Absolut. Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des genannten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts:
Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 1C_285/2024 vom 2. Mai 2025
1. Gegenstand des Urteils
Das Urteil des Bundesgerichts 1C_285/2024 vom 2. Mai 2025 betrifft einen Rekurs gegen einen Entscheid des Waadtländer Kantonsgerichts (Cour de droit administratif et public, CDAP) vom 28. März 2024. Streitgegenstand ist eine Baubewilligung für den Abbruch eines bestehenden Gebäudes und die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern in Lausanne. Kernpunkte des Rechtsstreits waren die Einhaltung der kantonalen und kommunalen Ästhetikklausel im Hinblick auf die Integration des Projekts in die Umgebung, insbesondere in ein im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) verzeichnetes Gebiet, sowie eine Frage des Verfahrensrechts bei der Bewilligung zur Fällung eines Baumes (öffentliche Auflage).
2. Sachverhalt
Die Beschwerdegegnerin B.__ SA ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 6383 in Lausanne, gelegen in einer gemischten Zone geringer Dichte und im ISOS-Perimeter 21 (national bedeutend, Kategorie AB, Schutzziel A: integrale Erhaltung). Im Norden grenzen Grundstücke derselben Eigentümerin an, die eine Privatschule beherbergen und als historischer Garten sowie mit inventarisierten Gebäuden (Note 3 und 4) im Inventar des Kantons Waadt verzeichnet sind. Südlich der Parzelle beginnt der ISOS-Perimeter 20 (Schutzgrad C), westlich grenzt das Gebiet Environnant V des Parc Mon-Repos mit dem Bundesgerichtsgebäude an (Schutzziel "a").
Die Bauherrin beantragte eine Baubewilligung für den Abbruch eines alten Schulgebäudes und die Errichtung von zwei aneinandergebauten Mehrfamilienhäusern. Gegen das Projekt, das nach Einsprachen und behördlichen Vorprüfungen modifiziert wurde, erhob unter anderem die Beschwerdeführerin A.__ SA, Eigentümerin einer benachbarten Parzelle, Einsprache. Die Gemeinde erteilte die Baubewilligung sowie eine Komplementärbewilligung für das modifizierte Projekt und wies die Einsprachen ab. Während des Verfahrens vor Kantonsgericht wurde die Fällung eines zusätzlichen Baumes bewilligt, was ebenfalls angefochten wurde. Das Kantonsgericht vereinigte die Verfahren, erklärte den ursprünglichen Rekurs als gegenstandslos und wies die Rekurse gegen die modifizierte Bewilligung und die Baumfällung ab. Das Bundesgericht wurde angerufen. Das Bundesamt für Kultur (BAK) wurde angefragt und stellte fest, dass das Projekt das ISOS nur teilweise berücksichtige und die Mindestanforderungen des Perimeters 21 nur minimal erfülle, ohne dessen bemerkenswerten Charakter grundlegend in Frage zu stellen. Eine Vervielfachung solcher Bauten würde dem Schutzziel entgegenlaufen, das Projekt sei aber angesichts der Projektgeschichte und der Verbesserungen zulässig.
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hatte im Wesentlichen zwei Hauptpunkte zu prüfen: die Anwendung der Ästhetikklausel im kantonalen und kommunalen Recht sowie einen behaupteten Verfahrensmangel bei der Bewilligung zur Baumfällung.
3.1. Anwendung der Ästhetikklausel und Integration des Projekts (Erwägung 3)
- Anwendbares Recht und Prüfungsmassstab: Das Gericht legte die relevanten kantonalen (Art. 86 Abs. 1 und 2 des Waadtländer Gesetzes über die Raumplanung und das Bauwesen, LATC) und kommunalen (Art. 69 des Reglements über die allgemeinen Zonenplanung, RPGA Lausanne) Bestimmungen dar, die vorschreiben, dass Bauten architektonisch befriedigend sein und sich in die Umgebung einfügen müssen. Bewilligungen sind zu verweigern, wenn sie geeignet sind, das Aussehen und den Charakter eines Ortes, Quartiers oder einer Strasse zu beeinträchtigen oder das Aussehen eines wertvollen Gebäudes zu schädigen. Das Bundesgericht erinnerte daran, dass die Anwendung der Ästhetikklausel nicht dazu führen darf, die geltenden Zonenvorschriften generell zu entleeren. Eine Untersagung eines reglementkonformen Projekts aufgrund der Ästhetikklausel ist nur bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse gerechtfertigt, wenn die Nutzung der reglementarischen Baumöglichkeiten als unvernünftig erscheint (unter Verweis auf ständige Rechtsprechung, z.B. BGE 115 Ia 114 E. 3d). Dies kann der Fall sein, wenn ein Standort oder Gebäude von bemerkenswerter ästhetischer Qualität geschützt werden soll, die dem geplanten Bau fehlt oder durch dessen Errichtung gefährdet würde (BGE 101 Ia 213 E. 6c).
