Zusammenfassung von BGer-Urteil 8C_41/2024 vom 5. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Nachfolgend wird das Urteil 8C_41/2024 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 5. August 2025 detailliert zusammengefasst.

1. Parteien und Gegenstand des Verfahrens Der Beschwerdeführer, A.__, ein 1986 geborener Metallbauer, war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch unfallversichert. Streitig war der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung nach einem Unfall vom 25. Januar 2019. Die Suva hatte die Leistungen per 1. Juni 2022 eingestellt und die Ansprüche verneint, was das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 16. November 2023 bestätigte.

2. Sachverhalt des Unfalls und bisheriger Verfahrensverlauf Am 25. Januar 2019 wurde der Beschwerdeführer bei der Demontage eines Garagentors von dessen rechtem, nach oben ausschlagendem Hebelarm am Kopf getroffen, stürzte zu Boden und wurde bewusstlos. Die Suva erbrachte zunächst Heilbehandlung und Taggeld. Nach medizinischen Abklärungen stellte sie die Leistungen per 1. Juni 2022 ein, da der Versicherte in der angestammten Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig sei. Die Suva verneinte zudem Ansprüche auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung. Der hiergegen erhobene Einspracheentscheid wurde vom Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 16. November 2023 abgewiesen. Ein vom Beschwerdeführer gegen dieses Urteil eingereichtes Revisionsgesuch vor dem kantonalen Gericht wurde am 2. Dezember 2024 abgewiesen. Das vorliegende bundesgerichtliche Verfahren wurde zwischenzeitlich sistiert und anschliessend fortgesetzt.

3. Rechtliche Grundlagen und allgemeine Grundsätze Das Bundesgericht prüft im Rahmen einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Rechtsverletzungen (Art. 95 f. BGG) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Im Bereich der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gebunden, wenn es um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen geht (Art. 97 Abs. 2, Art. 105 Abs. 3 BGG).

  • Kausalzusammenhang: Für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers ist ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich (sog. "conditio sine qua non"-Formel, BGE 134 V 109 E. 2.1; vgl. auch BGE 147 V 161). Dieser wird durch den adäquaten Kausalzusammenhang als rechtliche Eingrenzung der Haftung ergänzt. Bei organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen spielt die Adäquanz praktisch keine Rolle, da sie sich weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 134 V 109 E. 2.1). Von organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann nur gesprochen werden, wenn die Befunde mittels apparativer/bildgebender Abklärungen bestätigt werden und die Untersuchungsmethoden wissenschaftlich anerkannt sind (BGE 138 V 248 E. 5.1; Urteil 8C_664/2024 vom 7. Mai 2025 E. 2.3).
  • Beweisgrad: Massgebender Beweisgrad ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 271 E. 4.4).
  • Beweiswert ärztlicher Berichte: Ärztlichen Berichten kommt in der Regel hoher Beweiswert zu, sofern sie umfassend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar sind (BGE 145 V 97 E. 8.5).
  • Fallabschluss: Die Einstellung von Heilbehandlung und Taggeld sowie die gleichzeitige Prüfung der Ansprüche auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung erfolgen bei einem Fallabschluss, wenn von weiteren medizinischen Behandlungen keine namhafte Besserung des Gesundheitszustands mehr zu erwarten ist (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4.3).

4. Entscheidungsrelevante Punkte und Begründung des Bundesgerichts

4.1. Fallabschluss und medizinische Situation Das Bundesgericht hält fest, dass der von der Vorinstanz bestätigte Fallabschluss per 1. Juni 2022 nicht zu beanstanden ist, da keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustands mehr zu erwarten war (E. 3). Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Beschwerdeführer infolge des Unfalls eine substanzielle Hirnverletzung erlitten habe und damit organische Folgeschäden vorlägen. Jedoch seien die über den 1. Juni 2022 hinaus geklagten anhaltenden Beschwerden (Kopfschmerzen im geltend gemachten Ausmass, Tinnitus, Sehstörung, Schwindel) – gemäss den Stellungnahmen des Neurologen Dr. med. C.__ (Suva Versicherungsmedizin) und im Einklang mit anderen Unterlagen – nicht mit der organisch objektivierbaren Schädigung zu erklären. Dies sei auch nicht durch andere Vorbringen des Beschwerdeführers widerlegt worden (E. 4).

4.2. Rügen des Beschwerdeführers und bundesgerichtliche Würdigung

  • Gehörsanspruch: Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung seines Gehörsanspruchs, da die Vorinstanz auf diverse Vorbringen nicht eingegangen sei. Das Bundesgericht verneint dies. Eine Behörde muss sich nicht mit allen Parteistandpunkten auseinandersetzen, sondern sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, um den Entscheid anfechtbar zu machen. Diesem Grundsatz sei die Vorinstanz nachgekommen (E. 5, unter Verweis auf BGE 148 III 30 E. 3.1).
  • Neue Beweismittel (Novum): Das polydisziplinäre Gutachten des BEGAZ vom 5. Dezember 2023, welches nach dem angefochtenen Urteil (16. November 2023) entstand, wurde als unzulässiges echtes Novum gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG eingestuft und nicht berücksichtigt (E. 6, unter Verweis auf BGE 148 V 174 E. 2.2).
  • Verweis auf Vorinstanzliche Beschwerde: Ein blosser Verweis auf frühere Eingaben genügt den Begründungsanforderungen an eine Beschwerde beim Bundesgericht nicht und ist unzulässig (E. 7, unter Verweis auf BGE 143 V 168 E. 5.2.3).
  • Einwendungen gegen die medizinische Beurteilung: Der Beschwerdeführer beanstandete die Feststellung, seine aktuellen Beschwerden seien nicht organisch objektivierbar, und kritisierte die Beurteilung von Dr. med. C.__ als "aktenwidrig", da dieser einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz vermutete, obwohl die Kopfschmerzen auch nach Medikamentenabstinenz persistierten. Er verwies zudem auf eine RAD-Stellungnahme der IV-Stelle, die die Situation als unklar bezeichnete und eine Begutachtung für erforderlich hielt.
    • Das Bundesgericht hält fest, dass der vom Beschwerdeführer herangezogene Bericht der Klinik D.__ (26. Oktober 2020) keine Beurteilung der natürlichen Unfallkausalität enthält (E. 8.2.1).
    • Die RAD-Stellungnahme der IV-Stelle ist für die Unfallversicherung nicht verbindlich, da die IV als finale Versicherung alle Leiden berücksichtigt, während die UV nur unfallbedingte Leiden zu berücksichtigen hat (E. 8.2.2, unter Verweis auf BGE 134 V 153 E. 5.2).
    • Die Vorbringen des Beschwerdeführers vermögen keine Zweifel an den Beurteilungen des Suva-Arztes zu wecken. Der Beschwerdeführer gebe im Wesentlichen seine eigene Sichtweise wieder, was zur Infragestellung des Urteils nicht genüge (E. 8.3.1, unter Verweis auf BGE 143 V 208 E. 6.3.2).
    • Da keine entscheidrelevanten Resultate von weiteren Abklärungen zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz davon absehen (antizipierte Beweiswürdigung, E. 8.3.2, unter Verweis auf BGE 144 V 361 E. 6.5).

4.3. Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs Da die geklagten Beschwerden nach dem Fallabschluss nicht mehr mit einem objektivierbaren organischen Gesundheitsschaden zu erklären sind, prüft das Bundesgericht die adäquate Kausalität anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für Folgen eines Unfalls mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder äquivalenter Verletzung ohne organisch objektiv nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 134 V 109). Diese Kriterien finden auch Anwendung, ohne zwischen physischen und psychischen Komponenten zu differenzieren (BGE 138 V 248 E. 4).

  • Unfallschwere (E. 10.1-10.3):

    • Die Unfallschwere wird anhand des augenfälligen Geschehensablaufs und der sich dabei entwickelnden Kräfte beurteilt, nicht anhand der Unfallfolgen oder nicht direkt zuzuordnenden Begleitumständen (BGE 148 V 301 E. 4.3.1; Urteil 8C_242/2024 vom 14. Oktober 2024 E. 7.3).
    • Die Vorinstanz qualifizierte den Unfall (vom ausschlagenden Garagentor-Hebelarm am Kopf getroffen, Bewusstlosigkeit, ~120 kg Federdruck) als "mittelschwer im engeren Sinne". Das Bundesgericht bestätigt diese Einschätzung. Es vergleicht mit ähnlichen Fällen (z.B. 8C_488/2017, 8C_236/2016, 8C_810/2008), in denen vergleichbare oder sogar heftigere Ereignisse als mittelschwer eingestuft wurden. Die vom Beschwerdeführer erlittene Hirnschädigung ist für die Qualifikation der Unfallschwere irrelevant (E. 10.3.2).
    • Fazit Unfallschwere: Der Unfall vom 25. Januar 2019 wird als mittelschwer im eigentlichen Sinne eingestuft. Für die Bejahung der adäquaten Kausalität wären in diesem Fall drei der sieben Adäquanzkriterien in einfacher Form oder eines besonders ausgeprägt zu erfüllen (BGE 134 V 109 E. 7.1; SVR 2023 UV Nr. 48 S. 169, 8C_1/2023 E. 10.3).
  • Prüfung der Adäquanzkriterien (E. 10.6-10.10):

    • Die Kriterien der "besonders dramatischen Begleitumstände", "fortgesetzt spezifischen, belastenden ärztlichen Behandlung" und "ärztlichen Fehlbehandlung" sind unbestritten nicht erfüllt (E. 10.6).
    • Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen: Der Beschwerdeführer erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades, Hirnödem, Schädelfraktur, Felsenbeinlängsfraktur, Jochbogenfraktur und eine Riss-Quetsch-Wunde. Die Vorinstanz liess offen, ob dieses Kriterium in einfacher Weise erfüllt sei, verneinte jedoch eine besonders ausgeprägte Erfüllung. Das Bundesgericht schliesst sich dem an, insbesondere da die geklagten Beschwerden nach dem Fallabschluss nicht mehr mit einem objektivierbaren organischen Gesundheitsschaden erklärt werden können und der Beschwerdeführer selbst eine "gewisse Überlagerung der Beschwerden" einräumte. Daher ist eine "ausgeprägte" Erfüllung dieses Kriteriums ausgeschlossen (E. 10.7.3).
    • Erhebliche Beschwerden ohne wesentlichen Unterbruch: Die Vorinstanz verneinte dieses Kriterium, da die geklagten Symptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsstörungen etc.) das Übliche nicht überstiegen und die Betreuung von fünf Kindern sowie Hilfe im Haushalt nicht auf eine erhebliche Einschränkung im Alltag schliessen liessen. Das Bundesgericht bestätigt dies; der Beschwerdeführer vermag diese Würdigung nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen und räumt selbst ein, den Lebensalltag "so gut wie möglich aufrechtzuerhalten" (E. 10.8).
    • Schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen: Die Vorinstanz verneinte dieses Kriterium. Der Beschwerdeführer argumentierte mit einer "hochkomplexen medizinischen Situation", Medikamentenunverträglichkeiten und Uneinigkeit der Ärzte. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung genügen die blosse Dauer der Behandlung, viele Medikamente oder Therapien sowie das Ausbleiben von Beschwerdefreiheit nicht für die Bejahung dieses Kriteriums; es bedarf besonderer Gründe, die die Genesung beeinträchtigten (E. 10.9, unter Verweis auf SVR 2022 UV Nr. 3 S. 7). Die Vorbringen des Beschwerdeführers begründen daher die Bejahung nicht.
    • Erhebliche Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen bis zum Fallabschluss: Die Vorinstanz verneinte dieses Kriterium, da der Beschwerdeführer spätestens rund ein Jahr nach dem Unfall in einer angepassten Tätigkeit voll arbeitsfähig gewesen wäre, diese aber nicht ausgeschöpft habe. Ein Bericht der IV-Stelle verwies auf "fehlende intrinsische Motivation" und ein "selbstlimitierendes" Verhalten. Das Bundesgericht hält die Argumentation des Beschwerdeführers für unbehelflich (Verweis auf Klinik D.__ ohne Relevanz für Arbeitsunfähigkeit, erneute Ablehnung der RAD-Stellungnahme). Somit bleibt es bei der Verneinung dieses Kriteriums (E. 10.10).

4.4. Fazit zur Kausalität und Integritätsentschädigung Nach umfassender Prüfung der medizinischen und adäquanzrechtlichen Aspekte kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die Vorinstanz den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 25. Januar 2019 und den über den 1. Juni 2022 hinaus bestehenden Beschwerden zu Recht verneint hat (E. 10.11). Gegen die Verweigerung einer Integritätsentschädigung bringt der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Einwände vor, weshalb auch diese verneint wird (E. 11).

5. Urteil Die Beschwerde wird abgewiesen. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verneinung einer Invalidenrente und Integritätsentschädigung für den Beschwerdeführer nach einem Unfall im Januar 2019. Es stellte fest, dass die nach dem Fallabschluss per 1. Juni 2022 geklagten Beschwerden (insbesondere Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel) nicht mehr mit objektivierbaren organischen Unfallfolgen erklärbar sind, obwohl der Unfall eine substanzielle Hirnverletzung verursachte. Die Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs ergab, dass der Unfall als mittelschwer im engeren Sinne einzustufen ist. Von den sieben Adäquanzkriterien (gemäss BGE 134 V 109) konnte keines als besonders ausgeprägt erfüllt oder drei Kriterien in einfacher Form bejaht werden. Weder die Schwere der Verletzungen (obwohl organisch nachweisbar, waren die aktuellen Beschwerden nicht mehr darauf zurückführbar), die erheblichen Beschwerden, der Heilungsverlauf noch die Arbeitsunfähigkeit erfüllten die hohen Anforderungen der Rechtsprechung für eine Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs. Neue medizinische Gutachten wurden als unzulässige Noven abgewiesen, und die Einschätzungen der Suva-Ärzte wurden als stichhaltig erachtet, da die Vorbringen des Beschwerdeführers diese nicht substanziell widerlegen konnten. Folglich wurde die adäquate Kausalität verneint und die Beschwerde abgewiesen.