Zusammenfassung von BGer-Urteil 8C_742/2024 vom 11. Juni 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 8C_742/2024 vom 11. Juni 2025:

1. Einführung

Das Urteil des Bundesgerichts (IV. öffentlich-rechtliche Abteilung) vom 11. Juni 2025 (8C_742/2024) befasst sich mit der Frage des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung (ALE) und der damit verbundenen Rückerstattungspflicht im Zusammenhang mit einer Person, die neben ihrer Anstellung als administrativer Direktor auch Mitglied des Verwaltungsrats ihres Arbeitgebers war. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die Vorinstanz (Kantonales Versicherungsgericht Freiburg) zu Recht entschieden hat, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Stellung im Verwaltungsrat als einer arbeitgeberähnlichen Person galt und somit von ALE-Leistungen ausgeschlossen war.

2. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, A._, war ab dem 1. März 2022 als administrativer Direktor bei der B._ SA angestellt. Zudem war er Mitglied und Sekretär des Verwaltungsrats mit Kollektivunterschrift zu zweit. Am 20. März 2023 wurde ihm aus wirtschaftlichen Gründen auf den 1. April 2023 gekündigt. Er meldete sich arbeitslos und bezog ab dem 1. April 2023 ALE.

Die Arbeitslosenkasse SYNA verneinte mit zwei Verfügungen vom 6. September 2023 den Anspruch auf ALE. Sie begründete dies mit der Stellung des Versicherten als Verwaltungsratsmitglied und Sekretär der B.__ SA, was einer arbeitgeberähnlichen Stellung gleichkomme. Die zu Unrecht bezogenen Taggelder für April bis Juli 2023 in Höhe von 15'955.30 CHF wurden zur Rückerstattung verlangt.

Mit Einspracheentscheiden vom 27. September 2023 bestätigte die Kasse ihre Entscheide. Sie führte aus, der Versicherte sei bis zum XXX September 2023 im Handelsregister eingetragen gewesen und habe bis dahin eine arbeitgeberähnliche Stellung innegehabt, was den Leistungsanspruch ausschliesse. Die Voraussetzungen für die Rückerstattung seien erfüllt.

3. Vorinstanzliches Verfahren und Entscheid

Die Cour des assurances sociales des Kantons Freiburg wies mit Urteil vom 15. November 2024 die Beschwerde des Versicherten gegen die Einspracheentscheide der Kasse ab. Das kantonale Gericht bestätigte die Auffassung der Kasse, dass die blosse Stellung als Verwaltungsratsmitglied bereits eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG begründe und zum Ausschluss von ALE führe.

Die Vorinstanz prüfte, ob der Beschwerdeführer vor seiner Löschung aus dem Handelsregister (XXX September 2023) tatsächlich vom Verwaltungsrat zurückgetreten war und damit jegliche Entscheidungsmacht verloren hatte. Das Gericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer bei der Arbeitslosenmeldung seinen Status als Verwaltungsratsmitglied nicht erwähnt hatte. Er hatte zwar das Kündigungsschreiben vom 20. März 2023 vorgelegt, aber nicht das Dokument vom 31. März 2023, das seine "sortie du Conseil d'administration au 31.03.2023" bestätigen sollte. Erst im Rahmen einer Schlichtungsverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24. August 2023 erfuhr die Kasse von seiner Eintragung im Handelsregister.

Das kantonale Gericht erachtete die rechtliche Tragweite des Dokuments vom 31. März 2023 als begrenzt, da es bis September 2023 wirkungslos blieb. Eine ausserordentliche Generalversammlung am 20. September 2023 war notwendig, um die Abberufung seines Verwaltungsratsmandats zu ratifizieren. Die Vorinstanz meinte, der Beschwerdeführer könne sich nicht auf die "laxisme administratif" des VR-Präsidenten bezüglich der späten Handelsregisterlöschung berufen. Vielmehr habe er eine gewisse Einflussnahme auf die Gesellschaft gehabt, da nach dem 4. September 2023 (Datum, an dem die Kasse ihn über die Problematik seiner VR-Stellung informierte) verschiedene Schritte folgten.

Schliesslich befand das kantonale Gericht, dass die Aktenlage nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belege, dass der Beschwerdeführer vor seiner Löschung aus dem Handelsregister tatsächlich keinerlei Entscheidungsmacht mehr in der Gesellschaft hatte. Die Beweisanträge des Beschwerdeführers (Zeugen, Protokoll der Generalversammlung) erschienen nicht geeignet, ein anderes Licht auf die Sache zu werfen. Folglich wurde der ALE-Anspruch zu Recht verneint und die Rückerstattungspflicht bejaht.

4. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht

Der Beschwerdeführer rügte im Wesentlichen eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts und eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Er bestritt, nach der Kündigung und dem Schreiben vom 31. März 2023 noch eine arbeitgeberähnliche Stellung innegehabt zu haben. Er machte geltend, dass die Kündigung und das Schreiben vom 31. März 2023 sowohl das Arbeitsverhältnis als auch seine Stellung als Verwaltungsratsmitglied per 1. April 2023 beendet hätten. Neu brachte er vor, er sei im Juni 2022 nur für ein Jahr in den Verwaltungsrat gewählt worden, sodass sein Mandat in jedem Fall am 30. Juni 2023 geendet hätte.

Er warf der Vorinstanz vor, sein Recht auf Gehör verletzt zu haben, indem sie seine Beweisanträge (insbesondere die Edition des Protokolls der Generalversammlung vom 23. Juni 2022 zur Dauer seines Mandats) nicht abgenommen habe. Er argumentierte, massgeblich sei das effektive Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat und nicht das Datum der Handelsregistereintragung. Die beantragten Beweismittel hätten gezeigt, dass er den Verwaltungsrat tatsächlich verlassen habe.

Zudem rügte er die Verletzung des Rechts auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) im Zusammenhang mit der Wahl von Kantons- und Bundesrichtern und deren Parteizugehörigkeit.

5. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der relevanten Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) und der dazu ergangenen Rechtsprechung.

  • Zur arbeitgeberähnlichen Stellung (Art. 8 ff. AVIG, Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG): Das Bundesgericht verwies auf seine ständige Rechtsprechung (insb. ATF 123 V 234), wonach Arbeitnehmer, die eine arbeitgeberähnliche Stellung innehaben und die Entscheidungen des Arbeitgebers massgeblich bestimmen oder beeinflussen können, grundsätzlich keinen Anspruch auf ALE haben, selbst wenn sie formell entlassen wurden. Dies diene dazu, eine Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung (KAE) – namentlich Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG – zu verhindern. Gemäss dieser Bestimmung haben unter anderem Personen, die als Gesellschafter, Mitglieder eines obersten betrieblichen Organs oder Inhaber einer finanziellen Beteiligung die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder erheblich beeinflussen können, keinen KAE-Anspruch.

    • Massgebliche Kriterien: Die Möglichkeit, den Entscheidungsprozess massgeblich zu beeinflussen, bemisst sich nach den internen Verhältnissen der Gesellschaft und den konkreten Umständen (ATF 145 V 200).
    • Gesetzlich begründete Einflussnahme: Eine Ausnahme von dieser konkreten Prüfung besteht, wenn die Entscheidungsmacht direkt aus dem Gesetz folgt, wie z.B. bei Mitgliedern des Verwaltungsrats einer AG (Art. 716 ff. OR) oder Geschäftsführern einer GmbH (Art. 804 ff. OR). Bei diesen kann der Anspruch auf Leistungen ohne weitere Abklärung ihrer spezifischen Verantwortlichkeiten ausgeschlossen werden (ATF 145 V 200, 122 V 270).
    • Zeitpunkt des Ausscheidens: Entscheidend für die Beendigung des Leistungsausschlusses ist das effektive Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat und nicht das Datum der Handelsregisterlöschung (ATF 126 V 134).
  • Zur Rüge der Verletzung des Anspruchs auf ein unabhängiges Gericht: Das Bundesgericht wies diese Rüge als ungenügend begründet und verspätet zurück (Art. 42 Abs. 2 BGG). Allgemeine Bedenken bezüglich der Wahl von Richtern oder deren Parteizugehörigkeit genügten nicht, um die Besorgnis der Befangenheit im konkreten Fall darzulegen. Zudem hätte eine solche Rüge, sofern sie begründet gewesen wäre, unverzüglich vorgebracht werden müssen (ATF 148 V 225).

  • Zur Rüge der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung und Verletzung des Gehörsanspruchs: Hier gab das Bundesgericht dem Beschwerdeführer teilweise Recht.

    • Das Bundesgericht bekräftigte, dass die Vorinstanz im Grundsatz zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Stellung als Verwaltungsratsmitglied eine beherrschende Stellung im Sinne der Rechtsprechung begründet und grundsätzlich zum Ausschluss vom ALE-Anspruch führt, solange diese Stellung besteht.
    • Die Vorinstanz hat auch korrekt erkannt, dass der massgebliche Zeitpunkt für das Ende der arbeitgeberähnlichen Stellung das effektive Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat ist und nicht die Löschung im Handelsregister (in Übereinstimmung mit ATF 126 V 134).
    • Allerdings hat die Vorinstanz die Beweisanträge des Beschwerdeführers, namentlich die Edition des Generalversammlungsprotokolls vom 23. Juni 2022, unzulässigerweise abgewiesen. Die Vorinstanz hatte diese Beweismittel im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung als nicht geeignet erachtet, ein anderes Licht auf die Frage der Entscheidungsmacht bis zur Handelsregisterlöschung zu werfen.
    • Das Bundesgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer vorgebracht hatte, er sei im Juni 2022 nur für ein Jahr in den Verwaltungsrat gewählt worden, was bedeuten würde, dass sein Mandat am 30. Juni 2023 in jedem Fall geendet hätte. Wenn diese Behauptung zutrifft, wäre sein effektives Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat per 30. Juni 2023 nachgewiesen, ungeachtet der verspäteten Handelsregisterlöschung.
    • Folglich war das beantragte Beweismittel (das Protokoll der Generalversammlung vom 23. Juni 2022) relevant zur Klärung des effektiven Enddatums seines Verwaltungsratsmandats. Die Weigerung der Vorinstanz, dieses Beweismittel abzunehmen, stellte eine Verletzung des Gehörsanspruchs (Recht auf Beweis) dar, da die antizipierte Beweiswürdigung bezüglich dieses spezifischen Punktes (Dauer des Mandats) willkürlich war.
    • Das Bundesgericht hielt jedoch fest, dass die Kündigung des Arbeitsvertrags und das Dokument vom 31. März 2023 allein nicht ausreichen, um ein definitives Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat und den Verlust jeglicher massgeblichen Einflussnahme bereits per 1. April 2023 zu belegen. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie den ALE-Anspruch für den Zeitraum ab 1. April 2023 (und jedenfalls bis zum 30. Juni 2023, falls das Mandat ein Jahr dauerte) verneinte.
  • Zur Rückweisung: Aufgrund der festgestellten Verletzung des Gehörsanspruchs im Zusammenhang mit der Klärung der Mandatsdauer per 30. Juni 2023 hob das Bundesgericht das Urteil der Vorinstanz teilweise auf. Die Sache wurde zur neuen Entscheidung an das kantonale Gericht zurückgewiesen. Dieses hat nun das effektive Ausscheiden des Beschwerdeführers als Verwaltungsratsmitglied per 30. Juni 2023 (unter Berücksichtigung der Mandatsdauer gemäss Generalversammlungsprotokoll) zu prüfen und danach erneut über den Anspruch auf ALE und den zurückzuerstattenden Betrag zu entscheiden.

6. Ergebnis

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde teilweise gut, soweit sie zulässig war. Das Urteil der Vorinstanz wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das kantonale Gericht zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

7. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Die zentralen Punkte des Urteils sind:

  • Personen, die aufgrund ihrer Stellung in einem Organ (wie z.B. einem Verwaltungsrat einer AG) die Entscheidungen des Arbeitgebers massgeblich beeinflussen können, gelten als arbeitgeberähnliche Personen und sind grundsätzlich vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG analog).
  • Dieser Ausschluss gilt, solange die arbeitgeberähnliche Stellung besteht. Massgeblich ist das effektive Ausscheiden aus dem Organ (z.B. Rücktritt aus dem Verwaltungsrat), nicht das Datum der Löschung der Eintragung im Handelsregister (ATF 126 V 134).
  • Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) umfasst das Recht, relevante Beweismittel beizubringen und deren Abnahme zu verlangen. Eine antizipierte Beweiswürdigung, die zur Abweisung eines relevanten Beweismittels führt, ist willkürlich und verletzt den Gehörsanspruch.
  • Im vorliegenden Fall war das Generalversammlungsprotokoll, das die Dauer des Verwaltungsratsmandats festlegen könnte, ein relevantes Beweismittel zur Klärung des effektiven Enddatums der arbeitgeberähnlichen Stellung (insbesondere der Behauptung, das Mandat sei am 30. Juni 2023 ausgelaufen).
  • Die Vorinstanz hat den Gehörsanspruch des Beschwerdeführers verletzt, indem sie dieses relevante Beweismittel nicht abgenommen hat.
  • Das Bundesgericht weist die Sache an die Vorinstanz zurück, damit diese das effektive Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat unter Berücksichtigung aller relevanten Beweismittel (insbesondere des Generalversammlungsprotokolls) neu prüft und gestützt darauf über den ALE-Anspruch und die Rückerstattungspflicht entscheidet.

Das Urteil präzisiert erneut, dass bei Organmitgliedern der Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens und nicht die Handelsregisterlöschung entscheidend ist und betont die Bedeutung des Gehörsanspruchs bei der Sachverhaltsabklärung relevanter Daten wie der Mandatsdauer.