Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_1188/2023 vom 29. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_1188/2023) vom 29. Juli 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das Bundesgericht, I. Strafrechtliche Abteilung, befasste sich mit einer Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. August 2023. Der Beschwerdeführer wurde von den kantonalen Instanzen wegen Widerhandlung gegen das Binnenschifffahrtsgesetz (BSG), namentlich des Führens eines Schiffes in fahrunfähigem Zustand (konkret: in angetrunkenem Zustand), zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je Fr. 350.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Er beantragte vor Bundesgericht einen Freispruch, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.

Dem Entscheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am Freitagabend, dem 7. August 2020, führte der Beschwerdeführer ein Motorboot namens "B._" auf dem Zürichsee. Er hatte vor Fahrtantritt eine erhebliche Menge Rotwein konsumiert. Bei einer Kontrolle durch die Seepolizei in V._ wurde bei ihm ein starker Alkoholmundgeruch festgestellt. Zwei Atemalkoholtests wurden durchgeführt: ein erster mit einem Alkoholtestgerät ("Alco True P"), der einen Wert von 0.51 mg/l ergab, und ein zweiter mit dem beweissicheren Atemalkoholmessgerät "Alcotest 9510 CH", der einen Wert von 0.56 mg/l aufwies. Die Vorinstanz erachtete es als erwiesen, dass der Beschwerdeführer den gesetzlichen Grenzwert von 0.4 mg/l bzw. 0.8 ‰ überschritten hatte und dies auch wissen musste.

2. Rechtliche Rügen und Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht trat zunächst auf die als subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhobene Rüge nicht ein, da mit der Beschwerde in Strafsachen die Verletzung von Verfassungsrecht uneingeschränkt geltend gemacht werden kann (Art. 95 und Art. 113 BGG).

2.1. Sachverhaltsfeststellung und Unschuldsvermutung

Der Beschwerdeführer kritisierte die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz und rügte eine Verletzung der Unschuldsvermutung.

  • Bundesgerichtlicher Prüfungsstandard: Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsrüge ist nur zulässig, wenn die Feststellung offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der Entscheid schlechterdings unhaltbar ist oder auf einem offenkundigen Fehler beruht; dass eine andere Lösung möglich wäre, genügt nicht. Die Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 3 StPO) als Beweiswürdigungsregel hat vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 146 IV 88 E. 1.3.1).

  • Rüge 1: Funktionsfähigkeit des Atemalkoholmessgeräts

    • Argument des Beschwerdeführers: Das Atemalkoholmessgerät habe am Abend der Kontrolle nicht korrekt funktioniert; es sei zu mehreren Fehlversuchen gekommen.
    • Rechtliche Grundlagen: Das Verfahren zur Feststellung der Fahrunfähigkeit ist in Art. 24b BSG geregelt. Art. 40c bis Abs. 3 der Binnenschifffahrtsverordnung (BSV) verweist auf die Anforderungen der Messmittelverordnung (MessMV) und deren Ausführungsvorschriften. Gemäss MessMV (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Anhang 5 Ziff. 2.1) setzt die Zulassung eines Messmittels eine Ersteichung voraus, die die messtechnischen Eigenschaften und die Bauart prüft. Messmittel müssen während ihrer gesamten Verwendungsdauer die Anforderungen erfüllen (Art. 20 MessMV).
    • Begründung des Bundesgerichts: Für das eingesetzte Atemalkoholmessgerät "Alcotest 9510 CH" lag ein Eichzertifikat vor, das bis zum 31. Mai 2021 gültig war und somit die technische Konformität und grundsätzliche Funktionsfähigkeit am 7. August 2020 belegte. Ein weitergehender Nachweis der Funktionsfähigkeit ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Prinzip nicht erforderlich (vgl. Urteil 7B_687/2023 vom 11. April 2025 E. 2.6.1). Die Vorinstanz durfte zudem die Messung mit dem Alkoholtestgerät als Indiz zur Bestätigung heranziehen und aufgrund der Aussagen der Polizisten davon ausgehen, dass es höchstens zu einem Fehlversuch kam. Die Ausführungen des Beschwerdeführers wertete sie als Schutzbehauptung, zumal er sein Aussageverhalten im Verlauf des Verfahrens angepasst habe. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz, wonach eine Fehlfunktion ausgeschlossen werden könne, ist nicht willkürlich.
  • Rüge 2: Fehlende Schulung des testenden Polizeibeamten

