Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGE 5A_104/2025 vom 18. Juli 2025) detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 5A_104/2025 vom 18. Juli 2025 (Obhut)
I. Einleitung und Streitgegenstand
Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in Zivilsachen im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes. Streitgegenstand ist die Neuregelung der Obhut über das im Jahr 2015 geborene Kind C._, dessen nicht miteinander verheiratete und getrennt lebende Eltern A._ (Beschwerdeführerin, Mutter) und B.__ (Beschwerdegegner, Vater) die gemeinsame elterliche Sorge innehaben. Die KESB hatte dem Vater die alleinige Obhut zugesprochen und den Wohnsitz des Kindes beim Vater festgelegt, was vom Obergericht des Kantons Bern bestätigt wurde. Die Mutter beantragt vor Bundesgericht die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und die Belassung der alternierenden Obhut bzw. eventualiter die Zuteilung der alleinigen Obhut an sie.
II. Sachverhaltliche Ausgangslage und vorinstanzlicher Entscheid (Obergericht)
- Ursprüngliche Regelung: Die Eltern hatten zunächst eine alternierende Obhut für C.__ mit Wohnsitz bei der Mutter vereinbart.
- Entwicklung des Konflikts: Nachdem die Mutter 2021 umzog, kam es zu einem Streit um die Obhut. Eine im Juni 2023 gerichtlich genehmigte Vereinbarung bestätigte zwar die alternierende Obhut mit Wohnsitz bei der Mutter. Jedoch war es bereits im Jahr 2022 und insbesondere im Sommer 2023 zu mehreren Vorfällen massiver häuslicher Gewalt zwischen der Mutter und ihrem neuen Partner E.__ gekommen.
- Antrag des Vaters: Angesichts dieser Vorfälle beantragte der Vater im September 2023 bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) die Zuteilung der alleinigen Obhut über C.__ an ihn, verbunden mit einem Wohnsitz- und Schulwechsel zum Vater.
- Entscheid der KESB und des Obergerichts: Die KESB Emmental sprach dem Vater im August 2024 die alleinige Obhut zu. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte diesen Entscheid im Dezember 2024 und wies die Beschwerde der Mutter ab.
III. Materielle Begründung des Obergerichts (Zusammenfassung der Erwägungen des Bundesgerichts zu E. 3)
Das Obergericht begründete die Zuteilung der alleinigen Obhut an den Vater im Wesentlichen wie folgt:
- Ausschluss der alternierenden Obhut: Eine alternierende Obhut sei aufgrund der gestörten Vertrauensbasis und der fehlenden Transparenz zwischen den Eltern, der räumlichen Distanz sowie der fehlenden Stabilität bei der Mutter derzeit nicht mehr angezeigt.
- Mangelnde Stabilität im Umfeld der Mutter:
- Obwohl frühere Gutachten (März 2022 und Ergänzung vom Dezember 2022) der Mutter grundsätzlich die besseren Erziehungskompetenzen zuschrieben und eine gewisse Stabilität zwischen der Mutter und ihrem Partner E.__ attestierten, seien diese Einschätzungen durch die erneuten Vorfälle häuslicher Gewalt im Jahr 2023 obsolet. Die damalige "gewisse Stabilität" basierte lediglich auf Beobachtungen von zwei einzelnen Tagen und sei durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt worden.
- Das Gericht betonte, dass selbst wenn C.__ nicht direkt Gewalt erfahren habe, ein gewalttätiges Umfeld eine Gefährdung für ihre Entwicklung und geistige Integrität darstelle. Die Stabilität im Umfeld der Beschwerdeführerin sei nicht gegeben, solange das Risiko häuslicher Gewalt bestehe.
- Angesichts der wiederholten Vorfälle häuslicher Gewalt in den Jahren 2022 und 2023 sowie der weiterhin bestehenden Alkoholproblematik des Partners E.__ müsse mit einer Wiederholung solcher Vorfälle gerechnet werden. Es könne daher nicht von einem sicheren Umfeld für C.__ gesprochen werden.
- Ein vom Obergericht befürchtetes Wiederholungsrisiko rechtfertige die Aufrechterhaltung des Kontaktverbots zwischen C._ und E._. Es bestünden zudem Zweifel an der Einhaltung dieses Verbots bei Belassung der bisherigen Obhutsregelung.
- Zusammenfassend sah das Obergericht bei einer Zuteilung der alleinigen Obhut an die Mutter aufgrund des latenten Risikos häuslicher Gewalt eine Gefährdung des Kindeswohls.
- Würdigung des Kindeswillens: Dem Wunsch von C.__, dass "alles gleich bleiben solle", könne nicht entsprochen werden, da die Beibehaltung der alternierenden Obhut eine Kindeswohlgefährdung implizieren würde.
- Zuschlag an den Vater: Im Ergebnis kam das Obergericht zum Schluss, dass die alleinige Obhut dem Vater zuzuteilen sei, wobei es auch dessen Obhutssituation positiv beurteilte (Details hierzu werden im Bundesgerichtsentscheid nicht vertieft dargestellt).
IV. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde der Mutter in formeller und materieller Hinsicht:
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Zulässigkeit (E. 1):
- Die Beschwerde in Zivilsachen war für die Obhutsfrage grundsätzlich zulässig, da es sich um eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache handelt und die weiteren Voraussetzungen (letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, Legitimation, Fristen) erfüllt waren.
- Abgrenzung bei der Parteientschädigung: Nicht eingetreten wurde auf den Antrag der Beschwerdeführerin betreffend die Höhe der Entschädigung ihrer unentgeltlichen Rechtsvertreterin. Das Bundesgericht hielt fest, dass nur die Rechtsvertreterin selbst zur Anfechtung ihrer Entschädigung legitimiert ist, nicht die vertretene Partei, da diese kein objektives Interesse an einer höheren Entschädigung ihrer Rechtsbeiständin hat (vgl. BGE 141 I 124 E. 3.1).
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Kognition und Sachverhaltsfeststellung (E. 2):
- Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft aber Ermessensentscheide nur mit Zurückhaltung (Art. 2.2). Es schreitet nur ein, wenn die kantonale Instanz grundlos von anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, unzulässige Gesichtspunkte berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat oder das Ergebnis offensichtlich unbillig ist (vgl. BGE 142 III 336 E. 5.3.2).
- Den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen legt das Bundesgericht sein Urteil zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Sachverhaltsrügen, insbesondere Willkürrügen (Art. 9 BV), unterliegen einem strengen Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG) und müssen die Entscheidrelevanz aufzeigen (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine bloße Darstellung der eigenen Sichtweise genügt nicht.
- Ein Beweisantrag auf ein neues Fachgutachten wurde vom Bundesgericht als unzulässig erachtet, da es nicht seine Aufgabe ist, Beweise abzunehmen und Tatsachen festzustellen, die nicht bereits von der kantonalen Instanz behandelt wurden (Art. 105 Abs. 1 BGG).
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Formelle Rügen der Beschwerdeführerin (E. 4):
- Verletzung des rechtlichen Gehörs (Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV): Die Beschwerdeführerin rügte, die vorinstanzlichen Ausführungen zur alternierenden Obhut seien zu knapp und bestimmte Punkte nicht ausreichend begründet worden (z.B. gestörte Vertrauensbasis, fehlende Transparenz, Schulwechsel).
- Das Bundesgericht wies diese Rüge ab. Es stellte fest, dass die Vorinstanz die für den Entscheid wesentlichen Überlegungen (insbesondere die fehlende Stabilität bei der Mutter aufgrund häuslicher Gewalt) genannt und ihr Ergebnis begründet habe. Dies habe es der Beschwerdeführerin ermöglicht, den Entscheid sachgerecht anzufechten. Die Begründungspflicht verlange nicht, dass jedes einzelne Vorbringen detailliert widerlegt werden müsse (vgl. BGE 147 IV 409 E. 5.3.4).
- Verletzung des rechtlichen Gehörs (Beweisantrag auf Fachgutachten): Die Beschwerdeführerin machte geltend, das Obergericht habe ihren Beweisantrag auf Einholung eines Fachgutachtens nicht geprüft.
- Das Bundesgericht verneinte auch hier eine relevante Gehörsverletzung. Es hielt fest, dass die Beschwerdeführerin weder dargelegt habe, welche relevanten Tatsachen mit dem Gutachten bewiesen werden sollten, noch inwiefern der pauschale Antrag den prozessualen Vorschriften entsprochen hätte. Ein Gutachten dient der Feststellung von Tatsachen, während die Obhutszuteilung eine Rechtsfrage ist, die vom Gericht zu entscheiden ist. Mangels Entscheiderheblichkeit der gerügten Verletzung wurde darauf nicht weiter eingegangen (vgl. BGE 143 IV 380 E. 1.4.1).
