Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_110/2025 vom 10. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts im Detail zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 1C_110/2025 vom 10. Juli 2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand

Das Urteil des Bundesgerichts 1C_110/2025 vom 10. Juli 2025 befasst sich mit einem Ausstandsgesuch gegen den Gemeindeammann Roger Fricker und den Vizeammann Heinz Herzog des Gemeinderats Oberhof. Die Beschwerdeführenden, A._ und B._, wehren sich gegen die Erstellung eines Windparks auf dem Hügelzug "Burg" durch die C.__ AG, der eine Windenergieanlage auf dem Gebiet der Gemeinde Oberhof (AG) umfasst. Im Rahmen der dafür notwendigen Teiländerung des Kulturlandplans und der Bau- und Nutzungsordnung (BNO), des Gestaltungsplans sowie des Baugesuchs reichten sie Einwendungen ein und beantragten den Ausstand der genannten Gemeinderatsmitglieder.

Nachdem das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau (BVU) dem Ausstandsgesuch teilweise stattgegeben hatte, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde der Einwohnergemeinde Oberhof gut und hob die Ausstandspflicht auf. Dagegen richtet sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.

2. Rechtliche Grundlagen der Unbefangenheit

Das Bundesgericht prüfte in erster Linie eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV), der den Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung gewährleistet. Das Gebot der Unbefangenheit von Behörden bildet einen integralen Bestandteil dieses Grundrechts. Eine Verletzung liegt vor, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 140 I 326 E. 5.2).

Das Bundesgericht betonte jedoch eine zentrale Unterscheidung: Die für Gerichte geltenden strengeren Anforderungen an die Unbefangenheit (gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) können nicht unbesehen auf Exekutivbehörden wie Gemeinderäte übertragen werden. Exekutivbehörden sind nicht allein zur neutralen Rechtsanwendung oder Streitentscheidung berufen, sondern tragen auch eine besondere Verantwortung für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, was mit einer sachbedingten Kumulation verschiedener, auch politischer, Aufgaben einhergeht (BGE 140 I 326 E. 5.2; 125 I 119 E. 3d und 3f, 209 E. 8a). Insbesondere in kleineren Gemeinden sind politische und administrative Funktionen kaum zu trennen. Während Gemeinderatsmitglieder in ihrer politischen Rolle auch klare Positionen beziehen und sich öffentlich äussern dürfen, müssen sie als Mitglieder der Bewilligungsbehörden den Anschein der Befangenheit vermeiden. Aussagen, welche sich im üblichen Rahmen der Ausübung von Regierungs- und Verwaltungsfunktionen bewegen, begründen daher im Allgemeinen keinen Ausstandsgrund. Eine Ausstandspflicht ergibt sich vielmehr aus einer Einzelfallbeurteilung unter Würdigung der konkreten Umstände.

Querverweise auf ähnliche Urteile verdeutlichen die Grenzziehung: * Im Urteil 1C_436/2009 vom 3. Februar 2010 (E. 2.4) wurde eine Befangenheit bejaht, weil die Gemeindepräsidentin in direktem Bezug zu einem Bauprojekt und den dagegen erhobenen Einsprachen geäussert hatte, geplante Industrieprojekte sollten forciert und jegliche Verhinderungstaktik aktiv bekämpft werden. Dies wurde nicht als blosse generelle politische Aussage abgetan, sondern als Anlass für die Annahme einer nicht unvoreingenommenen Prüfung. * Im Urteil 2A.364/1994 vom 14. Februar 1997 (E. 3c) wurde Befangenheit bejaht, weil ein Behördenmitglied in einem Zeitungsartikel seine persönliche Geringschätzung des Beschwerdeführers zum Ausdruck gebracht hatte, selbst wenn dies rund ein Jahr zurücklag. * Eine Ausstandspflicht kann sich schliesslich auch bei einer frühzeitigen, vor Kenntnisnahme aller entscheidrelevanter Umstände erfolgten Meinungsbildung ergeben (BGE 140 I 326 E. 6.3).

3. Prüfung des Ausstandsgesuchs gegen Gemeindeammann Fricker

Die Beschwerdeführenden stützten ihr Gesuch primär auf ein Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 3. April 2012. Damals habe sich der damalige Gemeinderat Fricker spontan als Delegierter für die Projektgruppe Windpark Burg angeboten. Andere Gemeinderatsmitglieder hätten dies kritisch gesehen, da er ein Befürworter des Windparks sei und Bedenken bestanden, dass Informationen nicht ungefiltert an den Gesamtgemeinderat gelangen könnten. Zwar sei er delegiert worden, jedoch unter "Sicherungen" (Stellvertretung, Pflicht zur ungefilterten Information). Dies deutliche Misstrauensvotum lasse aussenstehende Dritte umso mehr um die Voreingenommenheit Frickers besorgt sein.

Das Bundesgericht schloss sich den Erwägungen des Verwaltungsgerichts an: * Projekte wie der Windpark Burg liegen grundsätzlich im öffentlichen Interesse, und es gehört zur Leitungsfunktion des Gemeinderats, sich frühzeitig und vertieft damit auseinanderzusetzen. * Es sei nicht zu beanstanden, wenn sich Gemeindeammann Fricker bereits in einem frühen Stadium mit dem Projekt befasst und – gestützt auf den damaligen Kenntnisstand – dessen Weiterverfolgung befürwortet habe. Dies bedeute keineswegs, dass er sich in Bezug auf die bau- und planungsrechtlichen Verfahren bereits eine verfestigte Meinung gebildet oder diese gar entgegen den gesetzlichen Vorgaben hätte durchsetzen wollen. * Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeindeammann Informationen aus der Projektgruppe zurückgehalten oder den Gemeinderat unvollständig oder einseitig informiert hätte. * Die Vorbehalte hinsichtlich des Informationsflusses im Protokoll von 2012 seien fast 13 Jahre alt. Es gebe weder in den Akten noch durch die Parteien vorgebrachte Anhaltspunkte, dass sich der Gemeindeammann seither in einer Weise geäussert oder verhalten hätte, welche bei objektiver Betrachtung einen Anschein von Befangenheit im Hinblick auf die nun anstehenden Entscheide (betreffend Kulturlandplan, BNO, Gestaltungsplan und Baugesuch) erwecken könnte. * Die Mitwirkung an den Vertragsverhandlungen mit der C.__ AG im Jahr 2012, die von allen damaligen Gemeinderatsmitgliedern geführt und von den Stimmberechtigten angenommen wurden (Abstimmung 2013), begründe ebenfalls kein Misstrauen, da der Vertrag explizit zwingende öffentlich-rechtliche Vorschriften vorbehalten hatte.

4. Prüfung des Ausstandsgesuchs gegen Vizeammann Herzog

Das Ausstandsgesuch gegen Vizeammann Herzog stützten die Beschwerdeführenden auf zwei Hauptpunkte:

4.1. Engagement im Referendumskomitee und Leserbrief von 2013: Herzog war 2013 Sprecher und Kontaktperson des Referendumskomitees zugunsten des Windpark-Vertrags. In einem Leserbrief vom Mai 2013 rief er zu einem Ja zum Referendum und zum Windpark auf. Dabei kritisierte er die Gegner des Windparks und warf ihnen u.a. vor, "viele Unwahrheiten gestreut" und die Bevölkerung "mit einem reisserischen Foto und vielen Falschaussagen unter Druck" gesetzt zu haben.

Das Bundesgericht anerkannte zwar, dass ein Engagement in einem Referendumskomitee auf eine starke innere Überzeugung hindeute, die über eine übliche amtliche Befassung hinausgeht. Es hielt jedoch fest: * Das Engagement Heinz Herzogs für das Windparkprojekt im Jahr 2013 erfolgte als Privatperson, vor seiner Wahl zum Gemeinderat (2017) und geraume Zeit vor der öffentlichen Auflage der Bau- und Planungsunterlagen (2021). * Das Referendum betraf den damaligen Vertrag mit der C.__ AG, d.h., die Grundsatzfrage, ob die Gemeinde sich für das Windparkprojekt engagieren solle, nicht das konkrete Projekt und die dafür erforderlichen planungsrechtlichen Grundlagen. * Aus den damaligen Äusserungen und Handlungen kann nicht geschlossen werden, Herzog habe sich schon definitiv eine Meinung in Bezug auf das konkrete Projekt gebildet. * Die scharfe Kritik im Leserbrief 2013 bezog sich auf damals verteilte Flugblätter, nicht auf die aktuellen Einwendungen gegen das konkrete Projekt, das damals noch nicht existierte. Dies unterscheide den Fall vom zitierten Urteil 1C_436/2009. * Der grosse zeitliche Abstand von knapp 10 Jahren zum Ausstandsgesuch und der Umstand, dass Herzog damals noch nicht im Amt war, seien ebenfalls relevant (anders als im Urteil 2A.364/1994). * Die namentliche Erwähnung des Beschwerdeführenden 2 im Leserbrief bezog sich auf dessen Engagement für eine kantonale Initiative gegen Windkraftanlagen, nicht auf das konkrete Projekt, und begründe daher keinen Anschein persönlicher Voreingenommenheit.

4.2. Äusserung in einem Zeitungsartikel von 2024: Die Beschwerdeführenden beriefen sich zudem auf einen Artikel vom 9. Juni 2024 über das Stromgesetz, in welchem Vizeammann Herzog zitiert wurde: "Die Projektverantwortlichen haben sehr viel gemacht, um den Einsprechern entgegenzukommen." Und weiter: "Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Geolog:innen haben grünes Licht gegeben."

Das Bundesgericht befand dazu: * Die Aussage Herzogs bezog sich auf Vorwürfe der Windparkgegner, das Projekt sei "rücksichtslos" und "masslos". Diesen Vorwürfen trat Herzog entgegen, indem er auf das Entgegenkommen der Projektverantwortlichen hinwies. * Daraus lasse sich bei objektiver Betrachtung nicht schliessen, dass er sämtliche Einwendungen zum Landschaftsschutz von vornherein als aussichtslos erachte. * Gleiches gelte für den Hinweis auf positive Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung und geologischen Untersuchungen. Das Bundesgericht liess sogar offen, ob es sich überhaupt um eine direkte Äusserung Herzogs handelte oder um eine Einschätzung des Journalisten.

5. Kantonalrechtliche Rügen

Die Beschwerdeführenden rügten zudem eine Verletzung von § 22 Abs. 1 der Aargauer Kantonsverfassung und die willkürliche Anwendung von § 16 Abs. 1 des Aargauer Verwaltungsrechtspflegegesetzes. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Beschwerdeführenden nicht dargelegt hätten, inwiefern diese kantonalen Bestimmungen eine über Art. 29 BV hinausgehende Gewährleistung der Unbefangenheit statuieren. Das Verwaltungsgericht hatte sich für die Auslegung des kantonalen Rechts auf die Rechtsprechung zu Art. 29 BV und Art. 10 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) gestützt, was keine zusätzliche Begründung für eine Ausstandspflicht lieferte.

6. Kosten und Parteientschädigung der C.__ AG

Die Beschwerde wurde abgewiesen, weshalb die Beschwerdeführenden die Gerichtskosten zu tragen haben (Art. 66 BGG). Die Einwohnergemeinde Oberhof hat als Behörde in ihrem amtlichen Wirkungskreis keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 4 BGG).