    • Argument des Beschwerdeführers: Der Polizist D.__, der die Messung durchgeführt hat, sei nicht ausreichend geschult gewesen. Die fraglichen Geräte seien erst nach seiner Zeit auf dem Verkehrsstützpunkt eingeführt worden, sodass er keine Erfahrungen damit gesammelt haben könne. Zudem habe er im Strafverfahren Wissenslücken gezeigt.
    • Rechtliche Grundlagen: Die Handhabung von Atemalkoholmessgeräten richtet sich nach den Vorschriften des Bundesamts für Strassen (ASTRA) gestützt auf Art. 40c bis Abs. 4 BSV. Gemäss Art. 2 Abs. 3 lit. a und b der Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung (VSKV-ASTRA) muss das Kontroll- und Auswertungspersonal über die nötigen theoretischen und praktischen Fachkenntnisse verfügen und zur Durchführung ermächtigt sein.
    • Begründung des Bundesgerichts: Die VSKV-ASTRA verlangt keine spezifische Form (z.B. ein Diplom) für den Nachweis der Ausbildung und Erfahrung (vgl. Urteil 6B_220/2021 vom 24. März 2022 E. 2.5.2). Es obliegt der Beweiswürdigung der kantonalen Instanzen, dies festzustellen. Aus dem Schreiben des Dienstchefs der Seepolizei des Kantons Zürich vom 28. März 2023 ging hervor, dass alle neuen Mitarbeiter auf dem Gerät "Dräger Alcotest 9510" ausgebildet und ihre Kenntnisse jährlich überprüft werden. Die Tatsache, dass der Polizist dies im Rahmen des Strafverfahrens nicht explizit bestätigte, macht die Beweiswürdigung nicht willkürlich. Angesichts der willkürfrei festgestellten einwandfreien Funktion des Geräts am Tatabend und der Stellung des Polizisten D.__ durfte die Vorinstanz von einer hinreichenden Schulung ausgehen (vgl. Urteile 7B_687/2023 vom 11. April 2025 E. 2.6.2; 6B_988/2018 vom 2. November 2018 E. 1.3.2).

2.2. Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV)

Der Beschwerdeführer rügte mehrfach eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren.

  • Bundesgerichtlicher Prüfungsstandard: Das rechtliche Gehör verlangt, dass die Behörde die Vorbringen einer Partei hört, prüft und berücksichtigt und ihren Entscheid so begründet, dass sich der Betroffene über dessen Tragweite Rechenschaft geben kann. Es umfasst auch das Recht auf Abnahme rechtserheblicher Beweismittel, es sei denn, es liegt eine antizipierte Beweiswürdigung vor (BGE 145 I 167 E. 4.1). Eine nicht schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im Rechtsmittelverfahren geheilt werden, wenn die Rechtsmittelinstanz über die gleiche Kognition verfügt und dem Beschwerdeführer kein Nachteil erwächst (BGE 147 IV 340 E. 4.11.3).

