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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 7B_697/2023 vom 17. Juli 2025
1. Einleitung und Parteien
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, Zweite Strafrechtliche Abteilung, vom 17. Juli 2025, behandelt einen Rekurs von A.A._, vertreten durch seine Eltern B.A._ und C.A.__ (nachfolgend "der Beschwerdeführer"), gegen einen Entscheid der Chambre des recours pénale des Kantons Waadt. Der Rekurs richtet sich gegen eine Nichteintretensverfügung (ordonnance de non-entrée en matière) des Ministère public de l'arrondissement de La Côte.
2. Sachverhalt
A.A._, geboren 2011, leidet an schwerem Autismus und einer intellektuellen Beeinträchtigung. Er wird regelmässig in der temporären Aufnahmeeinheit (Unité d'accueil temporaire, UAT) D._ in U._ betreut. Am 17. Juli 2021 wurde er um ca. 8:15 Uhr von seiner Mutter in die UAT gebracht und dem Erzieher E._ anvertraut. Bei der Abholung um ca. 17:15 Uhr stellte die Mutter fest, dass ihr Sohn panisch, apathisch und stark speichelnd war, starke Zitteranfälle hatte, nicht mehr auf den Beinen stehen konnte und Sprachprobleme aufwies. Die Eltern brachten ihn ins Spital F.__, wo er drei Tage lang untersucht und behandelt wurde. Eine Blutentnahme vom 30. Juli 2021 ergab Spuren von Risperidon, einem atypischen Neuroleptikum. Der Diagnosebericht sprach von einem extrapyramidalen Syndrom im Kontext des Verdachts auf eine versehentliche Neuroleptika-Exposition.
Die Eltern erstatteten am 12. August 2021 Strafanzeige gegen die verschiedenen Mitarbeiter der UAT D.__ wegen schwerer Körperverletzung (eventualiter versuchter schwerer Körperverletzung, sub-eventualiter fahrlässiger Körperverletzung) sowie Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht und weiterer Delikte.
Die UAT D._ gehört zur gemeinnützigen Fondation J._, welche vom Kanton Waadt finanziert wird. Die Medikamente für die Patienten waren in einem Schrank unter Verschluss aufbewahrt, der nur autorisiertem Personal zugänglich war. Für die Medikamentenabgabe gab es ein strenges Protokoll mit doppelter Kontrolle. Es wurde festgestellt, dass am fraglichen Tag kein anderes Kind in der UAT mit Risperidon behandelt wurde.
3. Vorinstanzliche Verfahren
Ministère public (4. April 2023): Erliess eine Nichteintretensverfügung. Es befand, dass die Folgen der Gesundheitsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers nicht als schwer qualifiziert werden könnten. Damit kämen nur vorsätzliche oder fahrlässige einfache Körperverletzung (Art. 123 bzw. 125 Abs. 1 StGB) in Betracht. Die Tatbestände der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Art. 219 StGB) und der Gefährdung des Lebens (Art. 29 StGB) wurden mangels konkreter Gefährdung der physischen oder psychischen Entwicklung des Kindes verneint. Die vorgenommenen Ermittlungen hätten keine Klarheit über die Umstände der Neuroleptika-Exposition geschaffen. Es sei nicht möglich gewesen, festzustellen, wo, wie und wann das Medikament eingenommen wurde, ob die Aufnahme auf Fahrlässigkeit oder eine vorsätzliche Handlung zurückzuführen sei oder wer ein potenzieller Täter sein könnte. Die Hypothese einer eigenständigen Einnahme durch den Beschwerdeführer sei auszuschliessen, da kein anderes Kind in der UAT Risperidon einnahm. Obwohl es wahrscheinlicher sei, dass ein Erzieher das Medikament verabreicht habe, gäbe es keine Anhaltspunkte für die Verantwortung einer oder mehrerer Personen. Das strikte Protokoll und die doppelte Kontrolle bei der Medikamentenabgabe machten einen Fehler unwahrscheinlich. Da keine konkreten Elemente für die Schuld einer oder mehrerer Personen vorlagen und weitere Untersuchungshandlungen keine Fortschritte versprachen, wurde auf die Eröffnung einer Untersuchung verzichtet.
Chambre des recours pénale (10. Juli 2023): Wies den Rekurs der Eltern ab und bestätigte die Nichteintretensverfügung.
4. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
4.1. Zulässigkeit des Rekurses (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG) Das Bundesgericht prüfte die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers. Es stellte die Frage, ob die kantonale Haftpflichtgesetzgebung (Loi vaudoise sur la responsabilité de l'État, des communes et de leurs agents, LRECA/VD), die eine direkte und ausschliessliche Staatshaftung vorsieht, im vorliegenden Fall greife. Wenn ja, stünden dem Beschwerdeführer nur öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen den Staat zu, was grundsätzlich die Beschwerdebefugnis als Privatklägerschaft für zivilrechtliche Ansprüche ausschliessen würde. Diese Frage konnte das Bundesgericht jedoch offenlassen, da die geltend gemachten Tatsachen – die Verabreichung eines Neuroleptikums zum Zwecke der Bestrafung, die eine Spitalisierung erforderte – im Falle ihrer Bestätigung als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Eine solche Qualifikation würde das Beschwerderecht des Beschwerdeführers insbesondere gestützt auf diese Bestimmung begründen und eine effektive Untersuchungspflicht des Staates auslösen (Verweis auf BGE 138 IV 86 E. 3.1.1). Somit wurde die Beschwerdebefugnis bejaht.
