Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_865/2024 vom 10. Juni 2025:
Einleitung
Das Urteil des Bundesgerichts 5A_865/2024 befasst sich mit der Frage der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine betreibungsrechtliche Verfügung, die einen Rechtsvorschlag festhält, insbesondere im Kontext von Zustellungsmängeln und Nichtigkeit. Die Beschwerdeführerin (Gläubigerin) focht den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern (kantonale Aufsichtsbehörde) an, das auf ihre Beschwerde gegen eine Verfügung des Betreibungsamts (Dienststelle Oberland Ost) nicht eingetreten war. Kern der Auseinandersetzung war die Gültigkeit eines Rechtsvorschlags, der von einer Drittpfandeigentümerin erhoben worden sein soll.
Sachverhalt (Relevante Auszüge)
- Ausgangslage: Die A._ AG (Gläubigerin) leitete im November 2023 eine Betreibung auf Faustpfandverwertung gegen die B._ Ltd (Schuldnerin) und die C.__ Ltd (Drittpfandeigentümerin der Pfänder, Fahrwerke) ein.
- Erste Zustellung: Die Zahlungsbefehle wurden im November 2023 über Rechtshilfe an Schuldnerin und Drittpfandeigentümerin zugestellt (angeblich am 20. bzw. 23. November 2023). Es wurde kein Rechtsvorschlag erhoben.
- Zusätzliche Publikation: Die Zahlungsbefehle wurden am 13. Dezember 2023 zusätzlich amtlich publiziert.
- Zweite "Zustellung" per E-Mail und Reaktion: Am 31. Januar 2024 sandte die Dienststelle Oberland Ost eine E-Mail an eine Kontaktperson der Drittpfandeigentümerin, wies auf die erfolgte Zustellung und Publikation ohne Rechtsvorschlag hin und bat um Bestätigung. Am 9. Februar 2024 antwortete der General Counsel der Drittpfandeigentümerin, dass seine Firmengruppe nicht Eigentümerin der Pfänder sei und benannte andere potenzielle Eigentümer. Er regte an, den Zahlungsbefehl an den tatsächlichen Eigentümer oder ein Tochterunternehmen auszustellen.
- Betreibungsamtliche Feststellung des Rechtsvorschlags: Gestützt auf das Schreiben vom 9. Februar 2024 vermerkte die Dienststelle Oberland Ost am 22. März 2024 auf dem Zahlungsbefehlsdoppel, dass die Drittpfandeigentümerin Rechtsvorschlag erhoben habe. Diese Verfügung wurde der Gläubigerin am 25. März 2024 zugestellt.
- Gläubigerin wendet sich gegen Rechtsvorschlag (verspätet): Erst am 11. September 2024 machte die A.__ AG gegenüber der Dienststelle geltend, der Rechtsvorschlag sei ungültig, da bereits nach der ersten Zustellung kein Rechtsvorschlag erhoben worden sei und das Schreiben vom 9. Februar 2024 keinen gültigen Rechtsvorschlag darstelle. Sie legte gleichzeitig ein Verwertungsbegehren bei.
- Betreibungsamt beharrt auf Gültigkeit: Die Dienststelle hielt am 19. September 2024 an der Gültigkeit des Rechtsvorschlags fest und retournierte das Verwertungsbegehren.
- Kantonale Beschwerde: Die A.__ AG erhob am 5. Oktober 2024 Beschwerde beim Obergericht mit dem Antrag, den Rechtsvorschlag zu beseitigen und das Verwertungsbegehren anzunehmen.
- Entscheid der Aufsichtsbehörde: Das Obergericht trat mit Entscheid vom 29. November 2024 auf die Beschwerde nicht ein.
Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte primär, ob das Obergericht zu Recht nicht auf die kantonale Beschwerde eingetreten ist.
- Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden gemäss Art. 72 Abs. 2 Bst. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG grundsätzlich zulässig ist. Dies betrifft die Zulässigkeit vor dem Bundesgericht, nicht die vorinstanzliche Frage des Eintretens durch das Obergericht.
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Zulässigkeit der kantonalen Beschwerde (Kernpunkt): Das Bundesgericht prüfte die Begründung des Obergerichts für das Nichteintreten.
- Massgebende Verfügung und Frist: Das Obergericht hatte argumentiert, dass die anfechtbare Verfügung jene vom 22. März 2024 sei, mit der das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag festhielt. Diese wurde der Gläubigerin am 25. März 2024 zugestellt. Die Beschwerdefrist von 10 Tagen gemäss Art. 17 SchKG begann am 26. März 2024 zu laufen und endete nach den Betreibungsferien am 10. April 2024. Die Beschwerdeführerin reagierte jedoch erst am 11. September 2024 gegenüber dem Betreibungsamt und erhob erst am 5. Oktober 2024 Beschwerde beim Obergericht.
- Schreiben vom 19. September 2024: Das Bundesgericht bestätigte die Auffassung des Obergerichts, dass das Schreiben des Betreibungsamts vom 19. September 2024, mit dem es an seiner früheren Ansicht festhielt und das Verwertungsbegehren retournierte, keine neue, anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 17 SchKG darstellt. Es handle sich lediglich um eine Bestätigung der bereits am 22. März 2024 getroffenen behördlichen Feststellung des Rechtsvorschlags. Eine Beschwerde gegen eine Verfügung, die lediglich eine frühere Verfügung bestätigt, ist unzulässig (unter Verweis auf BGE 142 III 643 E. 3.2 und Lehre/weitere Urteile).
- Argument der Beschwerdeführerin gegen die Bestätigungsnatur: Die Beschwerdeführerin hatte zwar geltend gemacht, aus der Zustellung vom 22. März 2024 sei nicht hervorgegangen, dass das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag als gültig erachtete. Das Bundesgericht verwarf dies, da der Vermerk auf dem Zahlungsbefehlsdoppel die Erhebung des Rechtsvorschlags festhielt, was implizit dessen Gültigkeit aus Sicht des Amtes bescheinigt. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht die Sachverhaltsfeststellung des Obergerichts angefochten, wonach das Schreiben vom 19. September 2024 eine blosse Bestätigung sei.
- Rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV): Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs, da das Obergericht nicht auf ihre Beschwerde eingetreten sei und die von ihr geltend gemachten Mängel (insb. Nichtigkeit der Zustellung und des Rechtsvorschlags) nicht geprüft habe. Sie argumentierte, sie habe die relevanten Umstände (erste Zustellung ohne Rechtsvorschlag, Inhalt des Schreibens der Drittpfandeigentümerin, Art der zweiten Zustellung) bei Erhalt der Verfügung vom 22. März 2024 nicht erkennen können. Das Bundesgericht stellte klar, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Vorbringen geprüft und berücksichtigt werden, aber nicht dazu dient, das materielle Prozessrecht auszuhebeln. Ob die Beschwerde zulässig ist (hier: ob die Frist gewahrt wurde), ist eine Frage der Anwendung prozessrechtlicher Bestimmungen, nicht des rechtlichen Gehörs. Das Obergericht hat die Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen und dargelegt, weshalb es aus prozessrechtlichen Gründen nicht darauf eintreten konnte. Eine Gehörsverletzung liegt daher nicht vor.
- Folge verpasster Frist: Da die Beschwerdefrist für die Verfügung vom 22. März 2024 unbestritten abgelaufen war, als die Beschwerdeführerin sich am 11. September/5. Oktober 2024 an das Betreibungsamt bzw. Obergericht wandte, hat das Obergericht zu Recht nicht auf die Beschwerde vom 5. Oktober 2024 eintreten können. Dies bedeutet, dass die Frage, ob die Zustellung vom 20. November 2023 rechtsgültig war und ob hiergegen Rechtsvorschlag erhoben wurde, nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Obergericht war und folglich auch nicht Gegenstand des vorliegenden Bundesgerichtsverfahrens sein kann.
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Nichtigkeit (Art. 22 SchKG): Das Bundesgericht prüfte schliesslich, ob sich das Obergericht unabhängig von der Fristwahrung mit der Nichtigkeit einer Betreibungshandlung hätte befassen müssen (Art. 22 Abs. 1 SchKG verlangt die Feststellung der Nichtigkeit von Amtes wegen).
- Anwendungsbereich von Art. 22 SchKG: Das Bundesgericht stellte klar, dass Art. 22 SchKG gemäss seinem Wortlaut nur Verfügungen der Zwangsvollstreckungsbehörden erfasst.
- Nichtigkeit der Zustellung vs. Nichtigkeit des Rechtsvorschlags/Vermerks: Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Zustellung vom 30./31. Januar 2024 per E-Mail sei wegen Verletzung staatsvertraglicher Zustellungsbestimmungen (HZÜ) und Art. 66 Abs. 3 SchKG nichtig. Diese angebliche Nichtigkeit der Zustellung führe zur Nichtigkeit des daraufhin festgestellten Rechtsvorschlags. Das Bundesgericht wies diese Argumentation zurück:
- Der Rechtsvorschlag selbst (die Erklärung des Betriebenen) ist keine Betreibungshandlung im Rechtssinne und keine behördliche Verfügung. Er kann daher nicht nach Art. 22 SchKG nichtig sein.
- Nach der Rechtsprechung (BGE 91 III 1 E. 3) bleibt ein Rechtsvorschlag auch dann beachtlich, wenn er auf eine nachträglich als fehlerhaft erwiesene Zustellung hin erklärt wurde. Daher führt die angebliche Nichtigkeit der Zustellung vom 30./31. Januar 2024 nicht zur Nichtigkeit des Rechtsvorschlags der Drittpfandeigentümerin (Feb. 9, 2024) oder zur Nichtigkeit des behördlichen Vermerks (März 22, 2024).
- Nichtigkeit des behördlichen Vermerks: Die einzige Handlung, die potenziell nach Art. 22 SchKG nichtig sein könnte, ist der Vermerk des Betreibungsamts vom 22. März 2024, der den Rechtsvorschlag festhielt. Für die Nichtigkeit dieses Vermerks müssten Vorschriften verletzt worden sein, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen wurden (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 SchKG). Die Beschwerdeführerin hatte die angeblichen Mängel (unzureichende Frist für Rechtsvorschlag auf Basis der E-Mail-Zustellung, Inhalt des Schreibens als kein eigentlicher Rechtsvorschlag) geltend gemacht, aber nicht dargelegt, dass diese Mängel die strengen Voraussetzungen für eine Nichtigkeit des behördlichen Vermerks erfüllen würden. Das Bundesgericht sah dies auch nicht als ersichtlich an. Solche Mängel würden allenfalls die Ungültigkeit des Rechtsvorschlags betreffen, nicht aber die Nichtigkeit des Vermerks durch das Amt.
- Fazit zur Nichtigkeit: Es lagen keine Gründe für eine Nichtigkeit gemäss Art. 22 SchKG vor, die das Obergericht von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen.
Ergebnis
Da die kantonale Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichts weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine zu beachtende Nichtigkeit einer Betreibungshandlung im Sinne von Art. 22 SchKG aufzeigte, bestätigte das Bundesgericht, dass das Obergericht zu Recht nicht auf die verspätete Beschwerde der A.__ AG eingetreten ist. Die Beschwerde an das Bundesgericht wurde daher abgewiesen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Gläubigerin gegen den Nichteintretensentscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde ab. Die Beschwerdeführerin hatte die Verfügung des Betreibungsamts, die einen Rechtsvorschlag festhielt, zu spät (ausserhalb der 10-tägigen Frist gemäss Art. 17 SchKG) angefochten. Ein späteres Schreiben des Betreibungsamts, das seine Position bestätigte, begründete keine neue Beschwerdefrist. Das Gericht verneinte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da dieses nicht prozessrechtliche Vorschriften aushebelt. Es prüfte zudem von Amtes wegen mögliche Nichtigkeit (Art. 22 SchKG), verneinte diese aber, da die behaupteten Mängel (unzureichende Zustellung, mangelhafter Inhalt des Rechtsvorschlags) nicht die strengen Voraussetzungen für die Nichtigkeit der behördlichen Feststellung des Rechtsvorschlags erfüllen. Die materielle Frage, ob der Rechtsvorschlag gültig war, musste aufgrund der verpassten Beschwerdefrist nicht geprüft werden.