karte (gemäss Aufdruck) 19 Jahre alt gewesen sei, während das abgebildete Foto ein viel jüngeres Kind zeige, nicht ihn (E. 1.2). Aus diesen Gründen schloss die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Einreichung der Identitätskarte im ausländerrechtlichen Verfahren gewusst, dass er ein gefälschtes Dokument einsetzte.

Das Bundesgericht wies die Willkürrügen des Beschwerdeführers ab. Es befand, dass die Feststellung zum Inverkehrbringen der chinesischen ID-Karten der zweiten Generation auf einer vertretbaren Auskunft der Botschaft der Chinesischen Volksrepublik basierte (E. 1.3.1). Auch die Annahme, der Beschwerdeführer sei bereits vor dem 18. Altersjahr im Besitz der ID-Karte gewesen, beruhe auf einer vertretbaren Würdigung seiner eigenen, teilweise unklaren Aussagen (E. 1.3.2). Weitergehende, appellatorische Kritik des Beschwerdeführers, die sich nicht mit der gesamten Beweislage (insbesondere den technischen Fälschungsmerkmalen und dem Kinderfoto) auseinandersetzte, wurde nicht berücksichtigt (E. 1.3.3). Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die vorinstanzliche Beweiswürdigung willkürfrei sei und die Feststellungen der Vorinstanz verbindlich seien (E. 1.3.4).

3. Schuldspruch gemäss Art. 252 StGB (Fälschung von Ausweisen) (E. 2)

Das Bundesgericht prüfte anschliessend den Schuldspruch nach Art. 252 StGB.

3.1 Rechtliche Grundlagen (E. 2.1): Gemäss Art. 252 StGB macht sich strafbar, wer Ausweisschriften, Zeugnisse oder Bescheinigungen fälscht oder verfälscht, in der Absicht, sich oder einem anderen das Fortkommen zu erleichtern. Als Ausweisschriften gelten Dokumente zur Belegung von Identität, Zivilstand oder anderen persönlichen Informationen (wie Geburtsdatum), insbesondere Reisepässe und Identitätskarten (BGE 117 IV 170 E. 2c; Urteil 6B_619/2012 E. 1.2.1). Die Tathandlung ist der Gebrauch des Dokuments zur Täuschung. Subjektiv wird neben dem Vorsatz die Absicht gefordert, sich das "Leben zu erleichtern" (BGE 111 IV 24 E. 1b).

3.2 Anwendung durch die Vorinstanz (E. 2.2): Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die totalgefälschte chinesische Identitätskarte eine Ausweisschrift im Sinne von Art. 252 StGB darstellt und die Einreichung des Dokuments beim SEM den objektiven Tatbestand erfüllte. Subjektiv habe der Beschwerdeführer mit direktem Vorsatz gehandelt, um seinen Aufenthaltsstatus zu verbessern.

3.3 Rüge des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) (E. 2.3): Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da die Vorinstanz die Erfüllung des subjektiven Tatbestands nicht verfassungskonform begründet habe. Das Bundesgericht erinnerte an die Anforderungen des rechtlichen Gehörs: Die Behörde muss Vorbringen hören, prüfen und berücksichtigen sowie ihren Entscheid begründen, sodass er sachgerecht angefochten werden kann. Es ist aber nicht nötig, jeden einzelnen Parteistandpunkt ausführlich zu widerlegen (BGE 150 I 174 E. 4.1; 150 III 1 E. 4.5). Das Bundesgericht hielt fest, dass die Vorinstanz im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt hatte, von welchem Wissensstand des Beschwerdeführers sie ausging. Da das angefochtene Urteil als Ganzes zu lesen sei (Urteil 7B_743/2024 E. 4.3), sei aus den Erwägungen der Vorinstanz klar ersichtlich, von welchen Überlegungen sie sich bei der Beurteilung des subjektiven Tatbestands leiten liess. Die Rüge der Begründungsmängel war daher unbegründet (E. 2.3.2).

3.4 Schlussfolgerung zum Schuldspruch (E. 2.4): Basierend auf dem willkürfrei erstellten Sachverhalt bestätigte das Bundesgericht, dass der Beschwerdeführer wissentlich eine gefälschte Identitätskarte beim SEM einreichen liess, um eine Neubeurteilung seines Aufenthaltsstatus zu erwirken. Sämtliche Tatbestandselemente des Art. 252 StGB seien erfüllt.

4. Verletzung von Art. 428 Abs. 3 StPO (Kosten und Entschädigungen) (E. 3)

Dies war der Punkt, in dem der Beschwerdeführer erfolgreich war und zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils führte.

4.1 Vorinstanzliche Regelung (E. 3.1): Die Vorinstanz hatte den Beschwerdeführer aufgrund des Schuldspruchs mit den Kosten des gesamten Verfahrens belastet und ihm keine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochen. Für das Berufungsverfahren hatte sie die amtliche Verteidigung gewährt und den Rechtsvertreter aus der Staatskasse entschädigt.

4.2 Rüge des Beschwerdeführers (E. 3.2): Der Beschwerdeführer machte geltend, die Vorinstanz habe übersehen, dass er bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein Gesuch um amtliche Verteidigung gestellt hatte. Die erste Instanz hatte dieses Gesuch wegen des Freispruchs nicht prüfen müssen. Die zweite Instanz (Obergericht) hätte sich jedoch bei der Verurteilung des Beschwerdeführers mit diesem Gesuch befassen und darüber entscheiden müssen, was sie unterliess und damit Art. 428 Abs. 3 StPO verletzte.

4.3 Rechtliche Grundlagen (E. 3.3): * Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. * Art. 428 Abs. 3 StPO schreibt vor, dass die Rechtsmittelinstanz, wenn sie selbst einen neuen Entscheid fällt (reformatorisch entscheidet), auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung zu befinden hat. Zu den Kosten zählen dabei auch diejenigen der amtlichen Verteidigung und unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO). Eine Nichtbehandlung dieser Kosten durch die Berufungsinstanz entspricht nicht den bundesrechtlichen Vorgaben von Art. 112 BGG (E. 3.3.1 unter Verweis auf Urteil 6B_1145/2022 E. 4.3). * Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO regelt die amtliche Verteidigung bei fehlenden Mitteln und gebotener Verteidigung. Diese ist namentlich geboten, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt und der Straffall tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten bietet (Art. 132 Abs. 2 StPO). * Die Bewilligung der amtlichen Verteidigung gilt grundsätzlich für das gesamte Verfahren, aber nicht automatisch für Rechtsmittelverfahren (E. 3.3.3 unter Verweis auf Urteile 6B_415/2021 E. 6.3; 7B_208/2023 E. 2). Die Bestellung erfolgt grundsätzlich rückwirkend auf den Zeitpunkt der Gesuchstellung.

4.4 Anwendung durch das Bundesgericht (E. 3.4): Das Bundesgericht stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft ein erstes Gesuch des Beschwerdeführers um amtliche Verteidigung im Mai 2021 abwies. Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung im Oktober 2021 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf amtliche Verteidigung "ab Prozessbeginn". Die erste Instanz behandelte diesen Antrag nicht, da sie den Beschwerdeführer freisprach und entschädigte. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer nach einer Gesuchsabweisung grundsätzlich ein neues Gesuch stellen kann (E. 3.4.2 unter Verweis auf Urteil 1B_245/2020 E. 3.7).

Die erste Instanz hätte das erneute Gesuch prüfen müssen, wenn sie den Beschwerdeführer nicht freigesprochen hätte. Da das Obergericht als zweite Instanz das Urteil reformatorisch änderte und den Beschwerdeführer verurteilte, war es gemäss Art. 428 Abs. 3 i.V.m. Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO verpflichtet, über die Kosten der amtlichen Verteidigung für das gesamte Verfahren, einschliesslich des erstinstanzlichen Verfahrens, zu befinden. Dies hätte eine Prüfung des im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Gesuchs um amtliche Verteidigung vorausgesetzt. Da das angefochtene Urteil hierzu keine Erwägungen enthielt, entsprach es nicht den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG (E. 3.4.3).

5. Entscheid des Bundesgerichts (E. 4)

Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 7. August 2023 wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Dies betrifft die Prüfung des Gesuchs um amtliche Verteidigung und die daraus folgende Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das erstinstanzliche Verfahren. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Schuldspruchs nach Art. 252 StGB und der damit verbundenen Sachverhaltsfeststellung, wurde die Beschwerde abgewiesen.

Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wurde als aussichtslos (hinsichtlich des Schuldspruchs) abgewiesen, jedoch wurde seiner finanziellen Lage bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung getragen (Fr. 1'200.--). Da er in Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen obsiegte, hat der Kanton Solothurn seinen Rechtsvertreter für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 600.-- zu entschädigen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Schuldspruch bestätigt: Das Bundesgericht bestätigte die willkürfreie Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer wissentlich eine totalgefälschte chinesische Identitätskarte zur Verbesserung seines Aufenthaltsstatus beim SEM eingereicht hatte. Der materielle Schuldspruch wegen Fälschung von Ausweisen gemäss Art. 252 StGB wurde somit bestätigt.
  2. Rüge des rechtlichen Gehörs abgewiesen: Eine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bezüglich der Begründung des direkten Vorsatzes durch die Vorinstanz wurde vom Bundesgericht abgewiesen.
  3. Verfahrensmangel bei Kostenregelung: Das Urteil der Vorinstanz wurde jedoch aufgrund eines Verfahrensmangels aufgehoben und zurückgewiesen. Die Vorinstanz hatte es unterlassen, über einen im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf amtliche Verteidigung zu entscheiden, obwohl sie als reformatorische Instanz die Kosten des gesamten Verfahrens neu festzulegen hatte (Verletzung von Art. 428 Abs. 3 StPO und Art. 112 BGG).
  4. Konsequenz: Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese den Antrag auf amtliche Verteidigung prüft und darauf basierend die Kosten- und Entschädigungsfolgen für das erstinstanzliche Verfahren neu regelt.