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1. Einleitung und Verfahrensgegenstand
Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. zivilrechtliche Abteilung) vom 11. August 2025, Fallnummer 5A_375/2025, befasst sich mit der Beschwerde der A.__ AG in Liquidation (nachfolgend: Beschwerdeführerin) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug. Streitgegenstand ist die Aufhebung einer Konkurseröffnung, wobei insbesondere die Voraussetzungen der Schuldtilgung und der Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gemäss Art. 174 SchKG im Fokus stehen.
2. Sachverhaltliche Ausgangslage
Die Einzelrichterin am Kantonsgericht Zug eröffnete am 25. Februar 2025 auf Antrag der B.__ AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) über die Beschwerdeführerin den Konkurs. Die geschuldete Forderung betrug CHF 10'230.50 (inkl. Zinsen und Kosten). Die Einzelrichterin begründete ihren Entscheid damit, dass ein Vertreter der Beschwerdeführerin zwar zur Konkursverhandlung erschienen sei, jedoch lediglich einen Zahlungsnachweis über einen Teilbetrag vorlegen konnte. Eine vollständige Zahlung sei auch innert der von der Konkursrichterin angesetzten Frist bis 15.00 Uhr am 25. Februar 2025 nicht beim Betreibungsamt Baar eingegangen.
Die Beschwerdeführerin reichte am 7. März 2025 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zug ein. In ihrer Beschwerdeantwort erklärte die Beschwerdegegnerin, dass die gesamte Konkursforderung einschliesslich Kosten an das Betreibungsamt Baar überwiesen worden sei, und beantragte daher die Gutheissung der Beschwerde und die Aufhebung der Konkurseröffnung. Das Obergericht wies die Beschwerde jedoch mit Urteil vom 15. April 2025 ab. Es stellte fest, dass die Beschwerdeführerin einen Betrag von CHF 10'097.45 (Valuta 25. Februar 2025) und CHF 200.-- (Valuta 27. Februar 2025) an das Betreibungsamt überwiesen hatte. Obgleich die gesamte Forderung damit gedeckt sei (Art. 174 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG), sei keine vor der Konkurseröffnung erfolgte vollständige Begleichung der Schuld inklusive Zinsen und Kosten nachgewiesen worden. Daher sei zusätzlich die Zahlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu prüfen, welche diese nach Ansicht des Obergerichts nicht glaubhaft gemacht habe.
Dagegen gelangte die Beschwerdeführerin am 15. Mai 2025 mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht, beantragte die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und der Konkurseröffnung sowie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Letztere wurde mit Präsidialverfügung vom 4. Juni 2025 dahingehend erteilt, dass der Konkurs eröffnet bleibt, Vollstreckungsmassnahmen jedoch bis zum bundesgerichtlichen Entscheid zu unterbleiben haben.
3. Rechtliche Problematik und Argumentation des Bundesgerichts
Die zentrale Frage des vorliegenden Falls war, unter welchen Voraussetzungen eine Konkurseröffnung aufgehoben werden kann, insbesondere wenn die vollständige Schuldtilgung (inkl. Gerichtskosten) erst nach der Konkurseröffnung, aber noch innerhalb der Beschwerdefrist erfolgt.
3.1. Zeitpunkt der Schuldtilgung und die Unterscheidung von echten und unechten Noven (Erwägung 3)
Das Bundesgericht beleuchtet zunächst die Regelung des Novenrechts im Beschwerdeverfahren gegen die Konkurseröffnung gemäss Art. 174 SchKG:
Definition der "Kosten" nach Art. 172 Ziff. 3 und Art. 174 Abs. 2 SchKG: Das Bundesgericht hält fest, dass die zur Abwendung des Konkurses zu tilgenden oder hinterlegenden "Kosten" nicht nur Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten umfassen, sondern auch die Gerichtskosten des angefochtenen Konkurserkenntnisses samt einer allfälligen Parteientschädigung sowie die Kosten des Konkursamtes (BGE 133 III 687 E. 2; Urteile 5A_217/2024 E. 2.1; 5A_829/2014 E. 3.3 und 3.5). Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin in der Vorladung zur Konkursverhandlung explizit auf die Notwendigkeit hingewiesen, auch die Gerichtskosten von CHF 200.-- zu sichern. Sie zahlte jedoch vor Konkurseröffnung lediglich CHF 10'097.45, womit ein Fehlbetrag von CHF 133.05 verblieb.
Anwendung auf den Fall: Da die Beschwerdeführerin die vollständige Forderung inklusive Gerichtskosten nicht vor der Konkurseröffnung sichergestellt hatte, waren die Voraussetzungen für die Abweisung des Konkursbegehrens gemäss Art. 172 Ziff. 3 SchKG nicht erfüllt. Die Konkurseröffnung erfolgte daher rechtmässig. Die erst nach der Konkurseröffnung, aber innerhalb der Beschwerdefrist erfolgte vollständige Tilgung der Schuld stellt somit ein echtes Novum im Sinne von Art. 174 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG dar. Dies bedeutet, dass die Beschwerdeführerin zwingend ihre Zahlungsfähigkeit glaubhaft machen musste, um die Aufhebung des Konkurses zu erwirken.
