Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_394/2024 vom 24. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_394/2024 vom 24. Juli 2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 1C_394/2024

I. Parteien und Gegenstand

  • Rekurrenten: Die "Association A._", B._, C._, D._ und 28 weitere Eigentümer von Grundstücken in der Nähe des Bauprojekts, vertreten durch Anwälte.
  • Intimierte: E.__ SA, die Bauherrin und Eigentümerin des betroffenen Grundstücks.
  • Weitere Beteiligte: Die Gemeinde Épalinges.
  • Gegenstand: Baubewilligung für ein Bauprojekt auf Parzelle Nr. 794 in Épalinges. Das Bundesgericht beurteilte einen Rekurs gegen ein Urteil des Waadtländer Kantonsgerichts vom 29. Mai 2024, welches die Baubewilligung bestätigte und eine inzidente Überprüfung des zugrundeliegenden Quartierplans ablehnte.

II. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte

  1. Das Grundstück: E.__ SA ist seit 2021 Eigentümerin der ca. 25'394 m² grossen, unbebauten Parzelle Nr. 794 in Épalinges ("La Possession/Bois de Ban"). Benachbarte Parzellen sind hauptsächlich Villenzonen und weitgehend bebaut. Der historische Dorfkern von Épalinges liegt etwa 150 Meter südlich.
  2. Planungsgeschichte:
    • 2005: Die Parzelle wurde in eine Spezialplanungszone eingeteilt, die gemäss Art. 52 des Reglements zum Allgemeinen Gestaltungsplan (RPGA) die Erstellung eines Detailplans (Quartierplans) für jegliche Bauvorhaben voraussetzt.
    • 2016: Das Gemeindeparlament verabschiedete den Quartierplan (PdQ) "La Possession/Bois de Ban", dessen Perimeter der Parzelle Nr. 794 entspricht.
    • 2017: Der zuständige kantonale Departement genehmigte den PdQ.
    • Anfechtung des PdQ: Mehrere Nachbarn, darunter die heutigen Rekurrenten, fochten diesen PdQ an. Das Waadtländer Kantonsgericht wies die Beschwerden im März 2019 ab (Urteil AC.2017.0172). Das Bundesgericht bestätigte dies im September 2020 (Urteil 1C_222/2019). Mit dem kantonalen Urteil vom März 2019 trat der PdQ in Kraft.
  3. Das aktuelle Bauprojekt:
    • März 2022: E.__ SA reichte ein Baubewilligungsgesuch für 16 Gebäude (129 Wohnungen), eine Tiefgarage und Aussenanlagen ein.
    • Einsprachen: Während der öffentlichen Auflage (Juni-Juli 2022) gingen mehrere Einsprachen ein, darunter eine kollektive Einsprache der Rekurrenten.
    • März 2023: Die Gemeinde Épalinges hob die Einsprachen auf und erteilte die Baubewilligung, mit geringfügigen, hier nicht relevanten Modifikationen.
  4. Kantonales Beschwerdeverfahren: Die Rekurrenten zogen die Baubewilligung an das Waadtländer Kantonsgericht weiter, welches den Rekurs im Mai 2024 abwies. Dabei lehnte es insbesondere eine inzidente Überprüfung des PdQ "La Possession/Bois de Ban" ab.

III. Rügen der Rekurrenten vor Bundesgericht

Die Rekurrenten machten im Wesentlichen folgende Rügen geltend:

  1. Formeller Mangel: Verletzung des Anhörungsrechts (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) aufgrund angeblicher Nichtzustellung des Urteils an einige von ihnen und willkürliche Kostenfestsetzung. Dieser Punkt wurde später von den Rekurrenten zurückgezogen.
  2. Begründungsmangel und formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 112 BGG): Die Vorinstanz habe es versäumt, sich zu wesentlichen Argumenten zu äussern, insbesondere zur Notwendigkeit einer inzidenten Überprüfung des PdQ.
  3. Verletzung der Pflicht zur inzidenten Überprüfung des Nutzungsplans (Art. 15 und 21 Abs. 2 Raumplanungsgesetz, RPG): Aufgrund der angeblichen Überdimensionierung der Bauzone in Épalinges und der erheblichen Änderung der Umstände hätte die Gemeinde den PdQ überprüfen oder gar Massnahmen zur provisorischen Unverbaubarkeit der Parzelle ergreifen müssen.
  4. Willkür bei der Festsetzung der kantonalen Gerichtsgebühren und Parteientschädigungen.

IV. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht trat auf den Rekurs ein, soweit zulässig, und prüfte die vorgebrachten Rügen.

  1. Zurückgewiesener Formalfehler (Anhörungsrecht): Das Bundesgericht nahm den Rückzug des Anhörungsrechts durch die Rekurrenten zur Kenntnis und ging nicht weiter darauf ein. Neu vorgebrachte Beweismittel (Statistiken, Kommunalbericht) wurden als nicht entscheiderheblich eingestuft, da die Frage der Überdimensionierung bereits in früheren Verfahren erörtert und die Rechtmässigkeit des PdQ bestätigt worden sei.

