Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_484/2024 vom 6. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (2C_484/2024 vom 6. August 2025)

1. Einleitung Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) befasst sich mit einer Beschwerde der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) gegen einen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Gegenstand der Beschwerde war ein Beitrag der "Tagesschau"-Hauptausgabe des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF) vom 26. Oktober 2023 mit dem Titel "FIFA-Affäre: Verfahren gegen Lauber und Infantino eingestellt". Die UBI hatte in ihrem Entscheid vom 16. Mai 2024 eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) festgestellt. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die UBI die Beschwerdebefugnis der beschwerdeführenden Bundesanwälte zu Recht bejaht und ob die Ausstrahlung des Beitrags tatsächlich gegen das Sachgerechtigkeitsgebot verstossen hat. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der SRG gut und hob den UBI-Entscheid auf.

2. Sachverhalt des ursprünglichen Beitrags und UBI-Entscheid Der beanstandete "Tagesschau"-Beitrag informierte über die Einstellung des Strafverfahrens gegen den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber und den FIFA-Präsidenten Gianni Infantino. Grundlage war eine Medienmitteilung der ausserordentlichen Bundesanwälte A._ und B._, die über ihre Einstellungsverfügung vom 19. Oktober 2023 informierten. Im rund zweiminütigen Beitrag kamen der frühere Staatsanwalt Markus Mohler, der Journalist Thomas Kistner sowie Gianni Infantino selbst zu Wort. Die ausserordentlichen Bundesanwälte A._ und B._ erhoben daraufhin Beschwerde bei der UBI, welche die Beschwerde mit vier zu drei Stimmen guthiess. Die UBI sah im Beitrag eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots, da sie einen einseitig negativen Gesamteindruck der Ermittlungen ortete und es als notwendig erachtete, die Bundesanwälte mit den erhobenen Vorwürfen (insbesondere dem Vorwurf des "fürsorglichen Funktionärsschutzes" von Thomas Kistner) zu konfrontieren und deren Sichtweise darzustellen.

3. Rechtliche Grundlagen der bundesgerichtlichen Prüfung

  • Medien- und Rundfunkfreiheit (Art. 17 Abs. 1 und 93 Abs. 3 BV): Das Bundesgericht betont die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Presse, Radio und Fernsehen sowie die Autonomie der Programmgestaltung.
  • Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 93 Abs. 2 BV und Art. 4 Abs. 2 RTVG): Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, damit sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein. Bei umstrittenen Sachaussagen ist eine objektive und wahrhaftige Wiedergabe der Fakten gefordert. Es müssen nicht alle Standpunkte qualitativ und quantitativ gleichwertig dargestellt werden, aber der Zuschauer muss erkennen können, dass und inwiefern eine Aussage umstritten ist und darf nicht manipuliert werden (vgl. BGE 149 II 209 E. 3.3). Manipulation liegt vor, wenn dem Zuschauer durch unvollständige oder "inszenierte" Fakten die Ansicht des Journalisten als absolute Wahrheit suggeriert wird (vgl. BGE 137 I 340 E. 3.1).
  • Journalistische Freiheit und Sorgfaltspflicht: Das Gesetz schliesst kritische Stellungnahmen oder engagierten Journalismus nicht aus, sofern Transparenz gewahrt bleibt (BGE 149 II 209 E. 3.4). Der Grad der erforderlichen Sorgfalt hängt von den Umständen, dem Sendegefäss und dem Vorwissen des Publikums ab. Je heikler ein Thema und je schwerer die Vorwürfe, desto höhere Anforderungen gelten. Bei schweren Vorwürfen soll die betroffene Person grundsätzlich mit ihrem "besten Argument" gezeigt werden (vgl. BGE 149 II 209 E. 3.5).
  • Grenzen der Programmaufsicht: Die Medienfreiheit und Programmautonomie verlangen, dass ein staatliches Eingreifen nur bei einer Verletzung der programmrechtlichen Mindestanforderungen gerechtfertigt ist, nicht bereits bei redaktionellen Unvollkommenheiten oder wenn ein Beitrag nicht in jeder Hinsicht voll befriedigt (BGE 132 II 290 E. 2.2). Das Sachgerechtigkeitsgebot darf nicht zu streng gehandhabt werden, um journalistische Freiheit und Spontaneität nicht zu beeinträchtigen. Eingriffe dürfen das zum Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit Erforderliche nicht überschreiten (vgl. BGE 137 I 340 E. 3.3).
  • Zweck der Programmaufsicht: Die Aufsicht dient primär dem Schutz der unverfälschten Meinungsbildung der Öffentlichkeit, nicht der Durchsetzung privater Anliegen oder der Klärung der objektiven Berechtigung von Vorwürfen (BGE 134 II 260 E. 6.2). Für Persönlichkeitsverletzungen stehen zivil- oder strafrechtliche Wege offen.

4. Erwägungen des Bundesgerichts

4.1. Zulässigkeit der Beschwerde bei der UBI (Betroffenenbeschwerde) Das Bundesgericht bejahte entgegen der Rüge der SRG die Beschwerdebefugnis der ausserordentlichen Bundesanwälte A._ und B._ als "Betroffene" im Sinne von Art. 94 Abs. 1 lit. b RTVG. Obwohl die erste Seite der Einstellungsverfügung mit ihren Namen nur kurz (drei Sekunden) und klein eingeblendet war, so dass das Durchschnittspublikum die Namen kaum wahrnehmen konnte, argumentierte das Gericht wie folgt: * Auf modernen Geräten und im Internet kann der Beitrag pausiert und das Bild vergrössert werden. * Entscheidend ist, dass der Sprecher im Filmbericht während oder unmittelbar nach der Einblendung der Verfügung die "Sonderermittler" (A._ und B._) namentlich mit dem Inhalt der Verfügung ("Intransparenz", "Heimlichkeit" versus "klare Ergebnisse, die gegen eine Anklage sprechen") in Verbindung brachte. * Diese Äusserung stellte einen direkten Bezug zwischen den Bundesanwälten und dem Inhalt der Verfügung her und rückte sie in ein "besonderes Näheverhältnis" zum Gegenstand des Beitrags, wodurch sie sich von anderen Zuschauern unterschieden. Das Bundesgericht zog hier einen Querverweis zu einer ähnlichen Konstellation in seinem Urteil 2C_383/2016 vom 20. Oktober 2016 E. 1.2.4, wo eine Person, die sachlich einen Bezug zum Thema hatte und kurz zu sehen war, als betroffen galt.

4.2. Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots Die Kernfrage betraf die Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots durch den SRF-Beitrag. Das Bundesgericht widersprach der UBI in mehreren Punkten:

  • Vorwissen des Publikums und Sendegefäss: Das BGer stellte fest, dass die "FIFA-Affäre" über Jahre hinweg ausführlich berichtet und von allgemeinem Interesse war. Daher konnte nicht von mangelndem Vorwissen des Publikums ausgegangen werden. Ferner sei die "Tagesschau" ein Nachrichtenformat, das aktuelle Ereignisse in gedrängter Form informiere und einer ersten groben Einordnung unterziehe, was andere Anforderungen an die journalistische Sorgfalt stelle als eine tiefgehende Reportage.
  • Darstellung der Sichtweise der ausserordentlichen Bundesanwälte: Die UBI hatte kritisiert, dass die Bundesanwälte nicht zu den Vorwürfen angehört wurden. Das Bundesgericht befand jedoch, dass die Einschätzung der Bundesanwälte ausreichend in den Beitrag eingeflossen sei. Gleich zu Beginn des Filmberichts wurde festgehalten, dass es "keine Hinweise auf Amtsmissbrauch oder Begünstigung" gebe und die "Sonderermittler" von "klaren Ergebnissen" ausgingen, "die gegen eine Anklage sprechen". Die Erwähnung von "Intransparenz" und "Heimlichkeit" in der Verfügung zeigte zudem, dass die heiklen Aspekte berücksichtigt wurden. Eine detailliertere Darstellung der Einstellungsgründe oder der Hinweis auf eine ausführliche Begründung sei in einem tagesaktuellen Nachrichtenbeitrag nicht zwingend erforderlich gewesen. Damit sei die Sichtweise der Bundesanwälte in hinlänglichem Ausmass wiedergegeben worden.
  • Einordnung der Äusserung von Thomas Kistner: Die UBI qualifizierte Kistners Vorwurf des "fürsorglichen Funktionärsschutzes" als schwerwiegend. Das BGer sah dies anders:
    • Kistners Äusserung sei klar als persönliche Meinung eines Medienvertreters erkennbar. Sie bewege sich im Rahmen einer üblichen, wenn auch pointierten, Justizkritik.
    • Im Kontext des gesamten Beitrags – einschliesslich des Hinweises auf die "klaren Ergebnisse" der Sonderermittler, der vergleichsweise moderaten Kritik Markus Mohlers und der prononcierten Stellungnahme Gianni Infantinos – wurde dem Betrachter nicht suggeriert, dass die Bundesanwälte tatsächlich "fürsorglichen Funktionärsschutz" betrieben hätten. Der Beitrag habe vielmehr lediglich den Eindruck vermittelt, dass ein erfahrener Journalist den Verfahrensausgang kritisch sehe und dies als typisch für den Umgang der Schweiz mit der FIFA erachte.
    • Die Argumentation der Bundesanwälte, sie hätten angehört werden müssen, weil Kistners Äusserung als Bezichtigung von "Vetternwirtschaft" oder "Günstlingsjustiz" interpretiert werden müsse, basiere auf einer isolierten Betrachtung des Beitragsabschnitts und blende den bereits zu Beginn gegebenen Gegenstandpunkt aus.
    • Das Bundesgericht erinnerte erneut daran, dass die Programmaufsicht dem Schutz der Meinungsbildung der Öffentlichkeit und nicht der Durchsetzung privater Interessen dient. Die Frage, ob Kistners Vorwurf objektiv gerechtfertigt war, sei unerheblich. Für Persönlichkeitsverletzungen stünden andere Rechtswege offen.
    • Folglich wog der Vorwurf Thomas Kistners nicht derart schwer, dass eine Anhörung der Bundesanwälte zwingend erforderlich gewesen wäre. Er sei als hinzunehmende Staats- bzw. Justizkritik einzuordnen.
  • Gesamteindruck des Beitrags: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass Kistners Äusserung den Gesamteindruck des Beitrags nicht derart beeinflusste, dass die Zuschauer in Bezug auf die Gewissenhaftigkeit und Unabhängigkeit der Bundesanwälte einseitig negativ beeinflusst oder manipuliert wurden. Das Publikum sei nicht in Kistners Ansicht gedrängt worden und konnte erkennen, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Legitimität der Verfahrenseinstellung gab.

5. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Das Bundesgericht befand, dass der SRF-Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt hat. Die UBI hatte die Programmautonomie der SRG zu wenig berücksichtigt und ihr aufsichtsrechtliches Einschreiten war daher nicht gerechtfertigt. Die Beschwerde der SRG wurde gutgeheissen, der Entscheid der UBI aufgehoben und festgestellt, dass der Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt hat. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdegegnern auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Gegenstand: Ein "Tagesschau"-Beitrag über die Einstellung des Strafverfahrens gegen Lauber und Infantino.
  2. UBI-Entscheid: UBI sah eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots (Art. 4 Abs. 2 RTVG) aufgrund einer vermeintlich einseitigen Darstellung und des Fehlens einer Anhörung der Bundesanwälte zu schweren Vorwürfen.
  3. Betroffenenbeschwerde (Zulässigkeit): Das BGer bejahte die Beschwerdebefugnis der Bundesanwälte, da trotz kurzer Einblendung ihrer Namen ein direkter Bezug zu ihrer Person und der Sache hergestellt wurde, was ein "besonderes Näheverhältnis" begründete.
  4. Sachgerechtigkeitsgebot (Kernpunkt):
    • Das BGer betonte die Medienfreiheit und Programmautonomie und die Funktion der "Tagesschau" als kurzes Nachrichtenformat.
    • Es befand, die Sichtweise der Bundesanwälte sei zu Beginn des Beitrags ("keine Hinweise auf Amtsmissbrauch oder Begünstigung", "klare Ergebnisse") hinlänglich dargestellt worden.
    • Die Äusserung Thomas Kistners ("fürsorglicher Funktionärsschutz") wurde als subjektive, pointierte, aber zulässige Justizkritik eingeordnet, die im Gesamtkontext des Beitrags nicht manipulativ wirkte und keine zwingende Anhörung der Bundesanwälte erforderte.
    • Der Zweck der Programmaufsicht sei der Schutz der Meinungsbildung der Öffentlichkeit, nicht der Schutz privater Reputationsinteressen.
  5. Entscheid des BGer: Die Beschwerde der SRG wurde gutgeheissen, der UBI-Entscheid aufgehoben und festgestellt, dass der Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt hat. Die UBI hatte die Programmautonomie der SRG zu Unrecht eingeschränkt.