Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_200/2024 vom 13. August 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGE 1C_200/2024, 1C_208/2024 vom 13. August 2025) detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsentscheids 1C_200/2024, 1C_208/2024 vom 13. August 2025

1. Einführung und Verfahrensgegenstand Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft zwei zusammengelegte öffentlich-rechtliche Beschwerden (1C_200/2024 und 1C_208/2024) gegen zwei separate Urteile des Waadtländer Kantonsgerichts vom 23. Februar 2024. Gegenstand der Beschwerden ist die Erteilung einer Baubewilligung für ein umfassendes Bauvorhaben (11 Gebäude mit 232 Wohnungen, Gewerbeflächen, Kinderkrippe und Gemeinschaftsraum sowie Tiefgarage) auf der Parzelle Nr. 2052 in Montreux, die sich im Perimeter des Partiellen Nutzungsplans (PPA) "Les Grands Prés" befindet.

Die Beschwerden wurden von Helvetia Nostra und weiteren Nachbarn (Helvetia Nostra et consorts) sowie der E.__ SA, Eigentümerin einer angrenzenden Parzelle, eingereicht. Die Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung der kantonalen Urteile und der Baubewilligung vom 16. September 2022. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut, hebt die angefochtenen Urteile sowie die Baubewilligung auf und weist die Sache zur neuen Entscheidung über die kantonalen Kosten an die Vorinstanz zurück.

2. Sachverhaltliche Grundlagen

  • Annullierung des Gesamtplans (nPGA): Im Jahr 2020 annullierte das Bundesgericht (Urteil 1C_632/2018, publiziert als BGE 146 II 289) den von der Gemeinde Montreux revidierten Allgemeinen Nutzungsplan (nPGA 2007) und dessen Reglement. Wesentlicher Grund war, dass die im nPGA vorgesehene Erstellung einer Reservezone von 79'687 m² zur Eindämmung der überdimensionierten Bauzone, ohne weitere konkrete Planungsziele, bundesrechtswidrig war. Das Bundesgericht forderte die Gemeinde auf, ihre Planung an das Bundesrecht (insbesondere Art. 15 RPG) anzupassen.
  • Partieller Nutzungsplan (PPA) "Les Grands Prés": Der PPA "Les Grands Prés" wurde 2017 vom Gemeinderat Montreux verabschiedet und 2018 vom kantonalen Departement genehmigt. Er basierte auf dem nPGA 2007. Der PPA betrifft die 2.5 Hektar grosse Parzelle Nr. 2052, die im Eigentum der Gemeinde steht und aktuell unüberbaut ist. Die vorgesehene Nutzung ist eine "gemischte Wohnzone mittlerer Dichte und tertiärer Aktivitäten".
  • Zonenreserven und Parzelle 2052: Nach der Annullierung des nPGA erliess die Gemeinde Montreux Zonenreserven, die im September 2022 genehmigt wurden. Bemerkenswerterweise wurde die Parzelle Nr. 2052 nicht in diese Zonenreserven einbezogen, obwohl sie unüberbaut ist und natürliche Werte (alte Bäume, Obstgärten, Wiesen) aufweist und in der Nähe eines wichtigen Fauna-Korridors liegt.
  • Baubewilligung und Einsprachen: Das Baugesuch für das erwähnte Projekt auf Parzelle 2052 wurde im September 2022 von der Gemeindeverwaltung bewilligt. Dagegen erhoben Helvetia Nostra, Nachbarn und E.__ SA Einsprache.
  • Kommunale Volksinitiative "Sauver les Grands-Prés": Im Mai 2022 wurde eine Volksinitiative mit dem Titel "Sauver les Grands-Prés" eingereicht, die vorsah, die Parzelle 2052 sofort und dauerhaft in eine nicht bebaubare Grünzone umzuwandeln und den PPA "Les Grands Prés" aufzuheben. Die Gemeinde erklärte die Initiative am 9. September 2022 für gültig. Die kantonale Verfassungsgerichtsbarkeit bestätigte die Gültigkeit der Initiative am 2. Dezember 2022. Am 18. Juni 2023 nahm die Montreuxer Stimmbevölkerung die Initiative mit 71% Ja-Stimmen an. Es ist festzuhalten, dass die Baubewilligung im September 2022, also kurz nach der Gültigkeitserklärung der Initiative, aber vor der Volksabstimmung, erteilt wurde.
  • Kantonales Urteil: Das kantonale Gericht bestätigte im Februar 2024 die Baubewilligung. Es befand, die Annahme der Volksinitiative sei für die Anwendung des Raumplanungsrechts nicht relevant und der PPA "Les Grands Prés" als jüngerer Plan eines "zentralen Sektors der Agglomeration" bedürfe keiner vorfrageweisen Prüfung.

