Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_582/2023 vom 23. Juni 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts im Detail zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 1C_582/2023 vom 23. Juni 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (1C_582/2023) betreffend eine Baubewilligung zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin, A._, wehrte sich gegen die Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung für den Umbau und die Erweiterung eines im Jahr 1910 erbauten Wohnhauses (Kat.-Nr. 1899) in Kilchberg ZH, welches in einer Wohnzone liegt. Das Projekt der Beschwerdegegnerschaft (B.B._ und C.B.__) umfasste eine energetische Sanierung, diverse Fassaden- und Strukturänderungen, die Ergänzung um ein zweites Untergeschoss sowie einen Anbau an der Nordfassade.

Die Baukommission Kilchberg erteilte die Bewilligung ursprünglich am 15. Dezember 2021. Ein Rekurs der Nachbarin A._ beim Baurekursgericht des Kantons Zürich führte zu einer teilweisen Gutheissung: Der geplante Erker am nördlichen Anbau sollte auf ein Drittel der Länge der Ostfassade reduziert werden. Im Übrigen wurde der Rekurs abgewiesen. Sowohl A._ als auch die Bauherrschaft fochten diesen Entscheid beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich an. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde der Bauherrschaft am 31. August 2023 gut, hob die Erker-Reduktionsanordnung auf und bestätigte die ursprüngliche Baubewilligung der Baukommission. Die Beschwerde von A.__ wurde abgewiesen. Dagegen richtete sich die Beschwerde an das Bundesgericht.

Die zentralen Streitpunkte vor Bundesgericht betrafen die Einhaltung von Abstandsvorschriften zum nördlichen Anbau, die Zulässigkeit des Bauvorhabens im Rahmen der erweiterten Besitzstandsgarantie und die ausreichende Abwassererschliessung des Baugrundstücks.

2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts und Grundsätze

Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht sowie von interkantonalem Recht (Art. 95 lit. a, b, e BGG). Kantonales Recht wird nur insoweit überprüft, als es gegen übergeordnetes (Bundes-)Recht verstösst, insbesondere gegen das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt vor, wenn ein Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid nur auf, wenn nicht nur die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist.

Für Rügen der Verletzung von Grundrechten, einschliesslich des Willkürverbots, gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG); eine Sachverhaltsrüge ist nur zulässig, wenn die Feststellung offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist und für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG).

3. Abstandsvorschriften für den nördlichen Anbau (§ 265 Abs. 1 PBG/ZH)

a. Rüge der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin rügte eine willkürliche Anwendung von § 265 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich (PBG/ZH). Sie machte geltend, der geplante nördliche Anbau halte den gesetzlichen Abstand von 3.5 m zur auf dem Baugrundstück verlaufenden Wegparzelle nicht ein. Sie argumentierte, diese Erschliessungsfläche diene als Verkehrsfläche mindestens sechs Grundstücken, einschliesslich einer Garagenzufahrt und als Notweg, und sei daher als öffentlicher Weg zu qualifizieren, gegenüber dem ein Abstand von 3.5 m einzuhalten sei.

b. Begründung des Verwaltungsgerichts und Bestätigung durch das Bundesgericht: Das Verwaltungsgericht hatte geprüft, ob es sich bei der Erschliessungsfläche um einen öffentlichen Weg im Sinne von § 265 Abs. 1 PBG/ZH handelt. Es führte aus, die Öffentlichkeit eines Weges bestimme sich nach dessen Zweckbestimmung und danach, ob er einem nicht näher bestimmten Personenkreis zur Benützung offenstehe. Eine Erschliessungsfunktion für mehrere Grundstücke spreche grundsätzlich für die Öffentlichkeit. Sei der Weg jedoch rein grundstücksintern oder bestehe ein Benützungsverbot für die Allgemeinheit, sei er als privat zu qualifizieren.

Die Vorinstanz stellte fest, dass die Erschliessungsfläche eine grundstücksinterne Erschliessung für drei Grundstücke sowie die gesetzliche Erschliessung für drei weitere Parzellen gewährleistet. Entscheidend war für das Verwaltungsgericht jedoch, dass auf dem Weg ein gerichtliches Verbot laste, welches zusammen mit der gelben Bodenaufschrift "PRIVAT" und einer Verbotstafel die Öffentlichkeit ausschliesse. Zudem handele es sich um eine Sackgasse, welche lediglich einem beschränkten Nutzerkreis offenstehe. Basierend auf dieser Gesamtwürdigung qualifizierte die Vorinstanz den Weg als privat. Die Abstandsvorschriften des § 265 Abs. 1 PBG/ZH kämen somit nicht zur Anwendung.

Das Bundesgericht bestätigte diese Auslegung. Die Rügen der Beschwerdeführerin bezüglich der mangelnden Sichtbarkeit der Signalisation oder der Notwendigkeit einer physischen Einschränkung (z.B. einer Schranke) wurden als unbehelflich erachtet. Das Bundesgericht hielt fest, dass ein gerichtliches Verbot, die Markierung als "PRIVAT" und die Natur als Sackgasse überzeugende Kriterien für die Annahme eines von vornherein bestimmten Nutzerkreises und damit eines privaten Weges darstellen. Die vorinstanzlichen Erwägungen seien unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden.

4. Erweiterte Besitzstandsgarantie für den Um- und Anbau (§ 357 PBG/ZH und § 101 PBG/ZH)

a. Rüge der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin monierte eine willkürliche Anwendung von § 357 und § 101 PBG/ZH. Sie behauptete, das Bauvorhaben stelle eine neubauähnliche Umgestaltung dar, die nicht unter die erweiterte Besitzstandsgarantie falle und somit als Neubau zu beurteilen sei. Unbestritten war, dass die Liegenschaft baurechtswidrig ist, da sie eine Baulinie von 1908 überschreitet und die Grenzabstände zu Nachbargrundstücken nicht einhält.

b. Begründung des Verwaltungsgerichts und Bestätigung durch das Bundesgericht: Gemäss § 357 Abs. 1 PBG/ZH dürfen bestehende, bauvorschriftenwidrige Bauten umgebaut, erweitert oder anders genutzt werden, wenn keine überwiegenden öffentlichen oder nachbarlichen Interessen entgegenstehen. Für baulinienwidrige Bauten (§ 101 PBG/ZH) sind weitergehende Vorkehren nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (z.B. wenn die Baulinie in absehbarer Zeit nicht durchgeführt wird und keine Entschädigungspflicht für Mehrwert entsteht).

Das Verwaltungsgericht legte dar, dass für die Annahme einer neubauähnlichen Umgestaltung zunächst zu prüfen sei, ob ein weitgehender Ersatz der bisherigen Bausubstanz stattfinde. Bei mehreren, konstruktiv unabhängigen oder zeitlich gestaffelten Änderungen sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Die Vorinstanz würdigte die Baugeschichte des Hauses und die geplanten Massnahmen: * Das Gebäude wurde bereits 1933 zu einem Wohnhaus umgebaut und in den Jahren 2009 und 2014 geringfügig angepasst. * Das aktuelle Bauvorhaben sehe vor, dass Böden, Fassaden und das Dach (inklusive Dachterrasse) weitestgehend erhalten blieben. Die bestehende Bausubstanz werde saniert, Fassadenöffnungen angepasst und die innere Aufteilung mit untergeordneten Änderungen den Bedürfnissen der Bewohner angepasst.

Das Verwaltungsgericht schlussfolgerte, dass die Bausubstanz grossmehrheitlich erhalten bleibe und kein weitgehender Ersatz geplant sei. Es handle sich daher um einen zulässigen Umbau und eine Erweiterung gemäss § 357 Abs. 1 PBG/ZH.

Das Bundesgericht schloss sich dieser Beurteilung an. Die Beschwerdeführerin ging auf die vorinstanzlichen Erwägungen zur Substanzfrage nicht ein, sondern bezog sich auf ein älteres, vom Baurekursgericht als neubauähnlich qualifiziertes Bauprojekt der Beschwerdegegnerschaft. Dies wurde vom Bundesgericht als unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 2 BGG) zurückgewiesen, da es nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war und die Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht erfüllt wurde. Auch weitere unsubstantiierte Behauptungen der Beschwerdeführerin, etwa zu Dienstbarkeiten, vermochten keine willkürliche Rechtsanwendung aufzuzeigen.

5. Abwassererschliessung (Art. 22 Abs. 2 lit. b und Art. 19 Abs. 1 RPG)

a. Rüge der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin rügte abschliessend, das Baugrundstück verfüge nicht über eine hinreichende Abwassererschliessung gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. b und Art. 19 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes (RPG).

b. Begründung des Verwaltungsgerichts und Bestätigung durch das Bundesgericht: Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Baubewilligung vom 15. Dezember 2021 vorsah, dass das Grundstück noch an die öffentliche Kanalisation anzuschliessen sei. Es handle sich um ein bestehendes und bereits erschlossenes Gebäude innerhalb der Bauzone, bei dem nichts darauf hindeute, dass künftig mehr Abwasser anfallen werde als bisher. Die Vorinstanz hielt es für unzweifelhaft, dass eine Erschliessung an die öffentliche Kanalisation möglich sei, zumal Art. 691 ZGB Grundeigentümer zur Duldung von Durchleitungen zur Versorgung und Entsorgung verpflichte, wenn ein anderes Grundstück sonst nicht oder nur mit unverhältnismässigen Kosten erschlossen werden könne.

Das Bundesgericht erachtete diese Erwägungen als nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Beschwerde lediglich behauptet, das Abwasser werde derzeit ohne Durchleitungsrecht über ihr Grundstück abgeleitet und ein solches Recht müsse nicht gewährt werden. Dies wurde als ungenügende und unsubstantiierte Darlegung einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 42 Abs. 2 BGG gewertet.

6. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab, soweit darauf einzutreten war. Die Beschwerdeführerin wurde kostenpflichtig.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Abstandsvorschriften: Die Erschliessungsfläche auf dem Baugrundstück wurde aufgrund eines gerichtlichen Benützungsverbots, ihrer Kennzeichnung als "PRIVAT" und ihrer Natur als Sackgasse als privater Weg qualifiziert. Die kantonalen Abstandsvorschriften für öffentliche Wege (§ 265 PBG/ZH) finden somit keine Anwendung. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz die Kriterien für einen privaten Weg nicht willkürlich angewandt hat.
  • Besitzstandsgarantie: Das Bauvorhaben (Umbau und Erweiterung) wurde als zulässige Massnahme im Rahmen der erweiterten Besitzstandsgarantie für die baurechtswidrige Liegenschaft beurteilt (§ 357, § 101 PBG/ZH). Das Bundesgericht stützte die vorinstanzliche Feststellung, dass kein "weitgehender Ersatz der bisherigen Bausubstanz" stattfindet und somit keine "neubauähnliche Umgestaltung" vorliegt. Rügen der Beschwerdeführerin, die auf neue oder unzureichend begründete Fakten abzielten, wurden zurückgewiesen.
  • Abwassererschliessung: Die ausreichende Erschliessung des Baugrundstücks an die öffentliche Kanalisation wurde bejaht. Es handelt sich um ein bestehendes Gebäude, dessen Anschluss an die öffentliche Kanalisation als möglich erachtet wird, notfalls gestützt auf die Duldungspflicht gemäss Art. 691 ZGB. Die Beschwerdeführerin vermochte keine willkürliche Rechtsanwendung nachzuweisen.
  • Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Nachbarin A.__ vollumfänglich ab.