Die C._ AG hatte eine Parteientschädigung beantragt, was die Beschwerdeführenden mit der Begründung bestritten, die Bauherrin habe kein schutzwürdiges Interesse am Ausgang des Ausstandsverfahrens, da es für sie keine Rolle spiele, welche Personen über die Nutzungsplanung und das Baugesuch entschieden. Das Bundesgericht widersprach dieser Auffassung detailliert: * Die C._ AG erhielt im kantonalen Verfahren Parteistellung als Beigeladene und beteiligte sich aktiv im Bundesgerichtsverfahren. * Art. 29 BV beinhaltet nicht nur ein Recht auf Entscheid durch unbefangene Amtsträger, sondern auch auf die richtige Zusammensetzung der entscheidenden Verwaltungsbehörde gemäss dem anwendbaren Verfahrensrecht (BGE 127 I 128 E. 3c und 4c/d; Urteil 2C_387/2018 E. 3.2). * Dieser Anspruch kann verletzt sein, wenn ein Amtsträger in den Ausstand tritt oder treten muss, obwohl keine objektiven Umstände auf seine Befangenheit hindeuten. Ein solches Vorgehen würde die Behörde unrichtig zusammensetzen. * Daher hat die C._ AG ein schutzwürdiges Interesse am Ausgang des Verfahrens, und ihr steht eine Parteientschädigung zu (Art. 68 BGG). * Die Parteientschädigung ist auch nicht nach Art. 68 Abs. 3 BGG ausgeschlossen, da die C._ AG eine privatrechtliche Aktiengesellschaft ist und ihr keine öffentlich-rechtliche Aufgabe übertragen wurde. Das Bestehen eines öffentlichen Interesses am Ausbau erneuerbarer Energie genügt hierfür nicht.

7. Ergebnis

Das Bundesgericht wies die Beschwerde vollumfänglich ab. Damit bleibt der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau bestehen, und Gemeindeammann Roger Fricker sowie Vizeammann Heinz Herzog müssen nicht in den Ausstand treten. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführenden auferlegt, und diese wurden zudem verpflichtet, die C.__ AG für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte (Kurzfassung):

  • Gegenstand: Ausstandsgesuch gegen zwei Mitglieder des Gemeinderats Oberhof (AG) im Zusammenhang mit der Planung und Bewilligung eines Windparks.
  • Massgebende Rechtsgrundlage: Art. 29 Abs. 1 BV (Recht auf gleiche und gerechte Behandlung, Unbefangenheit).
  • Abgrenzung Exekutive/Justiz: Für Exekutivbehörden gelten mildere Anforderungen an die Unbefangenheit als für Gerichte, da politische und administrative Funktionen ineinandergreifen. Übliche Äusserungen im Rahmen der Amtsausübung begründen keinen Ausstand.
  • Gemeindeammann Fricker: Die frühe Befassung mit dem Projekt und dessen Befürwortung im Jahr 2012 sowie die damaligen Vorbehalte anderer Gemeinderatsmitglieder galten angesichts des grossen zeitlichen Abstands und fehlender konkreter Anhaltspunkte für Voreingenommenheit nicht als Ausstandsgrund.
  • Vizeammann Herzog: Sein Engagement als Privatperson im Referendumskomitee 2013 und kritische Äusserungen in einem Leserbrief wurden als zu weit entfernt vom aktuellen Bau- und Planungsgesuch sowie vor Amtsantritt erfolgt beurteilt, um eine Befangenheit zu begründen. Auch ein aktuelles Zeitungszitat wurde als nicht befangenheitsbegründend eingestuft.
  • Interesse der C.__ AG: Die C.__ AG (Bauherrin) hat ein schutzwürdiges Interesse an der korrekten Zusammensetzung der entscheidenden Behörde gemäss Art. 29 BV und damit Anspruch auf Parteientschädigung, da eine Ausstandspflicht ohne objektive Gründe eine fehlerhafte Zusammensetzung darstellen würde.
  • Entscheid: Die Beschwerde wurde abgewiesen. Die Gemeinderatsmitglieder müssen nicht in den Ausstand treten. Die Beschwerdeführenden tragen die Gerichtskosten und müssen die C.__ AG entschädigen.