4.2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts und Grundsätze der Nichteintretensverfügung
4.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall
Das Bundesgericht bestätigte die Einschätzung der Vorinstanzen, dass die bisherigen Vorermittlungen keine Bestimmung der genauen Umstände (wo, wann, wie) der Medikamenteneinnahme, des Vorliegens von Fahrlässigkeit oder Vorsatz sowie der Identität eines potenziellen Täters ermöglichten.
Der Beschwerdeführer behauptete, es sei "unbestreitbar" erwiesen, dass ihm das Risperidon am 17. Juli 2021 in der UAT verabreicht worden sei. Das Bundesgericht hielt dem entgegen, dass selbst wenn diese Hypothese als die "wahrscheinlichste" (wie in der Nichteintretensverfügung formuliert) angenommen würde, keine ausreichenden Anhaltspunkte vorlägen, um einen der Erzieher der Einrichtung zu belasten oder die gegen E._ oder K._ gerichteten Verdachtsmomente zu bestätigen. Das Gericht würdigte die Aussagen der betroffenen Personen und die Beweismittel im Dossier detailliert und kam zum Ergebnis, dass kein hinreichender Tatverdacht gegen die Beschuldigten bestehe.
Das Bundesgericht widerlegte die spezifischen Argumente des Beschwerdeführers: * Medikamentenabgabe an ein anderes Kind (L.__): Der Hinweis auf L._s medizinischen Bericht, der eine Risperidon-Behandlung erwähnte, sei irrelevant. Der Bericht präzisierte, dass diese Behandlung bereits "seit etwa einem Monat progressiv beendet" worden war. Die individuellen Medikamentenblätter der am 17. Juli 2021 anwesenden Kinder bestätigten, dass keines von ihnen Risperidon erhielt und die anderen Medikamente vor Ankunft des Beschwerdeführers verabreicht wurden. * Handschriftliche Notizen von N.__: Das Gericht befand, dass diese Notizen zu unpräzise und verworren seien und mehrere Ereignisse vermischten. Die appellatorische Interpretation des Beschwerdeführers, K._ habe die Medikamente verabreicht, wurde als unzulässig zurückgewiesen. Auch wurde festgehalten, dass E._ solche Anschuldigungen gegen K._ nicht bei seiner eigenen polizeilichen Einvernahme gemacht hatte. Eine Anhörung von N.__, die nicht selbst in der UAT arbeitete, wurde als nutzlos erachtet. * Zugänglichkeit der Medikamente und "höchst unwahrscheinliche" Unfallhypothese: Das Gericht erachtete die antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanz als nicht willkürlich. Die Tatsache, dass Erzieher Zugang zu den Medikamenten hatten und eine versehentliche Verabreichung aufgrund der strengen Protokolle als "höchst unwahrscheinlich" galt, reichte nicht aus, um ohne weitere konkrete Beweismittel einen ausreichenden Verdacht gegen bestimmte Personen zu begründen.
Die Ablehnung weiterer Beweisanträge durch die Vorinstanz wurde ebenfalls als willkürfrei beurteilt, da keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären. Insbesondere die beabsichtigte Konfrontation von Ärzten und Erziehern wurde als nutzlos erachtet, da die Erzieherin P.__ die Verabreichung von Risperidon bereits kategorisch ausgeschlossen hatte.
Auch die beim Beschwerdeführer festgestellten leichten Kontusionen am Rücken und an den Händen wurden als irrelevant für die Untersuchung der Medikamentenverabreichung befunden, da sie als leicht und bei den meisten Kindern vorhanden beurteilt wurden und keinen Hinweis auf eine von den Eltern behauptete Fesselung gaben.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz weder Art. 310 StPO noch anderes Bundesrecht verletzt hatte, indem sie die Nichteintretensverfügung des Ministère public bestätigte. Daher erübrigte sich auch die Prüfung der rechtlichen Qualifikation der Körperverletzungen oder die Durchführung einer Expertise zur Dosisbestimmung des Medikaments. Das Argument einer effektiven Untersuchungspflicht aus Art. 3 EMRK wurde ebenfalls zurückgewiesen, da die zur Begründung einer solchen Pflicht erforderlichen Tatsachen (Identifizierung des Täters und der Umstände) nicht festgestellt werden konnten.
5. Fazit
Der Rekurs wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Nichteintretensverfügung der Vorinstanzen, da trotz umfassender Vorermittlungen keine konkreten und hinreichenden Beweise vorlagen, die es ermöglicht hätten, die genauen Umstände (wo, wann, wie) der Verabreichung von Risperidon an A.A.__ zu klären oder einen konkreten Tatverdacht gegen bestimmte Personen (z.B. Erzieher) zu begründen.
Der Grundsatz "in dubio pro duriore" verpflichtet zwar zur Fortsetzung der Untersuchung bei Zweifeln, doch die Vorinstanzen kamen zu dem Schluss, dass über die Hypothese hinaus keine genügenden Anhaltspunkte für eine Straftat vorlagen. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Sachverhaltswürdigung der Vorinstanz, insbesondere die Bewertung der medizinischen Berichte, der Medikamentenprotokolle der UAT und der Zeugenaussagen, nicht willkürlich war. Auch eine effektive Untersuchungspflicht gemäss Art. 3 EMRK wurde mangels substantiierter Tatsachen, die einen Verdacht auf unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erhärten, verneint. Es bestand kein Anlass, weitere Beweismittel zu erheben, da diese voraussichtlich keine neuen Erkenntnisse gebracht hätten.