- Rolle des ISOS: Das Gericht stellte klar, dass das ISOS bei der Erfüllung kantonaler bzw. kommunaler Aufgaben keine direkt bindende Wirkung entfaltet. Es drückt jedoch ein Bundesinteresse am Schutz des Kulturerbes aus und ist bei der Interessenabwägung im Rahmen der Integration und des Schutzes von Standorten zu berücksichtigen (Hinweis auf neuere Rechtsprechung, z.B. Urteil 1C_572/2022 E. 3.2).
- Prüfung durch das Bundesgericht: Bei der Beurteilung der Anwendung von Ästhetikklauseln übt das Bundesgericht Zurückhaltung, insbesondere im Bereich des Denkmal- und Ortsschutzes, da die lokalen Behörden in diesem Bereich über ein breites Ermessen verfügen (BGE 146 II 367 E. 3). Das Bundesgericht prüft kantonales und kommunales Recht nur auf Willkür (BGE 147 I 433 E. 4.2). Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung eine klare und unbestrittene Rechtsnorm oder einen Grundsatz schwer verletzt oder in krasser Weise dem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. Es genügt nicht, dass die Begründung unhaltbar ist; auch das Ergebnis muss willkürlich sein. Der Beschwerdeführer muss dies gemäss den erhöhten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG darlegen.
- Anwendung im konkreten Fall: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass das Kantonsgericht das Ermessen der Gemeinde bei der Anwendung der Ästhetikklausel nicht missbräuchlich beurteilt hat. Die CDAP habe ihren Entscheid nicht nur auf die Aufzählung von Elementen gestützt, die gegen eine Homogenität des Sektors sprechen, sondern auf ihre eigenen Feststellungen anlässlich des Augenscheins ("heterogener Sektor mit variierter Architektur und unterschiedlichen Volumina") sowie auf das ästhetische und integrative Gutachten des kantonalen Urbanismusdienstes. Dieses Gutachten, das eine gewisse Prävalenz verdiene, da es von Fachleuten erstellt wurde und nicht durch konkrete Elemente in Frage gestellt wird, habe die Nüchternheit und den zeitgenössischen, einfachen Aspekt des Projekts hervorgehoben, seine Ähnlichkeit mit benachbarten Flachdachbauten und die Kohärenz der Fassade im direkten Quartierskontext. Das Gutachten sei zum Schluss gekommen, dass das Projekt zulässig sei, sich integrieren könne und den ISOS-Vorschriften entspreche. Das BAK habe ebenfalls festgehalten, dass das Projekt die Mindestanforderungen des Perimeters 21 erfülle und dessen bemerkenswerte Qualitäten nicht grundlegend in Frage stelle.
- Würdigung der Umgebung und des ISOS: Das Gericht berücksichtigte weiter, dass das Projekt einen ungenutzten Schulhauspavillon ohne besondere ästhetische Qualitäten ersetze und dessen Abbruch nicht gegen die Erhaltung der baulichen Qualitäten des Perimeters verstosse. Die Parzelle befinde sich am südwestlichen Ende des ISOS-Perimeters 21, direkt gegenüber imposanteren Wohngebäuden unterschiedlichen Stils und Alters im ISOS-Perimeter 20. Nördlich befänden sich die Tennisplätze und die überdachte Turnhalle der Beschwerdeführerin, die ebenfalls nicht zu den architektonischen Merkmalen des ISOS-Perimeters 21 beitrügen. Östlich stünden bereits zwei Flachdachgebäude ähnlicher Grösse. Westlich sei die Parzelle vom Parc Mon-Repos und dem Bundesgerichtsgebäude durch Grundstücke mit Wohnhäusern ohne besondere architektonische Qualität getrennt. Angesichts dieser Umgebung sei es für die CDAP nicht unhaltbar gewesen, den heterogenen Charakter des Sektors zu betonen und in die Interessenabwägung einzubeziehen.
- Fazit zur Ästhetik: Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass sich der geplante Bau nicht in die Umgebung integrieren werde oder den ISOS-Perimeter so beeinträchtige, dass dessen Identität oder Schutzziel verändert werde. Die Schutzziele des ISOS seien im Bewilligungsverfahren berücksichtigt worden. Das ISOS allein könne nicht die Verweigerung eines Projekts rechtfertigen, nur weil es nicht in allen Punkten seinen Merkmalen entspreche. Das Risiko eines Präzedenzfalles werde durch die exzentrische Lage der Parzelle im grossen ISOS-Perimeter 21 und die unmittelbare Nähe bereits bestehender Bauten ähnlicher Konzeption relativiert. Die Parzelle scheine architektonisch näher an den ISOS-Perimeter 20 als an den ISOS-Perimeter 21. Die kommunale und kantonale Abwägung sei nicht willkürlich. Der Vorwurf mangelnder Integration wurde zurückgewiesen.
