Absolut. Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5D_37/2024 vom 26. Mai 2025, einschliesslich der massgebenden rechtlichen Erwägungen:
Zusammenfassung des Bundesgerichtsentscheids 5D_37/2024 vom 26. Mai 2025
Gericht, Aktenzeichen, Datum:
Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5D_37/2024 vom 26. Mai 2025
Parteien:
A.__ (Beschwerdeführerin, amtliche Rechtsvertreterin) gegen Tribunal d'arrondissement de l'Est vaudois (Vorinstanz).
Gegenstand:
Entschädigung des amtlichen Rechtsbeistands in einer zivilrechtlichen Angelegenheit (Festsetzung von Kindesunterhalt und elterlicher Sorge).
Vorinstanzen:
1. Présidente du Tribunal civil de l'arrondissement de l'Est vaudois.
2. Chambre des recours civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud.
Hergang (wesentliche Punkte):
Die Beschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, wurde am 5. Januar 2024 als amtliche Rechtsbeiständin für ein Kind in einem Unterhalts- und Sorgerechtsverfahren bestellt. Die unentgeltliche Rechtspflege (UeR), die die Kosten des amtlichen Rechtsbeistands deckt, wurde mit Wirkung ab dem 6. Oktober 2023 gewährt. Die Beschwerdeführerin legte am 19. Januar 2024 eine Kostennote vor, die einen Arbeitsaufwand von 16 Stunden und 15 Minuten für die Zeit vom 4. August 2023 bis 19. Januar 2024 auswies und eine Entschädigung von CHF 3'312.09 beantragte. Sie begründete den frühen Beginn der Tätigkeit (4. August 2023) damit, dass eine erste Konsultation stattgefunden habe und die Mutter ihrer Mandantin "erheblich Zeit" benötigt habe, um die für den UeR-Antrag erforderlichen Dokumente zusammenzutragen, weshalb der Antrag erst im November 2023 gestellt werden konnte. Sie habe auch in einem parallel laufenden Unterhaltsverfahren des Vaters mit seiner Ex-Ehefrau intervenieren müssen, um die finanzielle Situation der Kindesmutter zu klären, was ebenfalls durch die UeR gedeckt sein müsse.
Die erste Instanz (Présidente du Tribunal civil) setzte die Entschädigung auf CHF 2'337.30 fest, basierend auf dem Zeitraum vom 6. Oktober 2023 bis 19. Januar 2024. Sie zog die vor dem 6. Oktober 2023 geleistete Arbeitszeit (5 Stunden und 15 Minuten) ab, da diese nicht von der UeR-Gewährung mit Wirkung ab diesem Datum erfasst sei.
Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Beschwerdeführerin beim Kantonsgericht (Chambre des recours civile), mit dem Antrag, die Entschädigung auf den ursprünglich geforderten Betrag von CHF 3'312.09 festzusetzen, einschliesslich der Arbeitszeit ab dem 4. August 2023. Sie rügte insbesondere eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie eine unrichtige Anwendung des Rechts bezüglich der Entschädigung.
Das Kantonsgericht wies den Rekurs ab. Es bestätigte, dass die vor dem 6. Oktober 2023 geleisteten Stunden nicht zu entschädigen seien. Es führte aus, die Beschwerdeführerin hätte die UeR bereits am 4. August 2023 beantragen können. Sie habe nicht substanziiert dargelegt, warum der Antrag nicht vor November 2023 gestellt werden konnte; die vage Behauptung, die Mutter habe Zeit für die Dokumentenbeschaffung benötigt, genüge nicht. Es sei keine Notfallsituation dargelegt worden, die ein sofortiges Handeln ohne vorherige Beantragung der UeR gerechtfertigt hätte. Die UeR könne nur ausnahmsweise rückwirkend gewährt werden, namentlich wenn die verspätete Einreichung des Antrags entschuldbar sei, was hier nicht der Fall sei. Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs verneinte das Kantonsgericht, da die Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung des späten UeR-Antrags ohnehin keine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten. Zudem stellte das Kantonsgericht fest, dass die vor dem 6. Oktober 2023 geleisteten Tätigkeiten nicht nur zeitlich (5h 15m über zwei Monate), sondern auch inhaltlich (z.B. Auseinandersetzung mit der parallelen Unterhaltssache des Vaters mit seiner Ex-Ehefrau) nicht eng mit dem Verfahren, für das die UeR gewährt wurde (Kind vs. Vater), verbunden waren. Für das parallele Verfahren sei keine UeR beantragt oder gewährt worden.
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde gelangte die Rechtsanwältin an das Bundesgericht. Sie rügte im Wesentlichen Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und Rechtsanwendung (Art. 9 BV), eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29a BV) sowie weiterer Verfassungsbestimmungen (Art. 8, 27 BV) und Verfahrensregeln (Art. 57, 326 Abs. 1 ZPO, kantonales Recht) sowie der EMRK (Art. 6 § 3, 14 EMRK). Sie argumentierte, die vor dem 6. Oktober 2023 geleistete Arbeit sei für den UeR-Antrag und die Einleitung des Hauptverfahrens notwendig gewesen und hätte als vorbereitende Tätigkeit entschädigt werden müssen, auch ohne formelle Rückwirkung der UeR.
Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:
- Zulässigkeit und Prüfungsbefugnis: Das Bundesgericht stellt fest, dass es sich bei der Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Rechtsbeistands in einer zivilrechtlichen Sache um eine verwandte Materie des Zivilrechts im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG handelt. Da der Streitwert den nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG erforderlichen Schwellenwert nicht erreicht, ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 116 BGG gegeben. Die Beschwerdeführerin ist als Trägerin des Entschädigungsanspruchs zur Beschwerde legitimiert (Art. 115 BGG).
- Begründungspflicht bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde: Das Bundesgericht erinnert an die erhöhten Anforderungen an die Begründung bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Willkür (Art. 9 BV) oder die Verletzung anderer Verfassungsrechte muss detailliert und substanziiert dargelegt werden. Appellatorische Kritik, die lediglich die eigene Sichtweise der des Gerichts gegenüberstellt, ist unzulässig.
- Sachverhaltsprüfung: Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 118 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung kann nur verlangt werden, wenn die Sachverhaltsfeststellung auf einer Verletzung von Verfassungsrecht beruht, was ebenfalls nach Art. 106 Abs. 2 BGG substanziiert zu begründen ist.
- Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29a BV): Das Bundesgericht bestätigt die Rechtsprechung, wonach eine Behörde das rechtliche Gehör verletzt, wenn sie relevante Vorbringen oder Argumente nicht berücksichtigt. Das rechtliche Gehör ist jedoch kein Selbstzweck. Eine formelle Verletzung führt nur dann zur Aufhebung des Entscheids, wenn anzunehmen ist, dass die Berücksichtigung der Vorbringen den Ausgang des Verfahrens hätte beeinflussen können. Der Beschwerdeführer muss darlegen, welche Argumente er vorgebracht hätte und inwiefern diese relevant gewesen wären.
Im vorliegenden Fall hatten die Argumente der Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung der späten Einreichung des UeR-Antrags (z.B. Zeitbedarf der Mutter für Dokumentenbeschaffung) für die Entschädigungsfestsetzung keine Relevanz mehr. Der UeR-Entscheid vom 5. Januar 2024 hatte die UeR bereits rückwirkend auf den 6. Oktober 2023 gewährt. Gegen die zeitliche Reichweite dieses UeR-Entscheids selbst wurde kein Rekurs geführt. Die vorinstanzlichen Gerichte mussten sich bei der Entschädigungsfestsetzung an den rechtskräftigen UeR-Entscheid halten. Argumente, die darauf zielten, eine noch weitergehende Rückwirkung der UeR zu begründen, waren im Rahmen der Entschädigungsfestsetzung irrelevant. Das Bundesgericht bestätigt die Verneinung der Gehörsverletzung durch die Vorinstanz, teilweise durch eine Substitution von Motiven.
- Umfang der UeR-Deckung und Rückwirkung (Art. 119 ZPO): Das Bundesgericht erläutert die Grundsätze der UeR-Deckung. Gemäss Art. 119 Abs. 1 ZPO kann der UeR-Antrag vor oder während Rechtshängigkeit gestellt werden. Er ist so früh wie möglich einzureichen, da die UeR grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Gesuchs und für die Zukunft gewährt wird (Art. 119 Abs. 4 ZPO e contrario).
Die UeR deckt aber auch bereits angefallene Kosten, sofern diese auf Tätigkeiten des Anwalts zurückzuführen sind, die im Hinblick auf den Verfahrensabschnitt erbracht wurden, für den die UeR beantragt wird. Dazu gehören die Abfassung einer allfälligen Rechtsschrift und die diesbezüglichen vorbereitenden Arbeiten, sowie die Vorbereitung des UeR-Antrags selbst und diesbezügliche vorbereitende Handlungen (Verweis auf BGE 122 I 322, 122 I 203, 120 Ia 14).
Eine darüber hinausgehende echte Rückwirkung der UeR (im Sinne von Art. 119 Abs. 4 ZPO) wird nur ausnahmsweise gewährt, namentlich wenn aufgrund der Dringlichkeit einer Prozesshandlung, die zwingend vorzunehmen war, ein gleichzeitiger Antrag auf UeR nicht möglich war. Umstände, die lediglich die finanzielle Situation des Gesuchstellers betreffen, rechtfertigen allein keine Rückwirkung.
