Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_581/2024 vom 12. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 9C_581/2024 vom 12. August 2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, III. öffentlich-rechtliche Abteilung, vom 12. August 2025 (Aktenzeichen 9C_581/2024) befasst sich mit einem Fall aus der Invalidenversicherung (IV). Streitgegenstand ist der Anspruch der Beschwerdeführerin A.__ auf eine Invalidenrente im Rahmen eines erneuten Leistungsgesuchs, insbesondere die Beweiswürdigung eines medizinischen Gutachtens. Die Beschwerdeführerin beantragte primär eine ganze Invalidenrente ab dem 1. August 2021 oder subsidiär die Rückweisung der Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und Neubeurteilung.

2. Sachverhaltsübersicht Die 1965 geborene Beschwerdeführerin war bis Ende 2007 als Hilfskraft tätig. * Erstes Gesuch (2008): Aufgrund einer Depression und eines anhaltenden somatoformen Schmerzsyndroms wurde 2008 ein erstes IV-Gesuch gestellt und 2009 von der IV-Stelle abgelehnt, basierend auf einer Einschätzung des regionalen ärztlichen Dienstes (RAD), der die Invalidität verneinte. * Zweites Gesuch (2015): Ein erneutes Gesuch von 2015, welches rheumatologische Probleme (Nacken, Arme, Hände), Migräne, Gedächtnisstörungen sowie die bekannten psychiatrischen Leiden geltend machte, wurde nach Einholung eines polydisziplinären Gutachtens des Centre d'Expertises Médicales (CEMed) in Nyon abgelehnt (Bericht vom 24. Oktober 2017). Die Experten sahen keine Auswirkungen der Diagnosen auf die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit. Diese Ablehnung wurde 2018 von der IV-Stelle und 2020 vom kantonalen Gericht bestätigt. * Drittes Gesuch (2021): Am 13. August 2021 stellte die Beschwerdeführerin ein weiteres Gesuch, mit der Begründung einer Verschlechterung ihres medizinischen Zustands, insbesondere psychisch. Die IV-Stelle beauftragte das Bureau d'Expertises Médicales (BEM) in Montreux mit einem bidisziplinären Gutachten. Dieses Gutachten vom 13. Februar 2023 (ergänzt im März und Juni 2023) diagnostizierte eine bilaterale Gonarthrose, Arthrose in Sprunggelenk und Fingergelenken, chronische Zervikalschmerzen und eine mittelgradige depressive Episode, sah jedoch keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit. Basierend auf diesen Feststellungen lehnte die IV-Stelle das Gesuch im November 2023 wegen fehlender wesentlicher Verschlechterung ab. Das kantonale Gericht wies die Beschwerde der A.__ am 9. September 2024 ab.

3. Rechtliche Grundlagen und Vorgehen des Bundesgerichts Das Bundesgericht prüft im Rahmen des öffentlichen Rechts gemäss Art. 82 ff. BGG Rechtsverletzungen (Art. 95 und 96 BGG) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es beurteilt den Sachverhalt grundsätzlich auf Grundlage der kantonalen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG), kann diese aber bei offensichtlich unrichtiger oder rechtswidriger Feststellung korrigieren (Art. 105 Abs. 2 BGG, Art. 97 Abs. 1 BGG).

Hinsichtlich der "Weiterentwicklung der IV" (Anpassungen von IVG, IVV und ATSG per 1. Januar 2022) stellte das Bundesgericht fest, dass diese Änderungen im vorliegenden Fall keine Auswirkungen haben und somit keine Übergangsrechtsfragen relevant sind.

Zentraler rechtlicher Punkt im vorliegenden Fall ist die Beweiskraft medizinischer Berichte und Gutachten. Das Urteil verweist auf die etablierte Rechtsprechung (namentlich ATF 134 V 231 E. 5.1 für die allgemeine Beweiswürdigung medizinischer Berichte und ATF 135 V 465 E. 4.4 für administrative oder gerichtliche Gutachten), wonach diesen Gutachten unter bestimmten Voraussetzungen volle Beweiskraft zukommt. Das kantonale Gericht hatte dem BEM-Gutachten volle Beweiskraft beigemessen.