3. Rechtliche Argumente und Begründung des Bundesgerichts

3.1. Zulässigkeit der Beschwerden Das Bundesgericht bejaht die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer, insbesondere der Nachbarn, die in weniger als 100 m Entfernung zum Projekt wohnen, sowie der E.__ SA als Eigentümerin einer an den PPA-Perimeter angrenzenden Parzelle. Angesichts der Komplexität des Projekts und der vorfrageweisen Anfechtung des Nutzungsplans wird ihnen ein hinreichendes schützenswertes Interesse zuerkannt.

3.2. Vorfrageweise Prüfung des PPA "Les Grands Prés" (Art. 21 Abs. 2 RPG)

  • Grundsatz der Planstabilität und Ausnahmen: Nutzungspläne sind in der Regel nach ihrer Genehmigung definitiv und können nicht mehr vorfrageweise im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens angefochten werden. Eine Ausnahme besteht gemäss Art. 21 Abs. 2 RPG dann, wenn sich die Umstände oder rechtlichen Voraussetzungen seit der Planerlassung erheblich geändert haben, so dass der Plan rechtswidrig geworden sein könnte und das Interesse an seiner Neubewertung gegenüber der Rechtssicherheit und Planstabilität überwiegt.
  • Enge Verknüpfung mit dem annullierten nPGA: Das Bundesgericht stellt fest, dass der PPA "Les Grands Prés" in einer engen Abhängigkeit zum annullierten nPGA stand und dessen Optionen konkretisieren sollte. Die Annullierung des nPGA wegen Nichteinhaltung der Anforderungen an die Bauzonendimensionierung gemäss Art. 15 RPG stellt daher eine erhebliche Umstandsänderung dar, die eine vorfrageweise Prüfung des PPA rechtfertigt.
  • Weitere konkrete Umstände für die "erhebliche Änderung":
    • Notorische Überdimensionierung der Bauzone: Die Gemeinde Montreux ist verpflichtet, ihre notorisch überdimensionierte Bauzone gemäss Art. 15 Abs. 2 RPG zu redimensionieren. Dies ist ein wichtiges öffentliches Interesse.
    • Fragwürdiger Ausschluss aus Zonenreserven: Es ist stossend, dass die Parzelle 2052, die unüberbaut ist, über natürliche Werte verfügt und als potenzieller Grünraum im Siedlungsgebiet zur Qualität der Urbanisierung beitragen könnte (Art. 3 Abs. 3 Bst. e RPG, kantonale Richtplanmassnahmen), von den Zonenreserven ausgenommen wurde, während benachbarte, vergleichbare Parzellen einbezogen wurden. Die Grösse der Parzelle (2.5 ha) übersteigt zudem die vom Kanton empfohlene Grenze von 2'500 m² für die Umzonung unüberbauter Flächen im Siedlungsgebiet.
    • Volkswille durch Volksinitiative: Das Bundesgericht bemängelt die Chronologie, wonach die Baubewilligung erteilt wurde, nachdem die Volksinitiative für gültig erklärt, aber bevor über sie abgestimmt wurde. Dies birgt die Gefahr, dass der Volkswille im Falle einer Annahme der Initiative substanzlos gemacht wird, was einen wichtigen öffentlichen Belang im Zusammenhang mit der Umsetzung demokratischer Rechte verletzt. Die deutliche Annahme der Initiative mit 71% der Stimmen zeigt einen klaren Volkswillen zur Umwandlung der Parzelle in eine Grünzone.
    • Reduziertes Gewicht der Planstabilität: Da die Parzelle Nr. 2052 im Eigentum der Gemeinde Montreux steht, hat der Grundsatz der Planstabilität zugunsten privater Grundeigentümer hier ein geringeres Gewicht.

3.3. Fazit und Interessenabwägung Angesichts dieser kumulierten, sehr besonderen Umstände – der Annullierung des übergeordneten nPGA wegen Bauzonenüberdimensionierung, der zweifelhaften Ausnahme der Parzelle aus den Zonenreserven, ihrer natürlichen Charakteristik und Grösse sowie des deutlichen Volkswillens – kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass sich die Umstände seit Erlass des PPA "Les Grands Prés" erheblich geändert haben. Die öffentlichen Interessen an einer bundesrechtskonformen Redimensionierung der Bauzone, dem Schutz natürlicher Werte und der Achtung des demokratisch bekundeten Volkswillens überwiegen das Interesse an der Beibehaltung einer nunmehr ungeeigneten Planung und dem Grundsatz der Planstabilität.

4. Entscheid und Anweisungen Das Bundesgericht erachtet die Baubewilligung als nicht rechtmässig erteilt. Es heisst die Beschwerden gut, annulliert die angefochtenen kantonalen Urteile sowie die Baubewilligung vom 16. September 2022. Die Gemeinde Montreux wird angewiesen, im Rahmen ihrer laufenden bzw. neu aufzunehmenden Gesamtplanungsrevision eine aktualisierte Interessenabwägung für das Gebiet "Les Grands Prés" vorzunehmen, die sowohl den Anforderungen des Bundesrechts (Art. 15 RPG) als auch dem bekundeten Volkswillen Rechnung trägt. Weitere, von den Beschwerdeführern erhobene Rügen (z.B. formeller Natur) müssen aufgrund dieses Hauptentscheids nicht mehr geprüft werden.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hat die Baubewilligung für das Projekt "Les Grands Prés" in Montreux aufgehoben. Die zentralen Gründe dafür sind:

  1. Enge Verknüpfung mit annulliertem Gesamtplan: Der PPA "Les Grands Prés" basierte auf einem Generalplan, den das Bundesgericht 2020 wegen einer überdimensionierten Bauzone annulliert hatte. Dies stellt eine erhebliche Umstandsänderung dar, die eine vorfrageweise Prüfung des PPA rechtfertigt.
  2. Notorische Überdimensionierung der Bauzone: Die Gemeinde Montreux ist zur Redimensionierung ihrer Bauzone verpflichtet (Art. 15 RPG). Im Kontext dieser Pflicht war der Ausschluss der unüberbauten, grossen und naturnahen Parzelle 2052 aus den neu geschaffenen Zonenreserven fragwürdig.
  3. Deutlicher Volkswille: Eine kommunale Volksinitiative zur Umwandlung der Parzelle in eine Grünzone wurde von 71% der Stimmenden angenommen. Die Erteilung der Baubewilligung vor der Abstimmung gefährdete die Substanz dieses demokratischen Entscheids.
  4. Geringeres Gewicht der Planstabilität: Da die Parzelle im Eigentum der Gemeinde steht, hatte das Prinzip der Planstabilität ein reduziertes Gewicht im Vergleich zu den übergeordneten öffentlichen Interessen (Raumplanungskonformität, Schutz Naturwerte, Volkswille).

Das Bundesgericht gelangte zur Überzeugung, dass sich die Umstände seit dem Erlass des PPA erheblich geändert hatten und die öffentlichen Interessen an einer aktualisierten und bundesrechtskonformen Planung das Interesse an der Beibehaltung des PPA überwiegen. Die Gemeinde muss nun eine neue, umfassende Interessenabwägung vornehmen.