- Anwendung auf den Fall: Im vorliegenden Fall wurde die UeR mit Wirkung ab dem 6. Oktober 2023 gewährt. Der Streit betrifft die Vergütung von Leistungen, die vor diesem Datum erbracht wurden. Es geht nicht mehr um die Frage, ob eine weitergehende Rückwirkung gemäss Art. 119 Abs. 4 ZPO in Betracht kommt (dies hätte in einem Rekurs gegen den UeR-Entscheid selbst geklärt werden müssen, was hier nicht der Fall ist), sondern darum, ob die strittigen Leistungen von der UeR-Gewährung mit Wirkung ab dem 6. Oktober 2023 gedeckt sind, z.B. als vorbereitende Arbeiten im Sinne der oben erwähnten Rechtsprechung (BGE 122 I 322 ff.).
Das Bundesgericht schliesst sich der Vorinstanz an, wonach die vor dem 6. Oktober 2023 geleisteten Tätigkeiten von 5 Stunden und 15 Minuten, über einen Zeitraum von zwei Monaten erbracht, weder zeitlich eng mit dem Hauptverfahren (Kind vs. Vater) verbunden waren, noch inhaltlich primär dieses Verfahren betrafen, sondern teilweise das parallele Verfahren (Vater vs. Ex-Ehefrau). Für dieses parallele Verfahren wurde keine UeR gewährt.
Die Argumente der Beschwerdeführerin gegen diese Beurteilung (erste Besprechung mit der Klientin, finanzielle Abklärungen notwendig für UeR-Antrag und Hauptverfahren, nützlich in beiden Verfahren) qualifiziert das Bundesgericht als appellatorisch. Sie setzen lediglich die Sichtweise der Beschwerdeführerin der vorinstanzlichen Begründung entgegen, ohne eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung oder eine Verletzung von Verfassungsrecht bei der Anwendung der Grundsätze zur Deckung vorbereitender Arbeiten darzulegen.
- Weitere Rügen: Die weiteren, pauschal erhobenen Rügen (Verletzung von Art. 8, 27, 29a BV, Art. 6 § 3, 14 EMRK, Art. 57, 326 Abs. 1 ZPO und kantonalem Recht) erachtet das Bundesgericht als unzureichend begründet im Sinne der strengen Anforderungen an die subsidiäre Verfassungsbeschwerde.
Schlussfolgerung:
Das Bundesgericht weist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ab, soweit sie zulässig ist. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (CHF 500). Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Die Entschädigung des amtlichen Rechtsbeistands wird durch die unentgeltliche Rechtspflege (UeR) gedeckt.
- Die UeR wirkt grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Gesuchs und für die Zukunft (Art. 119 ZPO).
- Ausnahmsweise können auch vorbereitende Arbeiten vergütet werden, namentlich solche, die für den UeR-Antrag oder die gleichzeitig mit dem Antrag eingereichte Rechtsschrift notwendig sind.
- Eine echte Rückwirkung der UeR auf einen Zeitpunkt vor dem Gesuch ist nur unter sehr engen Voraussetzungen (Dringlichkeit einer zwingenden Prozesshandlung) möglich (Art. 119 Abs. 4 ZPO).
- Im vorliegenden Fall hatte der UeR-Entscheid die UeR bereits rückwirkend auf den 6. Oktober 2023 gewährt. Die Frage der weiteren Rückwirkung war in einem allfälligen Rekurs gegen den UeR-Entscheid selbst zu klären, nicht aber im Rahmen der Entschädigungsfestsetzung gestützt auf den rechtskräftigen UeR-Entscheid.
- Arbeiten, die vor dem effektiven Beginn der UeR-Deckung (hier 6. Oktober 2023) geleistet wurden, werden nur vergütet, wenn sie als vorbereitende Handlungen für das von der UeR erfasste Verfahren qualifizieren.
- Das Bundesgericht hat die vorinstanzliche Beurteilung bestätigt, wonach die vom amtlichen Rechtsbeistand geltend gemachte Arbeitszeit vor dem 6. Oktober 2023 (5h 15m über 2 Monate) nicht als vorbereitende Arbeit für das von der UeR gedeckte Verfahren (Kind vs. Vater) galt, da sie zeitlich nicht eng verbunden war und sich teilweise auf ein anderes, nicht von der UeR erfasstes, Verfahren (Vater vs. Ex-Ehefrau) bezog.
- Die Rügen der Beschwerdeführerin gegen diese Beurteilung wurden als unzulässige appellatorische Kritik oder unzureichend begründete Verfassungsrügen qualifiziert. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde verneint, da die übergangenen Argumente im Rahmen der Entschädigungsfestsetzung irrelevant waren.
Das Urteil bestätigt die restriktive Handhabung der Entschädigung von Tätigkeiten amtlicher Rechtsvertreter, die vor dem formellen Beginn der unentgeltlichen Rechtspflege erbracht werden. Solche Tätigkeiten müssen entweder unmittelbar der Vorbereitung des UeR-Antrags oder der gleichzeitig eingereichten Hauptschrift dienen, oder es muss ein Ausnahmefall nach Art. 119 Abs. 4 ZPO (echte Rückwirkung aufgrund zwingender Dringlichkeit) vorliegen, dessen Voraussetzungen im Rahmen eines separaten Verfahrens gegen den UeR-Entscheid geltend zu machen wären.