3.2. Baumfällung und öffentliche Auflage (Erwägung 4)
- Anwendbares Recht: Das Gericht erläuterte die kantonalen Bestimmungen zum Schutz des Baumbestands (Art. 14 Abs. 1 des Waadtländer Gesetzes über den Schutz des Natur- und Landschaftserbes, LPrPNP) und die Möglichkeit von Ausnahmen (Art. 15 Abs. 1 LPrPNP). Gemäss der alten Fassung von Art. 15 Abs. 3 aLPrPNP war eine 30-tägige Publikation im Amtsblatt (FAO) erforderlich. Gemäss der seit 1. Juli 2024 gültigen Fassung von Art. 15 Abs. 3ter LPrPNP ist eine FAO-Publikation nur bei bemerkenswerten Bäumen oder in Koordination mit einer Baubewilligung nötig; sonst genügt der Aushang am gemeindlichen Anschlagbrett (Pilier public). Die Übergangsbestimmung (Art. 71 Abs. 1 LPrPNP) besagt, dass die neue LPrPNP auf hängige Verfahren anwendbar ist.
- Verfahrensmangel: Die Bewilligung zur Fällung einer Birke wurde am 7. Februar 2024 erteilt. Der Antrag wurde am Pilier public ausgehängt, obwohl eine Publikation im FAO gemäss beiden Rechtslagen (altes Recht: generelle Regel; neues Recht: Koordination mit Baubewilligung) erforderlich gewesen wäre.
- Heilung des Verfahrensmangels: Für das Kantonsgericht führte das Fehlen der FAO-Publikation nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin und rechtfertigte nicht die Aufhebung der Bewilligung. Das Bundesgericht befand diese Beurteilung als nicht unhaltbar. Es erinnerte an die Rechtsprechung, wonach die öffentliche Auflage zwar dem globalen Rechtsschutz diene, aber ein Verfahrensmangel nicht zur Aufhebung führe, wenn er keinen Einfluss auf das Verfahren gehabt habe (BGE 143 IV 380 E. 1.4.1).
- Anwendung im konkreten Fall: Die Beschwerdeführerin nahm am Augenschein des Kantonsgerichts am 21. November 2023 teil. Sie wusste, dass ein formeller Antrag zur Fällung des Baumes gestellt werden musste und kannte die Position des SPADOM, wonach die Ausnahmebewilligung erteilt würde. Sie machte dabei bereits ihren grundsätzlichen Widerstand geltend. Dank des am Pilier public ausgehängten Antrags kannte sie alle Details der beantragten Ausnahmebewilligung, bevor ihr die Gemeindeentscheidung mitgeteilt wurde. Sie konnte ihre Argumente anschliessend im Rekursverfahren vor der CDAP vollumfänglich geltend machen, wo ihre Rügen materiell geprüft wurden. Ihre Nichtteilnahme an einem früheren Verfahrensstadium (z.B. durch Einsprache aufgrund der FAO-Publikation) hatte somit keine Konsequenzen auf die Behandlung ihrer Sache. Der Verfahrensmangel wurde geheilt.
- Materieller Einwand: Die Beschwerdeführerin hatte im Übrigen nicht dargelegt, weshalb die materielle Bewilligung der Baumfällung an sich eine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts darstelle. Dieser Vorwurf wurde daher ebenfalls zurückgewiesen.
4. Ergebnis
Der Rekurs wurde abgewiesen. Die gerichtlichen Kosten wurden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt. Die anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin erhielt eine Parteientschädigung zugesprochen.
5. Wesentliche Punkte in Kürze
- Das Bundesgericht bestätigte die Baubewilligung und die Bewilligung zur Baumfällung.
- Die Beurteilung der Integration des Projekts in die Umgebung und den ISOS-Perimeter durch das Kantonsgericht basierte auf einer nicht willkürlichen Abwägung der lokalen Gegebenheiten (Augenschein, Gutachten) und der Schutzziele, wobei dem ISOS als Bundesinteresse Rechnung getragen wurde, ohne es zur alleinigen Entscheidungsgrundlage zu machen. Das Projekt wurde als zulässig und integrierbar befunden.
- Ein Verfahrensmangel bei der Publikation des Antrags auf Baumfällung (Aushang am Pilier public statt Publikation im Amtsblatt) wurde als geheilt betrachtet, da die Beschwerdeführerin den Sachverhalt kannte und ihre rechtlichen Argumente vollumfänglich im nachfolgenden Verfahren geltend machen konnte, was ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahrte und den Mangel als einflusslos auf den Verfahrensausgang erscheinen liess.
- Das Bundesgericht wendet bei der Überprüfung der Ästhetik- und Integrationsfragen kantonallen Rechts einen strengen Willkür-Massstab an und übt Zurückhaltung gegenüber dem Ermessen der lokalen Behörden.