Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_292/2024 vom 30. April 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des schweizerischen Bundesgerichts 2C_292/2024 vom 30. April 2025.

1. Gegenstand des Verfahrens und Parteien

Gegenstand des Urteils ist die Beschwerde gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden betreffend eine öffentliche Beschaffung (Submission) von Baumeisterarbeiten für den "H416 Tunnel Las Ruinas".

  • Beschwerdeführerin: A.__ AG, eine unterlegene Anbieterin, die im Vergabeverfahren den zweiten Rang belegte.
  • Vergabebehörde: Regierung des Kantons Graubünden (vertreten durch das Tiefbauamt), die den Zuschlag erteilte.
  • Beschwerdegegnerinnen: ARGE B._ (bestehend aus C._ AG und D.__ GmbH), das Konsortium, dem der Zuschlag erteilt wurde.

2. Verfahrensverlauf

Das Tiefbauamt des Kantons Graubünden schrieb die Arbeiten im offenen Verfahren aus. Die Zuschlagskriterien umfassten Qualität der Anbieterin (30%), Qualität des Angebotes (30%), Nachhaltigkeit (10%) und Preis (30%). Es wurden drei Angebote eingereicht, wovon eines als ungültig erklärt wurde. Von den zwei gültigen Angeboten der ARGE B._ und der A._ AG erzielte die ARGE B.__ eine minimal höhere Punktzahl (3.62 gegenüber 3.60 Punkte).

Die Regierung des Kantons Graubünden vergab den Auftrag am 4. Dezember 2023 an die ARGE B.__, insbesondere aufgrund von Vorteilen im Kriterium "Qualität des Angebots". Das Tiefbauamt teilte den Zuschlag am 6. Dezember 2023 mit.

Die A._ AG erhob Beschwerde beim Verwaltungsgericht Graubünden. Ursprünglich rügte sie eine unzulässige Notenskala und Fehler bei der Bewertung einzelner Zuschlagskriterien ("Technische Konzepte", "Plausibilität des Angebots", "Nachhaltigkeit"). Später beantragte sie zusätzlich den Ausschluss der ARGE B._ mit der Begründung, dass diese ein gefordertes Eignungskriterium (Erfahrung des Baustellenchefs) im massgeblichen Zeitpunkt (Offerteinreichung) nicht erfüllt habe.

Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde am 28. Mai 2024 ab. Es stellte fest, dass das Eignungskriterium zum Zeitpunkt des Zuschlagsentscheids (4. Dezember 2023) erfüllt gewesen sei, was gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung genüge.

Die A.__ AG gelangte mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragte die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und des Zuschlagsentscheids sowie die Erteilung des Zuschlags an sie selbst (eventualiter Rückweisung).

3. Beurteilung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde.

3.1. Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten

Gemäss Art. 83 lit. f BGG (in der Fassung ab 1. Januar 2021) ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in Vergabesachen unzulässig, wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt und der Auftragswert den massgebenden Schwellenwert nicht erreicht. Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Die Beschwerdeführerin warf die Frage auf, ob Eignungskriterien bereits im Zeitpunkt der Offerteinreichung oder erst im Zeitpunkt des Zuschlagsentscheids erfüllt sein müssen. Sie argumentierte, diese Frage sei in der Rechtsprechung unklar.

Das Bundesgericht verneinte das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Es hielt fest, dass die Frage nach dem Zeitpunkt der Erfüllung von Eignungskriterien in seiner ständigen Rechtsprechung geklärt sei (namentlich BGE 145 II 249). Demnach müssen Eignungskriterien grundsätzlich spätestens im Zeitpunkt des Zuschlagsentscheids erfüllt sein, es sei denn, die Ausschreibung ordne ausdrücklich etwas anderes an oder dies ergebe sich klar aus der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen oder der Natur des Auftrags (vgl. BGE 145 II 249 E. 3.3 und darauf folgende Urteile). Die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen im Einzelfall sei eine Anwendungsfrage, keine Grundsatzfrage.

Die Beschwerdeführerin konnte keine überzeugenden Gründe darlegen, weshalb auf diese geklärte Rechtsprechung zurückzukommen wäre, auch nicht unter Geltung der neuen Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB). Da die aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist und keine anderen Grundsatzfragen vorlagen, erklärte das Bundesgericht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als unzulässig.

3.2. Zulässigkeit und Prüfungsrahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde

Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist zulässig gegen kantonal letztinstanzliche Entscheide (Art. 113, 114 BGG). Sie erlaubt jedoch einzig die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 BGG). Die Verletzung von einfachem Gesetzes- oder Konkordatsrecht (wie z.B. das Transparenz- oder Wirtschaftlichkeitsgebot oder das Diskriminierungsverbot des Submissionsrechts) kann nicht selbständig gerügt werden, da diesen Grundsätzen kein Rang als selbständige Verfassungsgarantien zukommt.

Zulässig ist hingegen die Rüge einer willkürlichen Anwendung der massgebenden Submissionsgesetzgebung (Verletzung von Art. 9 BV), da Anbieterinnen im öffentlichen Beschaffungsrecht ein rechtlich geschütztes Interesse an der Einhaltung der Gesetzgebung haben (BGE 125 II 86 E. 4). Das Bundesgericht prüft Verfassungsverletzungen nur, wenn sie in der Beschwerde klar und detailliert begründet werden (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Dem Urteil wird der Sachverhalt zugrunde gelegt, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei willkürlich ermittelt worden.

Die Beschwerdeführerin rügte im Wesentlichen eine willkürliche (Art. 9 BV) Anwendung des Submissionsrechts durch die Vorinstanz.

3.3. Prüfung der Willkürrügen

Das Bundesgericht prüfte die von der Beschwerdeführerin erhobenen Willkürrügen:

  • Rüge 1: Willkürlicher Nichtausschluss der Beschwerdegegnerinnen aufgrund des Zeitpunkts der Erfüllung des Eignungskriteriums "Baustellenchef".

    • Argument der Beschwerdeführerin: Der von den Beschwerdegegnerinnen benannte Baustellenchef war im Zeitpunkt der Offerteinreichung (29. September 2023) noch nicht bei ihnen angestellt, sondern erst per 1. November 2023. Eignungskriterien müssten bereits bei Offerteinreichung erfüllt sein, um Gleichbehandlung zu gewährleisten. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz sei willkürlich.
    • Beurteilung des Bundesgerichts: Das Gericht bestätigt die vorinstanzliche Anwendung der ständigen Rechtsprechung, wonach Eignungskriterien spätestens im Zeitpunkt des Zuschlagsentscheids (4. Dezember 2023) erfüllt sein müssen, es sei denn, die Ausschreibung bestimme etwas anderes (was hier nicht der Fall war). Diese Anwendung ist nicht willkürlich. Das Bundesgericht führt aus, dass eine willkürliche Ungleichbehandlung vorliegen könnte, wenn verschiedene Anbieterinnen zu unterschiedlichen Zeitpunkten beurteilt würden, was hier nicht der Fall war. Die Beschwerdegegnerinnen hatten den Baustellenchef bereits in ihrer fristgerechten Offerte benannt, was keine unzulässige nachträgliche Angebotsänderung darstellte. Sie trugen das Risiko, dass das Kriterium bis zum Zuschlag nicht erfüllt sein würde. Für die anderen Anbieterinnen entstand dadurch kein Nachteil.
    • Ergebnis: Die Rüge der willkürlichen Anwendung des Zeitpunkts für die Erfüllung des Eignungskriteriums wird abgewiesen.
  • Rüge 2: Willkürliche Bewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien.

    • Argument der Beschwerdeführerin: Die Vorinstanz habe die Bewertung der Vergabebehörde willkürlich bestätigt, insbesondere bezüglich:
      • Kostenposition "längeres Vorhalten": Beschwerdegegnerinnen hätten Kosten umgelagert und müssten ausgeschlossen oder bestraft werden.
      • Kostenposition NPK 113 "Baustelleneinrichtung": Der Beschwerdeführerin seien willkürlich Punkte beim Kriterium "Plausibilität des Angebots" abgezogen worden wegen angeblich intransparenter Umlagerung.
      • Kriterium "Erfahrungen des Tiefbauamts mit der Anbieterin": Beide Angebote seien trotz unterschiedlicher Erfahrung (positive mit Beschwerdeführerin, keine mit Beschwerdegegnerinnen) gleich (3 Punkte) bewertet worden, was willkürlich sei.
    • Beurteilung des Bundesgerichts: Das Gericht prüfte die Rügen unter dem strengen Massstab der Willkür (Resultat muss unhaltbar sein).
      • "Längeres Vorhalten": Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Würdigung, dass der grosse Kostenunterschied durch unterschiedliche, aber transparente und nachvollziehbare Berechnungsmethoden (Monatsmiete vs. Amortisationsmodell) erklärt wurde. Dies falle, wenn die Ausschreibung keine Vorgabe mache, in die unternehmerische Freiheit. Die Bewertung war nicht willkürlich.
      • NPK 113 / "Plausibilität": Das Bundesgericht befand, dass der vorinstanzliche Schluss, wonach die Zuweisung von 47% der Kosten dieser Position zu einer globalen Unterposition bei der Beschwerdeführerin (im Gegensatz zu 2% bei den Beschwerdegegnerinnen) unverhältnismässig hoch und nicht erklärbar sei, nicht willkürlich sei. Der Punkteabzug beim Kriterium "Plausibilität des Angebots" sei gerechtfertigt, da es um die Nachvollziehbarkeit der Kostenaufteilung ging, nicht um den Gesamtpreis. Die Argumente der Beschwerdeführerin beträfen nicht die Plausibilität des Angebots selbst.
      • "Erfahrungen des Tiefbauamts": Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Feststellung, dass die Vergabebehörde nach ihrer Praxis für dieses Kriterium standardmässig 3 Punkte vergebe, sofern keine mittels Protokoll dokumentierten und schriftlich kommunizierten (positiven oder negativen) Erfahrungen vorlägen, die eine Abweichung rechtfertigten. Da solche dokumentierten Erfahrungen weder bei der Beschwerdeführerin noch bei den Beschwerdegegnerinnen vorlagen, sei die gleiche Bewertung mit 3 Punkten erfolgt. Diese Praxis sei nachvollziehbar und rechtsgleich angewendet worden. Sie sei nicht willkürlich und verletze auch nicht das Transparenzprinzip, da das Kriterium bekannt gegeben und nach festen Regeln angewendet wurde.
  • Ergebnis: Die Rügen der willkürlichen Bewertung der Angebote werden abgewiesen.

4. Gesamtergebnis

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten war unzulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, die nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (insbesondere Willkür) prüft, wurde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesgericht fand, dass die Vorinstanz das anwendbare Submissionsrecht im vorliegenden Fall nicht willkürlich angewendet hat, weder bezüglich des Zeitpunkts der Erfüllung der Eignungskriterien noch bezüglich der Bewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien.

5. Wesentliche Punkte (Kurzfassung)

  • Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde als unzulässig erklärt, da die Frage nach dem massgeblichen Zeitpunkt für die Erfüllung von Eignungskriterien (Offerteinreichung vs. Zuschlagsentscheid) vom Bundesgericht bereits grundsätzlich geklärt ist (spätestens im Zeitpunkt des Zuschlagsentscheids, BGE 145 II 249).
  • Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde war zulässig, beschränkte sich aber auf die Prüfung der Willkür (Art. 9 BV) bei der Anwendung des Submissionsrechts durch die Vorinstanz.
  • Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz die Eignungskriterien nicht willkürlich angewendet hat, indem sie den Zeitpunkt des Zuschlagsentscheids als massgeblich erachtete. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung, und die Beschwerdeführerin konnte keine willkürliche Ungleichbehandlung darlegen.
  • Die Bewertung der Angebote durch die Vorinstanz wurde ebenfalls nicht als willkürlich erachtet. Die unterschiedliche Behandlung der Kostenposition "längeres Vorhalten" basierte auf unterschiedlichen, aber transparenten Berechnungsmethoden. Der Punkteabzug bei der Beschwerdeführerin für die "Plausibilität des Angebots" war aufgrund einer intransparenten Kostenverteilung in einer globalen Unterposition gerechtfertigt. Die gleiche Punktevergabe beim Kriterium "Erfahrungen des Tiefbauamts" folgte einer nachvollziehbaren, standardisierten Praxis der Vergabebehörde, die dokumentierte und kommunizierte Erfahrungen für eine Besser-/Schlechterbewertung verlangt.
  • Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Gerichtskosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.