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Materielle Rügen der Beschwerdeführerin (E. 5):
- Sachverhaltsbezogene Rügen:
- Die Rüge, es habe 2023 nur einen Vorfall häuslicher Gewalt gegeben, wurde als im kantonalen Verfahren präkludiert beurteilt, da die Beschwerdeführerin dies dort nicht dezidiert zum Prozessthema gemacht habe (vgl. BGE 146 III 203 E. 3.3.4).
- Weitere Rügen, welche die Stabilität im Umfeld der Mutter betrafen oder von einer eigenen Sachverhaltsversion ausgingen (z.B. die Behauptung einer Verbesserung der Situation, die Schwere der Vorfälle oder die Relevanz älterer Gutachten), wurden als unzureichende Sachverhaltsrügen abgewiesen, da sie keine Willkür des Obergerichts in der Beweiswürdigung aufzeigten.
- Die Rüge, das Obergericht habe die Eingabe des Kindesvertreters vom 21. Oktober 2024 unberücksichtigt gelassen, wurde ebenfalls abgewiesen. Die Anträge des Kindesanwalts seien lediglich Anträge, und dessen möglicherweise geänderte Meinung vermöge die vom Gericht auf die Vorfälle häuslicher Gewalt und die fehlende Stabilität gestützte Ermessensausübung nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Es fehle auch hier an der Entscheiderheblichkeit (Art. 97 Abs. 1 BGG).
- Materielle Beanstandung der Obhutszuteilung:
- Das Bundesgericht erinnerte an die Voraussetzungen für eine Neuregelung der Obhut gemäss Art. 298d ZGB: Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse und die Notwendigkeit zur Wahrung des Kindeswohls.
- Die vom Obergericht festgestellten und vom Bundesgericht mangels substantiierten Willkürrügen als verbindlich erachteten erneuten Vorfälle häuslicher Gewalt und das damit verbundene Risiko einer Kindeswohlgefährdung stellen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar.
- Das Bundesgericht sah im Entscheid des Obergerichts, die Obhut aufgrund der fehlenden Stabilität bzw. des Risikos häuslicher Gewalt bei der Mutter neu dem Vater zuzuteilen, keine bundesrechtswidrige Ermessensausübung. Angesichts der festgestellten Kindeswohlgefährdung ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Obhut neu regelte.
- Die gerügte Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes wurde als nicht stichhaltig erachtet, da dieser als Verfassungsgrundsatz nur im Zusammenhang mit einem Grundrecht geltend gemacht werden kann, was hier nicht explizit und begründet erfolgte (vgl. Urteil 5D_8/2025 E. 4.3).
V. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Mutter ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt, ihr jedoch unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gewährt.
VI. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
- Bestätigung der alleinigen Obhut des Vaters: Das Bundesgericht schützt den Entscheid des Obergerichts, dem Vater die alleinige Obhut über das Kind C.__ zuzuteilen.
- Kindeswohlgefährdung durch häusliche Gewalt: Ausschlaggebend für die Obhutsneuregelung war die vom Obergericht festgestellte wiederholte häusliche Gewalt im Umfeld der Mutter und das damit verbundene Risiko einer Gefährdung des Kindeswohls und dessen geistiger Integrität.
- Abweichung von Gutachten: Frühere Gutachten, welche die Mutter als besser geeignet beurteilten, wurden aufgrund der erneuten Gewaltvorfälle als überholt erachtet.
- Ermessensspielraum der Vorinstanz: Das Bundesgericht intervenierte nicht in das weite Ermessen der kantonalen Gerichte bei der Würdigung der veränderten Verhältnisse und der Zuteilung der Obhut, da keine bundesrechtswidrige Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung vorlag.
- Ablehnung formeller Rügen: Rügen der Beschwerdeführerin betreffend Verletzung des rechtlichen Gehörs (unzureichende Begründung, Nichtbehandlung eines Beweisantrags) und willkürliche Sachverhaltsfeststellung wurden zurückgewiesen, da die Vorinstanz die wesentlichen Punkte begründet hatte bzw. die Rügen nicht den strengen Anforderungen des Bundesgerichts genügten.
- Kindeswille sekundär bei Kindeswohlgefährdung: Der Wunsch des Kindes, den Status quo beizubehalten, musste einer Neuregelung weichen, da die Beibehaltung der alternierenden Obhut eine Kindeswohlgefährdung darstellte.