  • Rüge 1: Unterlassene Beweisabnahme in erster Instanz

    • Argument des Beschwerdeführers: Die erste Instanz habe seinen Antrag auf Abklärung der Schulung des Polizisten D.__ abgewiesen. Die Vorinstanz habe diesen Antrag im Berufungsverfahren jedoch gutgeheissen, was belege, dass die erste Instanz das rechtliche Gehör verletzt habe. Die Berufung hätte schon deshalb gutgeheissen werden müssen.
    • Begründung des Bundesgerichts: Das Berufungsverfahren ist reformatorisch (Art. 408 Abs. 1 StPO) und knüpft an die erstinstanzlichen Verfahrenshandlungen an (Art. 389 Abs. 1 StPO). Die Berufungsinstanz ist befugt, rechtsfehlerhafte oder unvollständige Beweiserhebungen zu wiederholen (Art. 389 Abs. 2 lit. a-c StPO) oder zusätzliche Beweise abzunehmen (Art. 389 Abs. 3 StPO). Eine kassatorische Erledigung durch Rückweisung (Art. 409 Abs. 1 StPO) ist die Ausnahme und nur bei derart schwerwiegenden, nicht heilbaren Mängeln zulässig, um einen Instanzenverlust zu vermeiden (BGE 149 IV 284 E. 2.2). Die zusätzliche Beweiserhebung im Berufungsverfahren stellt keinen solchen schwerwiegenden Mangel dar, der eine Rückweisung erfordert hätte (Urteile 6B_919/2023 vom 10. Juli 2024 E. 2.3). Selbst wenn eine Gehörsverletzung in erster Instanz vorgelegen hätte, wäre diese durch die reformatorische Tätigkeit der Vorinstanz geheilt worden, da diese die erforderlichen Beweise nachträglich eingeholt und auf deren Grundlage neu entschieden hat.
  • Rüge 2: Unbegründete Abweisung von Beweisanträgen durch Zwischenverfügungen

    • Argument des Beschwerdeführers: Die Vorinstanz habe seine Beweisanträge mit Präsidialverfügungen vom 13. März 2023 und 16. Mai 2023 ohne Begründung abgewiesen und damit das rechtliche Gehör verletzt.
    • Begründung des Bundesgerichts: Die beanstandeten Verfügungen stellen Zwischenverfügungen im Sinne von Art. 93 BGG dar. Solche können grundsätzlich nur mit der Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden, sofern sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG). Da diese Verfügungen das Verfahren nicht abschlossen und der Beschwerdeführer seine Anträge bis zur mündlichen Berufungsverhandlung erneuern konnte, ist nicht ersichtlich, inwiefern sie sich inhaltlich auf den Endentscheid ausgewirkt haben. Die Rüge ist daher unbehelflich.

3. Schlussfolgerung

Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers stützen sich auf eine andere als die vom Bundesgericht als verbindlich anerkannte Sachverhaltsgrundlage (mangels Willkür in der Beweiswürdigung). Da das Bundesgericht willkürfrei eine hinreichende Schulung des Polizisten und eine einwandfreie Funktion des Messgeräts annehmen durfte, erübrigte es sich, auf die darauf aufbauenden Argumente einzugehen.

4. Entscheid

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
  • Strafbarkeit: Der Beschwerdeführer wurde wegen Führens eines Schiffes in angetrunkenem Zustand gemäss Binnenschifffahrtsgesetz verurteilt.
  • Atemalkoholmessung: Die Messung von 0.56 mg/l mit dem "Alcotest 9510 CH" wurde als beweissicher anerkannt. Das Eichzertifikat des Geräts belegte seine Funktionsfähigkeit.
  • Schulung des Polizisten: Die Vorinstanz durfte willkürfrei von einer ausreichenden Schulung des testenden Polizeibeamten ausgehen, da die ASTRA-Verordnung keine spezifische Form des Nachweises vorschreibt und eine Bestätigung der internen Schulung vorlag.
  • Rechtliches Gehör: Eine allfällige Gehörsverletzung in erster Instanz (wegen zunächst abgelehnter Beweisanträge) wurde durch die reformatorische Tätigkeit der Berufungsinstanz geheilt, da diese die Beweise nachträglich erhob und den Fall neu beurteilte. Zwischenverfügungen, die Beweisanträge ablehnten, hatten keine Auswirkungen auf den Endentscheid und waren daher nicht relevant.
  • Bundesgerichtliche Prüfung: Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, da die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nicht willkürlich waren und keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorlag, die zur Aufhebung des Urteils geführt hätte. Die Unschuldsvermutung hat vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung.