Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_116/2025 vom 3. Juni 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, 4A_116/2025 vom 3. Juni 2025, detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 4A_116/2025 vom 3. Juni 2025

1. Einleitung und Streitgegenstand

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit einem Rekurs im Bereich der provisorischen Rechtsöffnung (mainlevée provisoire) nach Art. 82 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG). Die Beschwerdeführerin (A._) begehrte die provisorische Rechtsöffnung gestützt auf eine in einem notariellen Akt aus dem Jahr 2010 enthaltene "promesse de donner" (Schenkungsversprechen) des Intimierten (B._). Der Intimierte erhob Rechtsvorschlag und machte die fehlende Gültigkeit der Forderung geltend, insbesondere unter Verweis auf eine spätere Scheidungskonvention. Das Bundesgericht hatte zu beurteilen, ob die Vorinstanz (Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève) zu Recht die provisorische Rechtsöffnung verweigert hat.

2. Sachverhalt

  • Ehe und erster Ehevertrag (2010): A._ und B._ heirateten 1989. Am 19. Juli 2010 liquidierten sie mittels notariellem Akt ihren Güterstand der Gütergemeinschaft und adoptierten die Gütertrennung. Dieser Akt erwähnte, dass die Eheleute "turbulences" in ihrer Beziehung erlebten. Der Akt enthielt eine Klausel mit dem Titel "promesse de donner" (Schenkungsversprechen), wonach B._ seiner Ehefrau A._ einen Betrag von 250'000 CHF (wertgesichert gemäss Landesindex der Konsumentenpreise) versprach, zahlbar innerhalb eines Jahres nach dem Tod des zweiten seiner Eltern, unabhängig vom genauen Wert seines Erbes, basierend auf seinen "espérances successorales" (Erbschaftserwartungen von mindestens 500'000 CHF).
  • Erste Scheidung (2013) und Scheidungskonvention: Am 12. März 2013 unterzeichneten die Parteien eine Scheidungskonvention. Diese regelte verschiedene Punkte wie getrennte Wohnsitze, Unterhaltsbeiträge, Übertragung von Vorsorgeguthaben und die Aufteilung einer Immobilie. Massgeblich war Art. 6 der Konvention, der unter der Überschrift "Quittance pour solde de tout compte" (Quittung zur Saldierung aller Konten) festhielt, dass die Parteien, "moyennant bonne et fidèle exécution des présentes" (unter der Bedingung der guten und getreuen Ausführung der vorliegenden Vereinbarung), bestätigten, "plus aucune prétention à faire valoir l'un[e] contre l'autre au titre des effets accessoires du divorce" (keine weiteren Ansprüche mehr untereinander im Zusammenhang mit den Scheidungsfolgen zu haben). Mit Urteil vom 13. September 2013 wurde die Scheidung ausgesprochen und die Vereinbarung, dass die Parteien keine weiteren Ansprüche mehr gegeneinander hatten, bestätigt.
  • Zweite Ehe und zweite Scheidung (2016-2022): Die Parteien heirateten im Jahr 2016 erneut. Am 1. April 2020 reichte B.__ ein einseitiges Scheidungsbegehren ein. Die Scheidung wurde am 8. April 2022 ausgesprochen, die güterrechtliche Liquidation jedoch vorbehalten. Das erstinstanzliche Gericht erachtete Ansprüche aus dem Ehevertrag von 2010 wegen der "solde de tout compte"-Klausel des ersten Scheidungsurteils als hinfällig. Die Frage, ob das Schenkungsversprechen als separater Akt Bestand hatte, wurde offen gelassen, da die Mutter des Intimierten noch lebte. Die Genfer Cour de justice bestätigte am 19. Januar 2023 das Scheidungsprinzip, annullierte aber die güterrechtliche Liquidation und wies die Sache zur abschliessenden Liquidation der Vermögensverhältnisse, "einschliesslich der Verpflichtungen, die die Parteien untereinander eingegangen sein könnten", an die erste Instanz zurück. Dieses Verfahren ist noch hängig.
  • Fälligkeit des Schenkungsversprechens und Betreibung: Der Vater des Intimierten verstarb 2015, seine Mutter 2022. Nach dem Tod der Mutter forderte die Beschwerdeführerin am 16. August 2022 den indexierten Betrag von 258'221 CHF. Der Intimierte bestritt die Gültigkeit des Versprechens. Die Beschwerdeführerin leitete daraufhin am 19. Juli 2023 eine Betreibung über 260'797 CHF ein. Der Intimierte erhob Rechtsvorschlag.

3. Prozessgeschichte und kantonale Entscheidungen

Das Tribunal de première instance wies am 17. Oktober 2024 das Begehren um provisorische Rechtsöffnung ab. Die Chambre civile der Cour de justice bestätigte dieses Urteil am 6. Februar 2025.

4. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

4.1. Kognition des Bundesgerichts Das Bundesgericht prüft Rechtsverletzungen des Bundesrechts (Art. 95 lit. a BGG). Die Anwendung kantonalen Rechts wird nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV) oder anderer verfassungsmässiger Rechte überprüft. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft aber nur die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen, es sei denn, die Rechtsverletzung ist offensichtlich. Neue Rügen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Der Sachverhalt wird vom Bundesgericht aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG) und nur korrigiert, wenn er offensichtlich unrichtig (willkürlich) oder rechtsfehlerhaft festgestellt wurde und die Korrektur für den Ausgang des Verfahrens entscheidend ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hatte versucht, im bundesgerichtlichen Verfahren neue Fakten einzuführen, was das Gericht aufgrund der strengen Begründungspflichten (Art. 106 Abs. 2 BGG) zurückwies.

4.2. Grundlagen der provisorischen Rechtsöffnung (Art. 82 SchKG) Die provisorische Rechtsöffnung setzt eine Schuldanerkennung voraus, die durch öffentliche Urkunde oder Privaturkunde festgestellt ist, vom Schuldner unterzeichnet wurde und seinen Willen zum Ausdruck bringt, dem Betreibenden einen bestimmten oder leicht bestimmbaren und fälligen Geldbetrag ohne Vorbehalt und Bedingung zu zahlen. Der Rechtsöffnungsrichter darf bei der Interpretation des Titels nur die intrinsischen Elemente des Titels berücksichtigen. Bestehen Zweifel am Sinn oder an der Auslegung des Titels, ist die provisorische Rechtsöffnung zu verweigern. Das Rechtsöffnungsverfahren ist ein summarisches Verfahren, dessen Ziel nicht die Feststellung der materiellen Existenz der Forderung ist, sondern das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels. Der Richter prüft lediglich die Beweiskraft und die formelle Natur des Titels. Der Betriebene kann die Rechtsöffnung abwenden, indem er sofort seine Befreiung glaubhaft macht (Art. 82 Abs. 2 SchKG). Dabei kann er alle zivilrechtlichen Einreden und Einwendungen vorbringen, die die Schuldanerkennung entkräften. Eine Rechtsöffnungsentscheidung entfaltet keine materielle Rechtskraft hinsichtlich des Bestehens der Forderung; die Parteien können die Streitfrage jederzeit dem ordentlichen Richter unterbreiten (Art. 79, 83 Abs. 2 SchKG).

4.3. Beurteilung der Argumente im konkreten Fall

  • Verletzung von Art. 8 ZGB: Das Bundesgericht wies die Rüge der Beschwerdeführerin betreffend Art. 8 ZGB als irrelevant zurück, da es im Rechtsöffnungsverfahren lediglich um die Prüfung des Titels und der Glaubhaftmachung des Befreiungsgrundes gehe.
  • Argumentation der Vorinstanz: Die Vorinstanz hatte ausgeführt, dass das Schenkungsversprechen von 2010 in den Kontext der Änderung des Güterstandes wegen der damaligen Beziehungsprobleme eingebettet war. Mit der Scheidung von 2013 und der unterzeichneten Scheidungskonvention seien die Bestimmungen des Ehevertrags von 2010 durch jene der Scheidungskonvention ersetzt worden. Diese spätere Konvention sehe keinen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Teile des Erbes des Intimierten vor. Die zentrale "Quittance pour solde de tout compte"-Klausel in der Scheidungskonvention sei entscheidend. Der Umstand, dass das Schenkungsversprechen zum Zeitpunkt der Scheidungskonvention 2013 noch nicht fällig war, sei nicht ausschlaggebend, da die Parteien, wenn sie einen solchen zukünftigen Anspruch hätten aufrechterhalten wollen, diesen in der Scheidungskonvention hätten festhalten können. Dies sei aber nicht geschehen, was darauf hindeute, dass ein solcher Anspruch nicht mehr beabsichtigt war. Daher sei das Schenkungsversprechen mit der Scheidung 2013 wahrscheinlich hinfällig geworden (caduc) und stelle somit keine zweifelsfreie Schuldanerkennung mehr dar.
  • Argument der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin argumentierte, der notarielle Akt von 2010 bestehe aus zwei separaten Teilen: einer Güterrechtsvereinbarung und einer autonomen "promesse de donner", die nicht in die güterrechtliche Vereinbarung eingeschlossen sei und somit von der späteren Scheidungskonvention unberührt bleibe. Es handle sich um ein "régime juridique spécial" (spezielles Rechtsverhältnis), das nicht unter die Liquidation des Güterstands falle.
  • Beurteilung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht erachtete die Erwägungen der Vorinstanz im Rahmen der summarischen Prüfung der Plausibilität des Befreiungsgrundes (Art. 82 Abs. 2 SchKG) als nicht fehlerhaft. Das Gericht stützte sich dabei auf das Prinzip der Einheit des Scheidungsurteils ("principe de l'unité du jugement de divorce"). Dieses Prinzip ist nicht auf die gesetzlichen Scheidungsfolgen beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle finanziellen Ansprüche zwischen Ehegatten, die während der Ehe entstanden sind, selbst bei Gütertrennung, mit Ausnahme seltener Fälle, in denen solche Ansprüche der Scheidung fremd wären (z.B. Ansprüche aus unerlaubter Handlung). Vorliegend war das Schenkungsversprechen eindeutig in den ehelichen Kontext eingebettet (Änderung des Güterstands aufgrund von Eheproblemen, Verknüpfung mit Erbschaftserwartungen des Ehemannes). Angesichts dieses umfassenden Prinzips hat der Intimierte seine Befreiung aufgrund der "Quittance pour solde de tout compte" in der Scheidungskonvention vom 12. März 2013 ausreichend glaubhaft gemacht. Der Versuch der Beschwerdeführerin, das Schenkungsversprechen von der güterrechtlichen Liquidation zu trennen, sei in diesem Rahmen der Rechtsöffnungsprozedur, die keine vertiefte Prüfung der materiellen Forderung erlaubt, vergeblich.

5. Schlussfolgerung

Das Bundesgericht bestätigte die Einschätzung der kantonalen Vorinstanz. Die "Quittance pour solde de tout compte" in der Scheidungskonvention von 2013 machte den Befreiungseinwand des Intimierten hinreichend plausibel, da das Prinzip der Einheit des Scheidungsurteils alle finanziellen Ansprüche zwischen den Ehegatten umfasst. Daher konnte das Schenkungsversprechen aus dem Jahr 2010 nicht als zweifelsfreie Schuldanerkennung für eine provisorische Rechtsöffnung dienen. Der Rekurs der Beschwerdeführerin wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Kurzfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Streitgegenstand: Provisorische Rechtsöffnung für ein Schenkungsversprechen (2010) zwischen Eheleuten.
  2. Kernproblem: Kollision des Schenkungsversprechens mit einer späteren "Quittance pour solde de tout compte"-Klausel in einer Scheidungskonvention (2013) aus der ersten Scheidung der Parteien.
  3. Kernaussage des Gerichts: Das Bundesgericht bestätigt, dass die "Quittance pour solde de tout compte" in der Scheidungskonvention den Befreiungseinwand des Schuldners hinreichend glaubhaft macht.
  4. Zentrale rechtliche Begründung: Dies stützt sich auf das Prinzip der Einheit des Scheidungsurteils, welches alle finanziellen Ansprüche zwischen Ehegatten im Scheidungskontext umfasst, sofern sie nicht ausnahmsweise völlig scheidungsfremd sind.
  5. Folge: Im summarischen Rechtsöffnungsverfahren genügt diese Glaubhaftmachung des Befreiungsgrundes; eine vertiefte Prüfung der materiellen Forderung oder der Autonomie des Schenkungsversprechens ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen.
  6. Ergebnis: Das Begehren um provisorische Rechtsöffnung wurde abgewiesen. Die Klägerin muss ihre Forderung im ordentlichen Prozessweg geltend machen.