4. Begründung des kantonalen Gerichts (Basis der bundesgerichtlichen Prüfung) Das kantonale Gericht verneinte den Rentenanspruch mit der Begründung, es habe seit der letzten Rentenverweigerung im Jahr 2018 keine massgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands gegeben. Es stützte sich dabei vollumfänglich auf das BEM-Gutachten und wies die Rügen der Beschwerdeführerin bezüglich: * Verfahrensmängeln (Auswahl der Gutachter, Wahl der medizinischen Fachgebiete, Ablehnung der Anwesenheit des Ehemannes während der Expertise, Nichtprüfung von medizinischen Bildgebungen, Nichtkontaktierung von Behandlungsärzten) und * Sachverhaltsirrtümern (Bezug auf Handpathologien oder Knieoperation) zurück. Ferner stellte es fest, dass nach dem BEM-Gutachten erstellte ärztliche Meinungen die Schlussfolgerungen des Gutachtens nicht erschüttern konnten.

5. Rügen der Beschwerdeführerin und Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte detailliert die Argumente der Beschwerdeführerin, welche die Beweiskraft des BEM-Gutachtens in Frage stellten:

  • 5.1.1 Wahl der medizinischen Fachgebiete (insb. Rheumatologie statt Psychiatrie bei somatoformer Schmerzstörung):

    • Argument Beschwerdeführerin: Es hätte ein rheumatologisches Gutachten erfolgen müssen, da ein somatoformes Schmerzsyndrom vorliege.
    • Würdigung Bundesgericht: Dieses Argument ist unbegründet. Eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F 45.40) ist eine psychiatrische Störung. Die Rechtsprechung (namentlich ATF 132 V 65 E. 4.3) fordert bei der Beurteilung des Einflusses solcher Störungen auf die Arbeitsfähigkeit ein psychiatrisches und kein rheumatologisches Gutachten. Die BEM-Experten haben das Vorliegen einer solchen Pathologie ausgeschlossen. Die kantonale Instanz war nicht verpflichtet, alle vorgebrachten Argumente zu diskutieren (vgl. ATF 150 III 1 E. 4.5), sondern nur die entscheidrelevanten.
  • 5.1.2 Verfahrensfehler bei der Bezeichnung der Gutachter:

    • Argument Beschwerdeführerin: Die Regeln zur Gutachterbezeichnung seien nicht eingehalten worden; sie habe die Mitteilungen nicht erhalten.
    • Würdigung Bundesgericht: Dieses Argument ist ebenfalls unbegründet. Das Gutachtenmandat wurde dem BEM gemäss Art. 72bis IVV zufällig zugewiesen. Die Namen der Experten wurden der Beschwerdeführerin am 31. Oktober 2022 und der Wechsel des psychiatrischen Experten am 2. November 2022 gemäss Art. 44 ATSG mitgeteilt. Obwohl die Beschwerdeführerin den Erhalt der Mitteilungen bestritt, hatte sie explizit mitgeteilt, dass sie die "Bezeichnung der Experten nicht anfechten werde". Sie reagierte auch nicht auf die Mitteilung vom 22. Dezember 2022 bezüglich der neuropsychologischen Untersuchung durch eine Psychologin. Eine neuropsychologische Untersuchung ist zudem nur eine Modalität des psychiatrischen Teils des Gutachtens, kein zusätzliches Fachgebiet. Durch die unterlassene sofortige Rüge und den ausdrücklichen Verzicht auf eine Anfechtung kann die Beschwerdeführerin die angeblichen Verfahrensmängel heute nicht mehr geltend machen (Prinzip von Treu und Glauben; vgl. BGE 9C_557/2021 vom 20. Oktober 2022 E. 5.3.2).
  • 5.1.3 Ablehnung der Anwesenheit des Ehemanns während der Expertise:

    • Argument Beschwerdeführerin: Die Anwesenheit ihres Ehemanns sei wegen ihrer Beeinflussbarkeit, Ungenauigkeit und Sprachschwierigkeiten notwendig gewesen.
    • Würdigung Bundesgericht: Auch diese Rüge ist unbegründet. Es obliegt dem Gutachter, die Modalitäten der Expertise zu bestimmen (vgl. z.B. BGE I 117/07 vom 28. Februar 2008). Der Ausschluss von Angehörigen ist im Rahmen psychiatrischer Begutachtungen zur Vermeidung einer Verfälschung des Ergebnisses (Parteilichkeit, mangelnde Distanz, Zwang) die Regel und nicht die Ausnahme (vgl. ATF 140 V 260 E. 3). Die Begründung der Beschwerdeführerin, ihr Mann hätte "Präzisierungen und Korrekturen" anbringen können, bestätigt gerade das Risiko einer Beeinflussung. Die Sprachbarriere wurde durch einen Dolmetscher überwunden, wobei keine Verständnisprobleme festgestellt wurden. Die Behauptung des Anwalts, die Klientin habe Fragen nicht verstanden, widerspricht den Beobachtungen der BEM-Ärzte.
  • 5.1.4 Ablehnung von CD-ROMs mit medizinischen Bildgebungen und fehlende Kontaktaufnahme mit Behandlungsärzten:

    • Argument Beschwerdeführerin: Die Experten hätten CD-ROMs mit Bildgebungen abgelehnt und die behandelnden Ärzte nicht kontaktiert, wichtige Informationen seien so ausser Acht gelassen worden.
    • Würdigung Bundesgericht: Dies ist ebenfalls unbegründet. Das kantonale Gericht hat die Erklärungen der BEM-Ärzte übernommen, wonach eine erneute Interpretation von Bildgebungen durch sie selbst, wenn bereits Befunde von Radiologiespezialisten vorliegen und deren Korrektheit nicht bestritten wird, sinnlos wäre. Da die behandelnden Ärzte ihre Meinungen in bereits eingereichten Berichten klar geäussert hatten, war ein erneuter Kontakt nicht notwendig. Die Experten haben die digitale Arthrose diagnostiziert und als nicht arbeitsunfähigkeitsrelevant eingestuft, daher wurden Handprobleme nicht ignoriert. Die Beschwerdeführerin verwechselte zudem eine Angabe im Gutachten betreffend eine Hand-Röntgenaufnahme vom 22. März 2017 mit einer Fussaufnahme. Das Bundesgericht hielt fest, dass es unwahrscheinlich sei, dass auf den nicht berücksichtigten CD-ROMs Bildgebungen enthalten waren, die von den behandelnden Ärzten nicht schon berücksichtigt und in ihren Berichten thematisiert wurden.
  • 5.2.1-5.2.2 Sachverhaltsirrtümer im Gutachten:

    • Argument Beschwerdeführerin: Die Experten hätten fehlerhaft angegeben, sie könne Auto fahren, die Handprobleme ignoriert und eine erfolgte Knieprothesenoperation statt eines blossen Vorschlags erwähnt. Diese Fehler würden die Qualität des Gutachtens in Zweifel ziehen.
    • Würdigung Bundesgericht: Dieses Argument ist ebenfalls unbegründet.
      • Die Handprobleme (digitale Arthrose) wurden diagnostiziert und beurteilt.
      • Die Angabe zur Autofahrtüchtigkeit basiert auf den eigenen Aussagen der Beschwerdeführerin, "ab und zu" zu fahren.
      • Der Chirurg hat die Formulierung zur Knieprothese von sich aus korrigiert und präzisiert, dass der Einsatz einer Prothese "vorgeschlagen" wurde, nicht bereits durchgeführt. Das Bundesgericht qualifizierte diese Punkte als geringfügige Ungenauigkeiten oder Klarstellungen, die die medizinische Beurteilung der Gutachter, welche von der Beschwerdeführerin im Übrigen nicht mehr substanziell bestritten wurde, in keiner Weise in Frage stellen.

6. Fazit des Bundesgerichts Das Bundesgericht befand alle Rügen der Beschwerdeführerin als unbegründet und wies die Beschwerde vollumfänglich ab. Die gerichtlichen Kosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Ablehnung einer Invalidenrente, da seit dem letzten Rentenablehnungsentscheid keine massgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin festgestellt wurde. Im Zentrum der Beurteilung stand die Beweiskraft eines bidisziplinären Gutachtens des BEM. Das Gericht wies alle Rügen der Beschwerdeführerin bezüglich Verfahrensfehlern und Sachverhaltsirrtümern im Gutachten zurück. Es hielt fest, dass bei somatoformen Schmerzstörungen ein psychiatrisches Gutachten massgebend ist (ATF 132 V 65 E. 4.3), dass die Gutachterbezeichnung korrekt erfolgte und die Rügen diesbezüglich aufgrund des Prinzips von Treu und Glauben (ATF 9C_557/2021) verspätet waren. Die Ablehnung der Anwesenheit des Ehemanns und die Vorgehensweise bei der Berücksichtigung von medizinischen Unterlagen entsprachen der Rechtsprechung (ATF 140 V 260 E. 3). Kleinere Ungenauigkeiten im Gutachten hatten keinen Einfluss auf dessen Beweiskraft (ATF 134 V 231 E. 5.1, 135 V 465 E. 4.4).