  2. Begründungsmangel und formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 112 Abs. 1 Bst. b BGG):

    • Rechtlicher Rahmen: Das Bundesgericht hielt fest, dass das Anhörungsrecht eine Begründungspflicht der Behörden impliziert, die es dem Empfänger ermöglichen muss, die Entscheidung zu verstehen und wirksam anzufechten. Es ist jedoch nicht erforderlich, auf alle Argumente einzugehen, sondern nur auf die entscheiderheblichen.
    • Anwendung im Fall: Die Rekurrenten hatten gerügt, die Gemeinde hätte Massnahmen gemäss Art. 46 und 47 des kantonalen Baugesetzes (LATC) ergreifen oder eine inzidente Überprüfung des PdQ vornehmen müssen. Das Bundesgericht befand die Begründung der Vorinstanz als ausreichend:
      • Im Rahmen der Gesamtrevision des kommunalen Nutzungsplans (PACom) wurde in Absprache mit dem kantonalen Departement entschieden, den Perimeter des PdQ "La Possession/Bois de Ban" nicht in eine Reservezone zu integrieren. Diese Entscheidung wurde durch kantonale Urteile vom August 2023 bestätigt. Daher durfte die Gemeinde die Baubewilligung unter Absehung von diesen konservatorischen Massnahmen prüfen.
      • Eine inzidente Überprüfung des PdQ war nicht geboten, da dieser erst kürzlich (2019/2020) nach Anfechtung bis vor Bundesgericht in Kraft getreten war. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise inzidente Überprüfung waren nicht erfüllt.
      • Das von den Rekurrenten angeführte, nicht publizierte Urteil 1C_297/2022 vom Oktober 2023 habe keine Änderung der diesbezüglichen Rechtsprechung bewirkt.
    • Fazit: Die Motivation der Vorinstanz war ausreichend, um die Gründe für die Ablehnung der Massnahmen und der inzidenten Kontrolle zu verstehen. Die Rüge wurde abgewiesen.
  3. Inzidente Überprüfung des Nutzungsplans (Art. 15 und 21 Abs. 2 RPG): Dies bildete den Kern der materiellen Prüfung.

    • Grundsatz der Planstabilität: Nutzungspläne haben den Charakter von Entscheiden und müssen im Rahmen ihrer Verabschiedung angefochten werden. Tun dies die Betroffenen nicht, werden sie grundsätzlich definitiv und können im Baubewilligungsverfahren nicht mehr inzident überprüft werden.
    • Ausnahmen vom Grundsatz der Planstabilität (Art. 21 Abs. 2 RPG): Eine inzidente Überprüfung ist ausnahmsweise zulässig, wenn:
      1. die betroffene Person die ihr auferlegten Beschränkungen im Zeitpunkt der Planverabschiedung noch nicht erkennen oder ihre Interessen nicht verteidigen konnte; oder
      2. sich die Umstände oder die gesetzlichen Grundlagen seit der Planverabschiedung erheblich geändert haben, der Plan dadurch rechtswidrig geworden ist und das Interesse an seiner Überprüfung oder Anpassung die entgegengesetzten Interessen an der Rechtssicherheit und Planstabilität überwiegt (Verweis auf BGE 148 II 417 E. 3.3; 144 II 41 E. 5.1).
    • Art. 15 Abs. 2 RPG und Überdimensionierung: Das Bundesgericht betonte, dass die seit dem 1. Mai 2014 geltende Pflicht zur Reduzierung überdimensionierter Bauzonen (Art. 15 Abs. 2 RPG) allein keine erhebliche Änderung der Umstände darstellt, die eine inzidente Überprüfung rechtfertigt. Es müssen weitere Faktoren hinzukommen, wie die Lage der Parzelle, ihr Erschliessungsgrad oder das Alter des Plans.
    • Anwendung im vorliegenden Fall:
      • Alter des PdQ: Der PdQ "La Possession/Bois de Ban" ist kürzlich (2019/2020) in Kraft getreten und seine Rechtmässigkeit wurde bis vor Bundesgericht geprüft (1C_222/2019). Er kann daher nicht als veraltet bezeichnet werden, auch wenn der allgemeine Zonenplan von 2005 stammt, da der PdQ hierarchisch gleichrangig ist und für sich beurteilt werden muss. Der im Art. 15 Abs. 1 RPG vorgesehene Planungshorizont von 15 Jahren ist zudem bei Weitem nicht erreicht.
      • Überdimensionierung: Der PdQ wurde nach Inkrafttreten der neuen Bundesbestimmung von Art. 15 Abs. 2 RPG verabschiedet, was seine Konformität mit dem Gesetz vermuten lässt. Er wurde zudem im Lichte der Massnahme A11 des kantonalen Richtplans des Kantons Waadt (PDCn) geprüft, die sich auf die Dimensionierung der Bauzone gemäss Art. 15 RPG bezieht. Es liegt somit keine erhebliche Änderung der Umstände vor.
      • Entwicklung des Überdimensionierungsgrades: Das Argument der Rekurrenten, die Überdimensionierung habe sich seit der PdQ-Verabschiedung noch "verschärft" (gemäss Bilanz 2021/2023), wurde verworfen. Solche Fluktuationen sind für die Planung typisch, die auf Schätzungen beruht, welche sich nie vollständig bestätigen. Jede geringfügige Änderung während der Lebensdauer eines Plans kann nicht zu seiner Anpassung oder inzidenten Überprüfung führen, da dies der Planstabilität und Rechtssicherheit entgegenstünde. Die Rekurrenten hatten die angebliche Verschärfung zudem nicht ausreichend quantifiziert. Die Frage der Überdimensionierung wurde im Übrigen im Rahmen des Verzichts auf die Reservezonenprüfung erneut geprüft.
      • Referenzurteil 1C_297/2022: Das Bundesgericht bekräftigte, dass dieses Urteil keine Änderung der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der inzidenten Überprüfung darstellt. Die dort beurteilte Situation unterschied sich erheblich: Es handelte sich um einen wesentlich älteren Plan (1985) und eine andere Lage der Parzelle im Siedlungsgebiet. Im vorliegenden Fall liegt die Parzelle 150 Meter vom Dorfkern entfernt, ist erschlossen und von bebauten Grundstücken umgeben, was die Notwendigkeit einer Auszonung nicht nahelegt (bereits in 1C_222/2019 diskutiert).
    • Fazit: Mangels einer erheblichen Änderung der Umstände im Sinne von Art. 21 Abs. 2 RPG hat das Kantonsgericht zu Recht von einer inzidenten Überprüfung des PdQ abgesehen. Andere Rügen, die sich auf die materielle Rechtmässigkeit des PdQ bezogen (z.B. fehlende globale Vision, Verbot der Verabschiedung eines Quartierplans vor der Revision des allgemeinen Nutzungsplans), hätten im Rahmen des früheren Anfechtungsverfahrens des PdQ vorgebracht werden müssen. Die Rüge wurde abgewiesen.
  4. Willkür bei der Kostenfestsetzung:

