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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des schweizerischen Bundesgerichts:
Bundesgerichtsurteil 7B_788/2023 und 7B_803/2023 vom 12. Juni 2025
Gegenstand: Nichteintretensverfügung und Entschädigung der Verteidigungskosten Vorinstanz: Strafrechtliche Beschwerdeinstanz des Kantons Neuenburg Beschwerdeführer: A._ und B._ Beschwerdegegner: Ministère public des Kantons Neuenburg
1. Sachverhalt
Die Caisse Cantonale Neuchâteloise d'Assurance Chômage (CCNAC) erstattete am 25. Mai 2020 Strafanzeige gegen A._ (Angestellte zweier Gesellschaften) und B._ (Geschäftsführer derselben Gesellschaften). Ihnen wurde vorgeworfen, im Rahmen von Gesuchen um Kurzarbeitsentschädigung (KAE) für die Zeit der Covid-19-Pandemie wissentlich falsche Angaben zum Beschäftigungsgrad von B.__ in beiden Gesellschaften gemacht zu haben, um unrechtmässig Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu beziehen. Die Vorwürfe lauteten auf Betrug (Art. 146 StGB), eventualiter Widerhandlungen gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz (Art. 105 AVIG) und Urkundenfälschung (Art. 251 StGB).
Das Ministère public beauftragte das Office des relations et des conditions de travail (ORCT) mit Ermittlungen. Das ORCT sammelte Dokumente und befragte Mitarbeitende. A._ und B._ wurden am 30. Juni und 8. September 2022 als Beschuldigte einvernommen. Sie erklärten im Wesentlichen, die Tätigkeiten der Gesellschaften seien eingestellt worden, A.__ habe die KAE-Formulare ausgefüllt, sie hätten keine Ausbildung in diesem Bereich, Formulare seien teilweise fehlerhaft ausgefüllt worden, Fehler seien aber nach Benachrichtigung durch die CCNAC korrigiert worden. Sie hätten nicht verstanden, weshalb die CCNAC Anzeige erstattet habe.
Das ORCT erstellte am 4. November 2023 seinen Bericht und kam zum Schluss, dass alle Mitarbeitenden korrekt bei den gesetzlich vorgesehenen Versicherungen und Stellen angemeldet gewesen seien. Die CCNAC, erneut angefragt, hielt am 5. Dezember 2022 A.__ "de mauvaise foi" (treuwidrig) und legte E-Mail-Verkehr vor.
Am 2. Juni 2023 verfügte das Ministère public mangels hinreichender Verdachtsgründe (Tatbestandsmerkmale offensichtlich nicht erfüllt) Nichteintreten auf die Strafanzeige. Die Verfahrenskosten wurden dem Staat auferlegt, jedoch wurde A._ und B._ keine Entschädigung für ihre Verteidigungskosten gemäss Art. 429 StPO (alte Fassung) zugesprochen.
Gegen diesen Entscheid erhoben A._ und B._ Beschwerde bei der kantonalen Strafrechtlichen Beschwerdeinstanz, ausschliesslich betreffend die Verweigerung der Entschädigung. Die kantonale Instanz wies die Beschwerde am 13. September 2023 ab, bestätigte die Verweigerung der Entschädigung und auferlegte den Beschwerdeführern die Kosten des kantonalen Beschwerdeverfahrens.
2. Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht
A._ und B._ erhoben Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragten im Wesentlichen, das Urteil der kantonalen Instanz aufzuheben und ihnen Entschädigungen für die Voruntersuchung gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a aStPO in der Höhe von Fr. 8'464.20 bzw. Fr. 5'276.25 zuzusprechen, eventuell die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht vereinigte die beiden Beschwerden (7B_788/2023 und 7B_803/2023), da sie sich gegen denselben Entscheid richteten, den gleichen Sachverhalt betrafen und identische Rechtsfragen aufwarfen. Es stellte die Zulässigkeit der Beschwerde fest, da Entscheide über Entschädigungsansprüche nach Art. 429 ff. StPO anfechtbar sind und die Beschwerdeführer als Parteien, denen die Entschädigung verweigert wurde, zur Beschwerde legitimiert sind.
Als anwendbares Recht stellte das Bundesgericht klar, dass die StPO-Bestimmungen in der Fassung vom 13. September 2023, dem Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids, massgebend seien. Insbesondere die am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Änderungen von Art. 429 StPO finden daher keine Anwendung.
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
3.1. Anwendbare Normen (Art. 429 Abs. 1 lit. a aStPO und Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO) Das Bundesgericht erläuterte die Rechtsgrundlagen für die Entschädigung im Falle eines Verfahrensabschlusses ohne Verurteilung: * Art. 429 Abs. 1 lit. a aStPO: Der ganz oder teilweise freigesprochene Angeschuldigte oder die Person, gegen die das Verfahren eingestellt wurde, hat Anspruch auf Entschädigung für die notwendigen Aufwendungen zur angemessenen Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Dies schliesst grundsätzlich auch die Kosten für die anwaltliche Verteidigung ein. Die Bestimmung gilt gemäss Rechtsprechung auch für eine Nichteintretensverfügung nach Art. 310 StPO. Die Beiziehung eines Anwalts gilt nur ausnahmsweise als nicht angemessen, etwa wenn das Verfahren nach einer ersten Einvernahme eingestellt wird. * Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO: Die Strafbehörde kann die Entschädigung oder Genugtuung kürzen oder verweigern, wenn der Beschuldigte das Verfahren widerrechtlich und schuldhaft veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat. Diese Bestimmung ist das Gegenstück zu Art. 426 Abs. 2 StPO (Kostenauflage bei Freispruch/Einstellung). Die Kostenfrage präjudiziert die Entschädigungsfrage: Trägt der Beschuldigte die Kosten nach Art. 426 Abs. 1 oder 2 StPO, ist eine Entschädigung in der Regel ausgeschlossen. Trägt der Staat die Kosten, hat der Beschuldigte grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung; eine Abweichung hiervon ist nur ausnahmsweise zulässig.
3.2. Verhältnis zur Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 1 StPO, 32 Abs. 1 BV, 6 Abs. 2 EMRK) Das Bundesgericht betonte die Bedeutung der Unschuldsvermutung. Eine Kostenauflage oder die Verweigerung einer Entschädigung im Falle eines Freispruchs, einer Einstellung oder einer Nichteintretensverfügung darf nicht auf der Annahme beruhen, der Betroffene sei dennoch schuldig. Eine solche Benachteiligung ist nur zulässig, wenn der Betroffene die Eröffnung des Strafverfahrens widerrechtlich und schuldhaft veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat. Dabei muss das vorgeworfene Verhalten eine klare Verletzung einer geschriebenen oder ungeschriebenen Verhaltensnorm darstellen, die sich aus der gesamten schweizerischen Rechtsordnung ergibt (analoge Anwendung von OR-Grundsätzen). Eine Kostenauflage ist nur gerechtfertigt, wenn die Behörde aufgrund des widerrechtlichen Verhaltens des Beschuldigten legitimiert war, eine Untersuchung einzuleiten. Sie ist ausgeschlossen, wenn die Behörde aus Übereifer, falscher Sachverhaltsanalyse oder Übereilung gehandelt hat. Die Auferlegung von Kosten bei Freispruch oder Einstellung muss die Ausnahme bleiben. Der Entscheid darf nur auf unbestrittenen oder klar festgestellten Tatsachen beruhen.
3.3. Würdigung der kantonalen Begründung durch das Bundesgericht Das Bundesgericht prüfte die Begründung der kantonalen Instanz, wonach den Beschwerdeführern gestützt auf Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO keine Entschädigung zustehe. Die kantonale Instanz hatte argumentiert, die Beschwerdeführer hätten das Gesuch um KAE für April 2020 wahrheitswidrig ausgefüllt, indem sie angaben, B.__ habe zu 100% für zwei verschiedene Gesellschaften gearbeitet. Dies stelle eine klare Verletzung des Verbots gemäss Art. 106 Abs. 4 AVIG dar (Pflicht zur wahrheitsgemässen Ausfüllung von Formularen), was ein klar schuldhaftes, rechtswidriges Verhalten sei und die Eröffnung einer Strafuntersuchung gerechtfertigt habe.
Das Bundesgericht hielt diese Begründung für fehlerhaft und unvereinbar mit der Unschuldsvermutung: * Das Ministère public hatte Nichteintreten auf alle Vorwürfe verfügt, einschliesslich der eventualiter erhobenen Widerhandlung gegen Art. 106 AVIG (sowie weitere vom ORCT in Betracht gezogene, aber nicht verfolgte Delikte). * Die Begründung der kantonalen Instanz, die Beschwerdeführer hätten "das Verbot gemäss Art. 106 Abs. 4 AVIG verletzt", stelle eine schlichte Schuldfeststellung in Bezug auf eine Straftat dar, auf die gerade nicht eingetreten wurde oder die zumindest zu keiner formellen Untersuchung führte. Dies verstosse klar gegen die Unschuldsvermutung. Gemäss Rechtsprechung (zit. Urteil 6B_391/2014) ist eine solche implizite Schuldfeststellung unzulässig, insbesondere wenn sich die Begründung des Kosten- oder Entschädigungsentscheids auf eine Straftat stützt, die gar nicht Gegenstand der Untersuchung war. * Die kantonale Instanz habe zudem nicht dargelegt, inwiefern die Beschwerdeführer eine andere klare Verhaltensnorm im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung (nicht die inkriminierte Straftat selbst) widerrechtlich und schuldhaft verletzt hätten, die geeignet gewesen wäre, die Einleitung des Verfahrens zu veranlassen oder dessen Durchführung zu erschweren. Die ORCT-Ermittlungen betrafen auch andere mögliche Verstösse (Meldepflichten etc.), doch auch diesbezüglich fehle eine solche Darlegung.
3.4. Fazit des Bundesgerichts Da die kantonale Instanz die Entschädigung allein mit einer Begründung verweigert hat, die mit der Unschuldsvermutung unvereinbar ist und die Voraussetzungen von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO (Veranlassung des Verfahrens durch anderes schuldhaftes und widerrechtliches Verhalten) nicht erfüllt, ist Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO in diesem Fall nicht anwendbar. Die Verweigerung der Entschädigung war daher zu Unrecht gestützt auf diese Bestimmung erfolgt.
Das Bundesgericht hob das Urteil der kantonalen Instanz auf und wies die Sache an diese zurück. Die kantonale Instanz muss nun prüfen, ob und in welchem Umfang die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Aufwendungen Kosten für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a aStPO darstellen. Das Bundesgericht verzichtete darauf, diese Frage selbst zu entscheiden, da die Beurteilung der Angemessenheit der anwaltlichen Tätigkeit primär Sache der Strafbehörden ist, die über ein erhebliches Ermessen verfügen. Es gab jedoch zu bedenken, dass die Rechtsprechung für die Annahme, die Beiziehung eines Anwalts sei nicht angemessen, aussergewöhnliche Umstände verlange. Angesichts der Natur der vorgeworfenen Delikte und des Umfangs und der Dauer der ORCT-Untersuchung seien solche aussergewöhnlichen Umstände hier kaum gegeben (was die kantonale Instanz selbst zweifelhaft fand).
4. Kosten und Entschädigung im Verfahren vor Bundesgericht
Da die Beschwerdeführer mit ihren Begehren obsiegten und anwaltlich vertreten waren, wurden ihnen Parteientschädigungen zulasten des Kantons Neuenburg zugesprochen (je Fr. 1'500.-). Es wurden keine Gerichtskosten erhoben.
5. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte