Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_361/2024 vom 18. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_361/2024 vom 18. Juli 2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_361/2024

I. Einleitung Das Bundesgericht hatte über die Beschwerde in Strafsachen von A.__ gegen ein Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden zu befinden. Der Beschwerdeführer wurde wegen sexueller Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB a.F. verurteilt. Die Beschwerde wurde, soweit darauf eingetreten werden konnte, abgewiesen.

II. Sachverhalt und Vorinstanzen A._ lebte von Mitte Juli 2019 bis Mitte Juni 2020 als Untermieter bei der Familie B._. Im genannten Zeitraum, insbesondere zwischen Anfang April 2020 und Ende Mai 2020, war er gelegentlich als Babysitter für die damals 8-jährige B.B._ tätig. Ihm wurde vorgeworfen, B.B._ nach dem Spielen auf dem Trampolin gegen deren Willen und Abwehr angewiesen zu haben, sich auszuziehen, um sie unter dem Vorwand einer Zeckenkontrolle am nackten Körper abzusuchen. Dabei soll er sie unter anderem auch an Gesäss und im Genitalbereich angefasst haben, indem er die Gesässbacken und ihre Schamlippen auseinandergespreizt habe, was dem Kind Schmerzen bereitet habe.

Die Einzelrichterin des Kantonsgerichts Appenzell Ausserrhoden sprach A.__ am 12. Juli 2022 vom Vorwurf des Nichtanmeldens bei der Gemeinde frei und verurteilte ihn wegen sexueller Handlungen mit Kindern. Dabei legte sie den Tatzeitpunkt auf "zwischen Ende Mai 2020 und Anfang Juni 2020" fest und verhängte eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie eine Busse. Ferner wurde ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für Berufe und organisierte ausserberufliche Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt zu Minderjährigen ausgesprochen.

Das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden bestätigte den erstinstanzlichen Freispruch und den Strafpunkt. Es erklärte A.__ jedoch wegen sexueller Handlungen mit Kindern für schuldig, die "zwischen Anfang April 2020 bis Ende Mai 2020" begangen wurden. Damit stellte das Obergericht wieder auf den in der Anklageschrift genannten Deliktszeitraum ab.

III. Die Hauptbeschwerdepunkte und Rechtsfragen vor dem Bundesgericht

  1. Verletzung des Anklagegrundsatzes, der "double instance" und der Verteidigungsrechte: Der Beschwerdeführer rügte, die kantonalen Instanzen hätten ihren Urteilen verschiedene Deliktszeiträume zugrunde gelegt, was zu Unklarheit über den Anklagegegenstand und damit zu einer Verletzung des Anklagegrundsatzes sowie seiner Verteidigungsrechte geführt habe. Auch das Prinzip der "double instance" sei verletzt worden.

  2. Verkennen des Begriffs der "eindeutigen" sexuellen Handlungen und fehlender Vorsatz: Der Beschwerdeführer bestritt, eine sexualbezogene Handlung vorgenommen zu haben. Er machte geltend, die Handlungen hätten sich anlässlich einer Zeckenkontrolle abgespielt, wobei der medizinische Aspekt im Vordergrund gestanden habe. Es handle sich um eine "ambivalente Handlung". Die Vorinstanz verkenne zudem, dass er nicht vorsätzlich gehandelt habe, da nicht nachgewiesen sei, dass er sich über die sexuelle Bedeutung seines Handelns im Klaren gewesen sei.

IV. Begründung des Bundesgerichts

  1. Zum Anklagegrundsatz und den Verfahrensrechten: Das Bundesgericht wies die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich des Anklagegrundsatzes, der "double instance" und der Verteidigungsrechte ab:

    • Anklagegrundsatz: Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Anklageprinzips durch die erste Instanz rügte, konnte er nicht gehört werden. Er hätte diesen Einwand bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorbringen müssen (Art. 80 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 142 I 155 E. 4.4.2 f.). Bezüglich des Obergerichts stellte das Bundesgericht fest, dass dieses den Schuldspruch auf den von der Anklageschrift (und nicht der ersten Instanz) angeklagten Zeitraum (Anfang April 2020 bis Ende Mai 2020) gestützt habe. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes sei somit nicht gegeben. Die angebliche Unklarheit des Beschwerdeführers, gegen welchen Zeitraum er sich wenden müsse, sei angesichts dessen nicht nachvollziehbar.
    • "Double instance": Das Prinzip der "double instance" gemäss Art. 80 Abs. 2 BGG sei nicht verletzt. Diese Bestimmung verpflichtet die Kantone nicht, einen doppelten gerichtlichen Instanzenzug vorzusehen. Die Vorinstanz habe als oberes kantonales Gericht mit voller Kognition als Rechtsmittelinstanz entschieden. Auch eine Verletzung der Rechtsmittelgarantie in Strafsachen nach Art. 32 Abs. 3 BV sei weder erkennbar noch dargelegt.
    • "In dubio pro reo": Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" wurde ebenfalls abgewiesen, da sie einzig mit den unbegründeten Unstimmigkeiten bezüglich des Deliktzeitraums verknüpft war. Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt als Beweiswürdigungsregel vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1).
  2. Zur Qualifikation als sexuelle Handlung (Art. 187 Ziff. 1 StGB a.F.) und zum Vorsatz: Das Bundesgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Vorinstanz, wonach die Handlungen des Beschwerdeführers objektiv sexualbezogen und vorsätzlich waren:

    • Sachverhaltliche Feststellungen der Vorinstanz: Das Obergericht hielt fest, die Aussagen der damals 8-jährigen Privatklägerin seien glaubhaft, schlüssig und wiesen verschiedene Realkennzeichen auf. Die Angaben des Beschwerdeführers seien demgegenüber widersprüchlich und unglaubhaft. Es sei als erstellt erachtet worden, dass der Beschwerdeführer die Privatklägerin angewiesen habe, sich nackt auszuziehen, die Beine zu spreizen, und er danach eine manuelle Kontrolle des Gesässes und Intimbereichs durch das Auseinanderziehen der Gesässbacken und Schamlippen vorgenommen habe.
    • Objektiver Tatbestand – Definition sexueller Handlungen: Das Bundesgericht legte dar, dass sexuelle Handlungen im Sinne von aArt. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB Verhaltensweisen sind, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild einen unmittelbaren sexuellen Bezug aufweisen und im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblich sind (BGE 131 IV 100 E. 7.1; BGE 125 IV 58 E. 3b). Bei objektiv eindeutig sexualbezogenen Handlungen komme es nicht auf das subjektive Empfinden, die Motive oder die Bedeutung für Täter oder Opfer an.
    • Abgrenzung zu ambivalenten Handlungen: Bei ambivalenten Handlungen, die äusserlich weder neutral noch eindeutig sexualbezogen erscheinen (z.B. medizinische Untersuchung, Körperpflege), wird keine sexuelle Handlung angenommen, wenn sie erforderlich (bzw. medizinisch indiziert) und lege artis vorgenommen werden oder eine blosse Ungeschicklichkeit vorliegt (BGE 105 IV 37; BGE 125 IV 58 E. 3b).
    • Anwendung im vorliegenden Fall: Das Bundesgericht beurteilte, dass das Auseinanderziehen der Gesässbacken und Schamlippen des nackten achtjährigen Mädchens durch den (17 Jahre älteren) Beschwerdeführer mit den Händen angesichts der gesamten Umstände objektiv eine sexuelle Handlung darstellt.
      • Die Situation – der Beschwerdeführer allein mit dem Mädchen im Schlafzimmer der Mutter, Anweisung zum vollständigen Ausziehen und Beinespreizen – schliesst jede Einordnung als "ambivalente" Handlung aus. Die Handlungen waren nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen.
      • Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz nicht festgestellt, dass die Zeckenuntersuchung erforderlich gewesen sei oder den üblichen Rahmen nicht gesprengt habe. Vielmehr wurde kritisch bemerkt, dass keine zeitliche Dringlichkeit bestand und die Mutter die Kontrolle hätte vornehmen können. Die Handlungen seien nicht sozialadäquat gewesen.
      • Die Verhaltensweise wies eine Intensität auf, die im Hinblick auf die ungestörte sexuelle Entwicklung der Privatklägerin als erheblich zu qualifizieren ist (vgl. BGE 137 IV 263 E. 3.1).
    • Subjektiver Tatbestand (Vorsatz): Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz den Vorsatz zu Recht bejaht hatte. Angesichts seines Erfahrungshintergrunds (ehemalige Rüge und Sperrung als Kinderlagerleiter wegen grenzüberschreitender Handlungen) musste dem Beschwerdeführer die sexuelle Bedeutung seines Handelns klar sein. Es gab keine zureichenden Gründe, aus denen er sich zu solchen Handlungen berechtigt fühlen konnte. Er handelte mit Wissen und Willen.

V. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Der Schuldspruch wegen sexueller Handlungen mit Kindern durch die Vorinstanz erweist sich als bundesrechtskonform. Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

VI. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Deliktszeitraum: Das Bundesgericht bestätigte die Festlegung des Deliktszeitraums durch die Vorinstanz auf "Anfang April 2020 bis Ende Mai 2020", da dies der Anklageschrift entsprach und somit keine Verletzung des Anklagegrundsatzes vorlag.
  • Keine Verletzung von Verfahrensrechten: Rügen bezüglich der "double instance" und der Verteidigungsrechte wurden abgewiesen, da die kantonalen Instanzen korrekt entschieden hatten und die Voraussetzungen für eine Bundesgerichtsintervention nicht gegeben waren.
  • Objektive sexuelle Handlung: Das Auseinanderziehen der Gesässbacken und Schamlippen eines 8-jährigen nackten Mädchens durch den erwachsenen Beschwerdeführer wurde als objektiv eindeutig sexualbezogene und erhebliche Handlung qualifiziert, die nicht unter den Begriff der "ambivalenten Handlungen" (wie z.B. eine medizinisch notwendige oder sozialadäquate Zeckenkontrolle) fällt.
  • Vorsatz bejaht: Der subjektive Tatbestand des Eventualvorsatzes wurde aufgrund des Erfahrungshintergrunds des Beschwerdeführers und der bewussten Vornahme der Handlungen, trotz Kenntnis der sexuellen Konnotation und der Möglichkeit alternativer Vorgehensweisen, bejaht.
  • Schuldspruch bestätigt: Der Schuldspruch wegen sexueller Handlungen mit Kindern gemäss aArt. 187 Ziff. 1 StGB wurde in allen Punkten bestätigt.