    • Ermessensspielraum: Das Bundesgericht hob den weiten Ermessensspielraum der kantonalen Instanzen bei der Festsetzung und Verteilung von Prozesskosten und Parteientschädigungen hervor. Es greift nur bei Willkür ein, d.h., wenn die Entscheidung eine klare Rechtsnorm oder einen Rechtsgrundsatz schwer verletzt oder dem Gerechtigkeitsempfinden in stossender Weise widerspricht.
    • Anwendung im Fall: Das Kantonsgericht hatte ein Gerichtsemolument von CHF 4'000 und Parteientschädigungen von je CHF 4'000 für die Gemeinde und die Intimierte festgesetzt, begründet mit der Schwierigkeit und Bedeutung der Sache sowie dem Umfang des Bauprojekts.
    • Fazit: Das Bundesgericht befand, dass die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Gesamtsache trotz einiger als "offensichtlich" bezeichneter Aspekte des inzidenten Kontrollpunkts komplex war (insbesondere aufgrund vieler anderer baurechtlicher Rügen auf kantonaler Ebene und umfangreicher Schriftsätze), eine Gerichtsgebühr von CHF 4'000 und Parteientschädigungen in gleicher Höhe rechtfertigt. Diese Beträge liegen im Rahmen des kantonalen Rechts und waren nicht willkürlich. Die Rüge wurde abgewiesen.

V. Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies den Rekurs, soweit er zulässig war, ab. Die Gerichtskosten von CHF 4'000 wurden den Rekurrenten auferlegt. Die Rekurrenten wurden zudem verpflichtet, der Bauherrin (intimierte E.__ SA) eine Parteientschädigung von CHF 3'000 zu bezahlen. Die Gemeinde Épalinges hatte keinen Anspruch auf Parteientschädigung, da sie im Rahmen ihrer amtlichen Aufgaben handelte.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht bestätigte die Erteilung einer Baubewilligung für ein grossangelegtes Wohnbauprojekt in Épalinges. Im Zentrum des Urteils stand die Ablehnung einer inzidenten Überprüfung des bereits in Kraft stehenden, relativ neuen Quartierplans "La Possession/Bois de Ban". Das Gericht hielt fest, dass der Plan nach einer umfassenden, bis vor Bundesgericht geführten Prüfung seiner Rechtmässigkeit (Urteil 1C_222/2019) in Kraft getreten war. Die von den Rekurrenten geltend gemachte Überdimensionierung der Bauzone und die damit verbundene Notwendigkeit einer Plananpassung stellten keine "erhebliche Änderung der Umstände" im Sinne von Art. 21 Abs. 2 RPG dar, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Planstabilität und Rechtssicherheit rechtfertigen würde. Es wurde betont, dass Schwankungen im Überdimensionierungsgrad typisch für die Planung sind und nicht automatisch eine inzidente Überprüfung auslösen können. Auch die Festsetzung der kantonalen Gerichtsgebühren und Parteientschädigungen wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich erachtet.