Auseinandersetzung mit kantonaler Praxis und bundesgerichtlicher Stellungnahme: Das Bundesgericht nimmt Stellung zu einer uneinheitlichen kantonalen Praxis. Während einige kantonale Gerichte (z.B. Obergericht Zürich, Kantonsgericht Schwyz) den Umstand, dass lediglich die Kosten des Konkursgerichts erst nach der Konkurseröffnung getilgt wurden, mitunter als vernachlässigbar erachteten und auf die Prüfung der Zahlungsfähigkeit verzichteten, schliesst sich das Bundesgericht der gegenteiligen Auffassung an (z.B. Obergericht Bern, Kantonsgericht Freiburg, Kantonsgericht Waadt, Appellationsgericht Basel-Stadt). Das Bundesgericht betont, dass das Gesetz die Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit als zusätzliche Voraussetzung für die Aufhebung der Konkurseröffnung bei echten Noven ausdrücklich vorsieht. Dieser Regelung liege der Sinn zugrunde, den Konkurs nur für lebensfähige Schuldner abzuwenden. Die Vorinstanz habe daher weder das Verbot des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV) noch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) verletzt, indem sie diese gesetzliche Voraussetzung nicht ausser Acht liess.
3.2. Zur Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit (Erwägung 4)
Nachdem das Bundesgericht die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit bestätigt hat, prüft es deren Anwendung im vorliegenden Fall:
Anforderungen an die Glaubhaftmachung: Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn "gewisse Elemente für deren Vorhandensein sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte" (BGE 140 III 610 E. 4.1). Im Kontext der Konkursaufhebung muss die Zahlungsfähigkeit des Schuldners wahrscheinlicher sein als seine Zahlungsunfähigkeit. Es dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, insbesondere wenn die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Der Schuldner muss Beweismittel vorlegen, die seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft erscheinen lassen, insbesondere einen aktuellen Auszug aus dem Betreibungsregister. Zahlungsfähig ist, wer über ausreichende liquide Mittel zur Begleichung fälliger Schulden verfügt. Bloss vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten führen nicht zur Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Verbesserung der finanziellen Situation. Ein Schuldner, der systematisch Konkursandrohungen anhäuft, Rechtsvorschlag erhebt und selbst kleinere Beträge nicht bezahlt, gilt grundsätzlich als zahlungsunfähig (vgl. Urteile 5A_32/2025 E. 3.1.2; 5A_108/2021 E. 2.2).
Rolle des Bundesgerichts: Das Bundesgericht prüft als Rechtsfrage frei, ob das kantonale Gericht das richtige Beweismass angewandt hat. Die Bewertung der dem Gericht zur Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit vorgelegten Beweismittel betrifft hingegen die Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung, welche nur unter dem Aspekt der Willkür (Art. 9 BV) überprüft wird.
Analyse der Vorinstanz zur Zahlungsfähigkeit der A.__ AG: Die Vorinstanz stützte sich auf den Betreibungsregisterauszug vom 5. März 2025, der gegen die Beschwerdeführerin – neben der nun beglichenen Forderung – seit Dezember 2021 vier weitere Betreibungen über insgesamt CHF 353'291.06 auswies. * Eine Forderung (CHF 5'650.--) wurde getilgt. * Eine weitere (CHF 2'654.41) wurde zugunsten der Beschwerdeführerin als "nicht mehr aktuell" eingestuft. * Zwei erhebliche Betreibungen (CHF 209'885.75 und CHF 135'098.90) betrafen die Gläubigerin D._ AG. Die Beschwerdeführerin hatte zwar Verhandlungen und Gegenforderungen geltend gemacht, jedoch war gerichtsnotorisch, dass die Beschwerdeführerin durch Urteil des Kantonsgerichts Zug vom 27. April 2023 (bestätigt durch Obergericht und Bundesgericht, Urteil 4A_335/2024 vom 17. September 2024) zur Zahlung von rund CHF 200'000.-- an D._ AG (inkl. Zinsen, Kosten, Parteientschädigung) verpflichtet worden war. Eine Tilgung durch Verrechnung wurde von der Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich dargetan. * Zudem wies die Beschwerdeführerin weitere fällige Verbindlichkeiten von CHF 7'078.-- per 1. März 2025 aus. * Den gesamten Schulden von rund CHF 207'000.-- standen lediglich belegte finanzielle Mittel von ca. CHF 95'000.-- sowie ein Darlehen ihres Verwaltungsrates von CHF 21'304.70 gegenüber. * Ein behaupteter Geldfluss von CHF 14'800.-- aus dem Verkauf von Occasionsfahrzeugen war zwar durch Kaufverträge belegt, der Zeitpunkt des Zahlungseingangs jedoch unklar.
Angesichts dieser Tatsachen kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin ihre fälligen Schulden offensichtlich nicht begleichen kann und ihre Zahlungsfähigkeit somit nicht glaubhaft gemacht hat. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführerin, welche lediglich appellatorischer Natur waren und der vorinstanzlichen Beweiswürdigung eine eigene Sichtweise gegenüberstellten, vermochten keine Willkür darzulegen.
4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Es bestätigt die Rechtmässigkeit der Konkurseröffnung und die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit, da die vollständige Tilgung der Schuld erst nach der Konkurseröffnung erfolgte. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung zur fehlenden Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit hält der Willkürprüfung stand. Die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Eine neue Festsetzung des Konkursdatums erübrigt sich, da die aufschiebende Wirkung lediglich auf das Verbot weiterer Vollstreckungshandlungen beschränkt war.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: