Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_275/2024 vom 5. August 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_275/2024 vom 5. August 2025) detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 6B_275/2024 vom 5. August 2025

I. Einleitung

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in Strafsachen, welche sich gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 14. November 2023 richtet. Der Beschwerdeführer A._, Jahrgang 1964, wurde in den Vorinstanzen wegen diverser schwerwiegender sexueller Delikte zum Nachteil von A.B._, Jahrgang 2008 (Tochter seiner damaligen Lebenspartnerin), verurteilt. Die Bundesgerichts-Beschwerde des A.__ konzentriert sich auf zwei Hauptpunkte: 1. Der Schuldspruch wegen mehrfacher versuchter sexueller Nötigung (konkret die mehrfachen Aufforderungen zur oralen Befriedigung). 2. Die Strafzumessung.

II. Sachverhalt (relevant für die Beschwerde)

Im Zeitraum von Oktober 2019 bis April 2020 soll der Beschwerdeführer A.B._ mehrfach sexuell missbraucht haben. Dies umfasste Berührungen an Intimstellen, manuelle Stimulation seines Penis, Oral-, Vaginal- und Analverkehr an ihr. Für die vorliegende Beschwerde zentral ist der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe A.B._ mehrfach aufgefordert, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was sie jedoch verweigert habe.

Das Kreisgericht Wil sprach den Beschwerdeführer unter anderem der mehrfachen Vergewaltigung, sexuellen Nötigung, versuchten sexuellen Nötigung und sexuellen Handlungen mit einem Kind schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 5.5 Jahren, ordnete eine stationäre Massnahme an und sprach eine Genugtuung von CHF 20'000.- zu.

Auf Berufung des Beschwerdeführers hin, welche auf den Schuldspruch wegen mehrfacher versuchter sexueller Nötigung (Aufforderung zur oralen Befriedigung) und die Sanktion beschränkt war, bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen die Schuldsprüche inhaltlich. Es reduzierte die Freiheitsstrafe auf 5 Jahre und ordnete eine ambulante Behandlung an, hielt aber an der Genugtuung und dem Tätigkeitsverbot fest.

Der Beschwerdeführer beantragt vor Bundesgericht im Wesentlichen den Freispruch vom Vorwurf der mehrfachen versuchten sexuellen Nötigung (Aufforderung zur oralen Befriedigung) und der damit verbundenen sexuellen Handlungen mit einem Kind sowie eine entsprechende Reduktion der Freiheitsstrafe.

III. Massgebende Punkte und rechtliche Argumente des Bundesgerichts

1. Schuldspruch wegen mehrfacher versuchter sexueller Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB)

Der Beschwerdeführer rügte in diesem Punkt zweierlei: a) Eine Verletzung von Art. 182 StPO, da die Vorinstanz das Einholen eines aussagepsychologischen Gutachtens betreffend die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 verweigert habe. b) Eine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz.

1.1. Zur Frage des aussagepsychologischen Gutachtens (Art. 182 StPO)

a) Argumentation der Vorinstanz: Die Vorinstanz verneinte die Notwendigkeit eines Glaubhaftigkeitsgutachtens mit ausführlicher Begründung. Sie stellte fest, dass die Beschwerdegegnerin 2 (im Tatzeitraum 11 Jahre alt) bei ihrer umfassenden polizeilichen Befragung (videoaufgezeichnet) wach, klar und authentisch wirkte. Ihre Aussagen seien altersentsprechend, differenziert und ohne innere oder äussere Widersprüche. Sie konnte einzelne Missbrauchshandlungen konkret zuordnen und untermauerte ihre Schilderungen mit Zeichnungen und Gesten. Die Vorinstanz stellte eine Vielzahl von Realkennzeichen fest, die für glaubhafte Schilderungen sprechen.

Bezüglich der schulischen und psychischen Probleme der Beschwerdegegnerin 2 (wie Suizidabsichten, selbstverletzendes Verhalten) führte die Vorinstanz aus, diese Umstände begründeten keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit. Vielmehr seien sie als Folge der sexuellen Missbräuche und nicht als Ursache einer mangelnden Aussagetüchtigkeit oder suggestiven Beeinflussung zu werten. Eine suggestive Beeinflussung durch die Mutter wurde ebenfalls verneint, da die Beschwerdegegnerin 2 sich erst selbstständig an die Mutter wandte und die Mutter vor der Polizeikontaktaufnahme keine Kenntnis der Details der Übergriffe hatte. Ein wichtiger Punkt war zudem, dass der Beschwerdeführer die weitaus gravierenderen Vorwürfe (einschliesslich vaginaler Penetration) bereits im Vorverfahren und vor der Vorinstanz anerkannt hatte, was die Glaubhaftigkeit der Beschwerdegegnerin 2 in diesen Punkten unzweifelhaft belegte und somit die Annahme einer generellen suggestiven Beeinflussung entkräftete.

b) Rechtliche Grundlagen und Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erinnert an die Qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG) bei der Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen wie Willkür. Es legt seinen Urteilen den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde, es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig (willkürlich) oder beruht auf einer Rechtsverletzung (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 1 und 2 BGG). Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn diese schlechterdings unhaltbar ist, nicht schon, wenn eine andere Lösung möglich erscheint (BGE 148 IV 356 E. 2.1). Die Willkür muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis vorliegen.

Die Prüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen ist primär Aufgabe des Gerichts (Art. 10 Abs. 2 StPO). Ein aussagepsychologisches Gutachten drängt sich nach ständiger Rechtsprechung nur bei besonderen Umständen auf, wie bruchstückhaften Äusserungen von Kleinkindern, ernsthaften Anzeichen geistiger Störungen, die die Aussageehrlichkeit beeinträchtigen könnten, oder Hinweisen auf Beeinflussung durch Dritte (BGE 129 IV 179 E. 2.4). Dem Sachgericht steht hierbei ein Ermessensspielraum zu.

Das Bundesgericht gelangte zur Auffassung, dass die Vorinstanz ihren Ermessensspielraum nicht überschritten hat. Die Argumentation des Beschwerdeführers bezüglich der psychischen Probleme der Beschwerdegegnerin 2 reiche nicht aus, um die Notwendigkeit eines Gutachtens zu begründen, da diese Probleme die Aussageehrlichkeit nicht per se infrage stellten. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, inwiefern die Vorinstanz die fehlende Notwendigkeit eines Gutachtens zu Unrecht verneint habe. Seine Kritik zur suggestiven Beeinflussung wurde als appellatorisch bewertet, da er lediglich seine eigene Sicht darlegte, ohne substantiiert auf die detaillierten Erwägungen der Vorinstanz einzugehen, welche eine suggestive Beeinflussung überzeugend ausschlossen. Es waren keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Aussageehrlichkeit der Beschwerdegegnerin 2 ersichtlich.

1.2. Zur Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung

a) Argumentation der Vorinstanz (wie vom BGer bestätigt): Die Vorinstanz stützte ihren Schuldspruch auf die glaubhaften Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 und weitere Indizien. Sie führte dezidiert auf, welche Realkennzeichen in den Schilderungen der Beschwerdegegnerin 2, insbesondere bezüglich der Aufforderungen zum Oralverkehr, vorlagen: Eine deutliche emotionale Verknüpfung (sichtliche Scham, anfängliches Notieren statt Aussprechen der Vorwürfe), eine schlüssige Interaktion, eine klare räumlich-zeitliche Verortung der Ereignisse, und eine differenzierte Darstellung, die nicht pauschal alle Vorwürfe umfasste und somit gegen Aggravation oder übermässigen Belastungseifer sprach.

Die Vorinstanz bejahte zudem die Kausalität zwischen den sexuellen Übergriffen und den psychischen Beeinträchtigungen (fürsorgerische Unterbringung, Suizidgedanken, selbstverletzendes Verhalten) der Beschwerdegegnerin 2.

b) Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht trat auf die pauschale Behauptung des Beschwerdeführers, die Feststellung von Realkennzeichen sei unzureichend, nicht ein. Es bekräftigte, dass die Vorinstanz die Realkennzeichen in ihren Erwägungen detailliert dargelegt hatte. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gegengründe (z.B. dass er die gravierenderen Vorwürfe eingeräumt habe, aber nicht diesen, oder dass nicht alle Aussagen zu Schuldsprüchen führten) wurden als appellatorisch eingestuft und vermochten keine Willkür zu begründen. Das Bundesgericht betonte, dass die Willkür nicht schon dann bejaht wird, wenn eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint.

Besonders hervorgehoben wurde die Tatsache, dass die Glaubhaftigkeit der Beschwerdegegnerin 2 bereits durch die vom Beschwerdeführer selbst anerkannten schwerwiegenden Delikte unzweifelhaft feststand. Dies stützte die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen auch in Bezug auf die bestrittenen Aufforderungen zum Oralverkehr. Die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" wurde mangels aufgezeigter Willkür ebenfalls abgewiesen.

Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, die psychischen Beeinträchtigungen der Beschwerdegegnerin 2 seien auf die sexuellen Übergriffe zurückzuführen, wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich erachtet. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dies liesse sich nicht auf den Arztbericht der Klinik C.__ stützen oder die zeitliche Distanz schliesse die Kausalität aus, wurde als unzureichend und als eigene Beweiswürdigung abgetan. Selbst frühere psychische Abklärungen negierten nicht eine Zunahme der Schwierigkeiten durch die Übergriffe. Auch die Behauptungen einer Opferhaltung oder generellen suggestiven Beeinflussung der Beschwerdegegnerin 2 durch den Beschwerdeführer wurden nicht als willkürlich befunden.

Schlussfolgerung des Bundesgerichts zu Punkt 1: Der Schuldspruch wegen versuchter sexueller Nötigung ist rechtskonform.

2. Strafzumessung

a) Rügen des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe die Einsatzstrafe für die Vergewaltigung vom 26. April 2020 unzulässig gebildet und die Strafe für die Vergewaltigung vom 15. April 2020 unzulässig erhöht. Er argumentierte, die fürsorgerische Unterbringung, Suizidgedanken und das selbstverletzende Verhalten seien straferhöhend berücksichtigt worden, ohne dass deren Kausalität zu den Taten bewiesen sei. Zudem forderte er eine Strafreduktion, falls der Freispruch vom Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung erfolgen sollte.

b) Rechtliche Grundlagen und Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht verweist auf seine ständige Rechtsprechung zu den Grundsätzen der Strafzumessung und der Bildung der Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip (Art. 49 Abs. 1 StGB) (BGE 136 IV 55 ff., 144 IV 217 ff.). Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn dieses Ermessen überschritten oder missbraucht wird (BGE 149 IV 217 E. 1.1).

Die Vorinstanz setzte für die schwerste Tat, die Vergewaltigung vom 26. April 2020, eine Einsatzstrafe von 36 Monaten fest und erhöhte diese für die weiteren Delikte, um zu einer Gesamtstrafe von 5 Jahren (60 Monaten) zu gelangen.

Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Argumentation zur Kausalität zwischen den Übergriffen und den psychischen Beeinträchtigungen der Beschwerdegegnerin 2. Da diese Kausalität willkürfrei festgestellt wurde (siehe Punkt 1.2), durfte die Vorinstanz diese Umstände straferhöhend berücksichtigen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente gegen die Kausalität wurden erneut als appellatorisch und unzureichend zur Begründung von Willkür zurückgewiesen. Das Bundesgericht sah weder eine Überschreitung noch einen Missbrauch des Ermessens bei der Festlegung der Einsatzstrafe oder der Gesamtstrafe.

Die Forderung nach einer Strafreduktion aufgrund eines Freispruchs von der versuchten sexuellen Nötigung wurde hinfällig, da der Schuldspruch in diesem Punkt vom Bundesgericht bestätigt wurde.

Schlussfolgerung des Bundesgerichts zu Punkt 2: Die Strafzumessung ist ebenfalls rechtskonform.

IV. Gesamtfazit

Die Beschwerde des Beschwerdeführers wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Schuldspruch der versuchten sexuellen Nötigung bestätigt: Das Bundesgericht wies die Rügen des Beschwerdeführers gegen den Schuldspruch der mehrfachen versuchten sexuellen Nötigung (Aufforderungen zum Oralverkehr) ab.
  • Kein aussagepsychologisches Gutachten notwendig: Die Vorinstanz durfte willkürfrei annehmen, dass die Aussagen der geschädigten Person (im Tatzeitraum 11 Jahre alt) glaubhaft waren und keine besonderen Umstände vorlagen, die ein aussagepsychologisches Gutachten erfordert hätten.
  • Keine willkürliche Beweiswürdigung: Die detaillierte Begründung der Vorinstanz, die auf zahlreiche Realkennzeichen, die inhaltliche Stimmigkeit der Aussagen und die fehlende suggestive Beeinflussung abstellte, wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich erachtet. Die Anerkennung anderer, schwerwiegenderer Taten durch den Beschwerdeführer selbst untermauerte die Glaubhaftigkeit der geschädigten Person.
  • Kausalität der psychischen Schäden: Die Annahme der Vorinstanz, die psychischen Beeinträchtigungen der geschädigten Person seien auf die sexuellen Übergriffe zurückzuführen und daher straferhöhend zu berücksichtigen, wurde als willkürfrei bestätigt.
  • Strafzumessung bestätigt: Die Höhe der vom Kantonsgericht verhängten Freiheitsstrafe von 5 Jahren und die Art der Strafzumessung (Einsatzstrafe, Asperationsprinzip) wurden vom Bundesgericht als im Rahmen des richterlichen Ermessens liegend und bundesrechtskonform befunden.
  • Beschwerde abgewiesen: Die Beschwerde wurde somit vollumfänglich abgewiesen.