Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_152/2025 vom 6. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 9C_152/2025 vom 6. August 2025 1. Einleitung und Streitgegenstand

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 6. August 2025 betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) vom 27. Januar 2025. Der Beschwerdeführer, A._, wehrte sich gegen seine Mehrwertsteuerpflicht (MWST) für die Steuerperiode 2020 in seiner Funktion als Betreiber des Erotiksalons "C._". Im Kern ging es um die Frage, ob die von den Hostessen in diesem Salon erbrachten Leistungen umsatzsteuerrechtlich dem Beschwerdeführer oder den Hostessen selbst zuzurechnen sind.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hatte im Jahr 2022 die MWST-Forderung für A.__ für das Jahr 2020 auf CHF 41'639 festgesetzt und eine Neubeurteilung seiner MWST-Pflicht für die Jahre 2015-2020 abgelehnt. Das BVGer bestätigte die MWST-Pflicht für 2020, erklärte jedoch den Antrag auf Neubeurteilung der früheren Perioden für unzulässig. Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht die Aufhebung des BVGer-Urteils und die Feststellung, dass er für 2020 nicht MWST-pflichtig sei.

2. Rechtliche Grundlagen und Methodik des Bundesgerichts

Das Bundesgericht legte seiner Beurteilung die etablierten Grundsätze der MWST-Pflicht und der Leistungszurechnung zugrunde:

  • Subjektive Steuerpflicht (Art. 10 Abs. 1 MWSTG): Steuerpflichtig ist, wer ein Unternehmen selbständig betreibt. Gemäss Art. 10 Abs. 1bis MWSTG liegt Selbständigkeit vor, wenn eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgeübt wird, wobei der Steuerpflichtige unter eigenem Namen nach aussen auftritt und auf eigene Rechnung und Gefahr handelt (vgl. BGE 144 V 111 E. 4.2).
  • Leistungszurechnung (Art. 20 Abs. 1 MWSTG): Diese zentrale Bestimmung regelt, wem eine Leistung umsatzsteuerrechtlich zuzurechnen ist, wenn mehrere Personen als potenzielle Leistungserbringer in Frage kommen. Das Prinzip ist das "Eigengeschäft": Tritt der Leistungserbringer gegenüber dem Leistungsempfänger unter eigenem Namen auf, wird ihm die Leistung zugerechnet. Dies gilt auch bei indirekter Stellvertretung. Eine Person muss als autonomer Leistungserbringer auftreten und nicht lediglich als Gehilfe oder Hilfsperson. Hilfspersonen sind typischerweise Angestellte, die betrieblich oder organisatorisch abhängig sind, Lohn beziehen und kein eigenständiges unternehmerisches Risiko tragen. Die Abgrenzung erfolgt aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände (vgl. Urteile 9C_433/2024 vom 16. Dezember 2024 E. 5.2 f.; 9C_67/2024 vom 8. August 2024 E. 5.1.2 f.).
  • Kriterien bei Erotiksalons: In Fällen, die Erotiksalons betreffen, hat das Bundesgericht spezifische Kriterien entwickelt, um die Zurechnung der Leistungen zu klären. Entscheidend sind hierbei die äussere Erscheinung des Salons gegenüber Dritten und dessen interne Organisation (vgl. BGE 140 II 460 E. 4.3.2; BGE 145 II 270 E. 4.4.3).

Das Bundesgericht prüft Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nur auf Willkür (Art. 97 Abs. 1 LTF i.V.m. Art. 9 BV) und Rechtsverletzungen von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 LTF). Rügen betreffend die Verletzung von Grundrechten erfordern eine qualifizierte Begründung (Art. 106 Abs. 2 LTF).

3. Begründung des Gerichts im vorliegenden Fall

Das Bundesgericht bestätigte die Argumentation und den Entscheid des BVGer, wonach der Beschwerdeführer als Betreiber des Salons "C.__" die MWST-pflichtigen Leistungen erbrachte, da die Hostessen nicht als selbständige Leistungserbringerinnen anzusehen waren.

3.1. Präpondierende äussere Erscheinung des Salons

Das BGer schützte die Feststellung des BVGer, dass der Salon nach aussen hin als primärer Leistungserbringer auftrat, obwohl einige Elemente (z.B. Werbung im Namen der Hostessen, Direktkontakt zu diesen, direkte Entgegennahme des Entgelts durch die Hostessen) auf eine Eigenständigkeit der Hostessen hindeuten könnten. Ausschlaggebend für die Gesamtbetrachtung waren folgende vom BVGer festgestellte Indizien:

  • Die Salonadresse war seit 2011 unverändert.
  • Der Betrieb wurde regelmässig für Prostitutionsaktivitäten genutzt, mit einer täglichen Präsenz von ein bis sechs Hostessen in einem diskreten Apartment mit zwei Zimmern.
  • Es gab feste Öffnungszeiten, die eine kontinuierliche Verfügbarkeit ohne Terminvereinbarung garantierten.
  • Es wurden "C.__"-Visitenkarten mit einer Festnetznummer des Apartments verwendet.
  • Die Erwähnung des Salons in Online-Foren trug ebenfalls zu seiner Bekanntheit bei.

Die Beschwerde des A.__, der die einzelnen Elemente isoliert kritisierte und eine widersprüchliche Beurteilung (diskret, aber guter Ruf) rügte, wurde zurückgewiesen. Das BGer befand, dass die Gesamtbetrachtung des BVGer bezüglich des präpondierenden Aussenauftritts des Salons nicht willkürlich war.

3.2. Wirtschaftliches Risiko und interne Organisation

Das Bundesgericht bestätigte zudem, dass der Beschwerdeführer den Salon kommerziell betrieb und das wesentliche wirtschaftliche Risiko trug sowie ein Abhängigkeitsverhältnis der Hostessen bestand:

  • Wirtschaftliches Risiko: Der Beschwerdeführer war alleiniger Mietzahler (CHF 1'475/Monat) für das Apartment und trug die wesentlichen Nebenkosten (Festnetz, Arbeitsmaterial, Reinigung, Bettwäsche, Getränke, Mahlzeiten). Die Hostessen zahlten lediglich einen Betrag von CHF 50 pro Tag für die Nutzung der Zimmer. Sie tätigten keine eigenen Investitionen und profitierten vom Ruf des Salons, was ihr unternehmerisches Risiko stark minimierte. Die fehlenden eigenen Geschäftsräumlichkeiten und das Fehlen von eigenem Personal bei den Hostessen wurden als weitere Indizien für ihre Abhängigkeit gewertet. Die Einstellung des Salonbetriebs durch A.__ im Jahr 2020, welche die Hostessen zur Neuorganisation zwang, unterstrich ebenfalls die Abhängigkeit.
  • Infrastruktur und Leistungen: Das BVGer stützte sich auf ein Salon-Reglement (dessen Gültigkeit der Beschwerdeführer nicht widerlegen konnte), das die Bereitstellung der kompletten Infrastruktur (4.5-Zimmer-Wohnung mit ausgestatteten Zimmern, Küche, Bad, WC, Festnetztelefon, Arbeitsmaterialien wie Handtücher, Bettwäsche, Kondome, Massageöl) durch den Beschwerdeführer vorsah. Zudem übernahm der Salon die allgemeine Werbung in Zeitungen sowie die tägliche Verpflegung und die Reinigung der Räumlichkeiten. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Bereitstellung des Materials sei "üblich" oder das Reglement obsolet, überzeugte das Bundesgericht nicht.
  • Kontrolle und Auswahl: Das Gericht erkannte ein Mindestmass an Kontrolle und Organisation durch den Beschwerdeführer. Dies zeigte sich in der Sicherstellung der Einnahmen, der Gewährleistung einer kontinuierlichen Präsenz der Hostessen und der Regulierung der Nutzung der beiden Zimmer (oftmals mehr Hostessen als Zimmer vorhanden). Solche Aufgaben gingen über ein einfaches Vermieter-Mieter-Verhältnis hinaus und stellten eine organisatorische Einschränkung für die Hostessen dar. Die im Anwesenheitstableau des Beschwerdeführers gefundenen Notizen wie "malhonnête", "menteuse" oder "ne doit plus être prise" belegten ein Mitsprache- und Auswahlrecht, das auf ein Kontrollverhältnis hindeutete. Zusätzliche Instruktionsmassnahmen zu diesem Punkt wurden als nicht erforderlich erachtet.
3.3. Beweiswürdigung

Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Zeugenaussagen von Bekannten, die nachträglich erstellt wurden, wurden vom BVGer und Bundesgericht als nicht beweiskräftig erachtet (vgl. Urteil 9C_184/2023 vom 18. Juli 2024 E. 6.1.3). Das Bundesgericht sah hierin keine willkürliche Beweiswürdigung.

3.4. Zurückweisung der Rügen des Beschwerdeführers

Das Bundesgericht wies die Rügen des Beschwerdeführers, er habe die Existenz eines Abhängigkeitsverhältnisses und die fehlende Aussenwirkung des Salons belegt, als appellatorisch und ungenügend begründet zurück. Er habe lediglich seine eigene Tatsacheninterpretation derjenigen der Vorinstanz entgegengestellt, ohne eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung oder eine Verletzung von Art. 20 Abs. 1 MWSTG nachzuweisen. Die Änderung des Inkassosystems (von Provision zu Tagespauschale) wurde als nicht ausschlaggebend für die Gesamtbeurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses beurteilt.

4. Höhe der Steuerforderung

Da der Beschwerdeführer weder das Prinzip der Schätzung noch die von der ESTV angewandte Berechnungsmethode für die MWST-Forderung von CHF 41'639 für das Jahr 2020 bestritt, prüfte das Bundesgericht diesen Punkt nicht weiter und bestätigte die Forderung.

5. Fazit des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde vollumfänglich ab. Die Kosten des Gerichtsverfahrens wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Mehrwertsteuerpflicht des Betreibers eines Erotiksalons für die Steuerperiode 2020. Es befand, dass der Salon nach aussen als primärer Leistungserbringer auftrat (präpondierende äussere Erscheinung) und der Betreiber das wesentliche wirtschaftliche Risiko trug sowie die interne Organisation derart gestaltete, dass die Hostessen als abhängig und nicht als selbständige Leistungserbringerinnen im Sinne von Art. 20 Abs. 1 MWSTG zu qualifizieren waren. Indizien waren unter anderem die Übernahme der Miete und Infrastrukturkosten durch den Betreiber, die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Arbeitsmaterial, Werbung durch den Salon sowie ein gewisses Mass an Kontrolle und Selektionsrecht über die Hostessen. Der Beschwerdeführer konnte keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung oder Rechtsverletzung nachweisen.