Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_258/2024 vom 23. Mai 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts:

Bundesgerichtsurteil 1C_258/2024 und 1C_621/2024 vom 23. Mai 2025

Gegenstand: Baubewilligung und Revisionsgesuch im Zusammenhang mit einem Bauprojekt in der Gemeinde Bassins (VD).

Parteien: * Beschwerdeführer: A._ und B._ (Eigentümer der Parzelle Nr. 140) * Beschwerdegegnerin: Gemeinde Bassins (vertreten durch die Gemeindeverwaltung)

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer einer Parzelle in der Dorfzone der Gemeinde Bassins, auf der sich ein bestehendes Gebäude befindet. Nach der Annullierung eines früheren Bauprojekts durch das kantonale Verwaltungsgericht (CDAP) im Januar 2020 reichten sie im Herbst 2020 ein neues Gesuch für eine Teildemolierung, energetische Sanierung und den Umbau zu fünf Wohnungen mit zwölf Parkplätzen ein. Das Projekt wurde öffentlich aufgelegt und führte zu Einsprachen.

Ein entscheidender Punkt im Sachverhalt betrifft die Gemeindeverwaltung (Municipalité) der Gemeinde Bassins und den Wechsel ihrer Zusammensetzung zum 1. Juli 2021.

  1. Entscheidungen der alten Gemeindeverwaltung (30. Juni 2021): Am 30. Juni 2021, dem letzten Tag der Amtszeit der damaligen Gemeindeverwaltung, versandte diese Schreiben an die Einsprecher und die Beschwerdeführer. Darin wurden die Einsprachen gegen das Bauprojekt aufgehoben und die Erteilung der Baubewilligung in Aussicht gestellt. Diese Schreiben waren vom damaligen Gemeindepräsidenten (Syndic) und der Gemeindeschreiberin unterzeichnet.
  2. Rekurs gegen die Aufhebungsentscheide: Die Einsprecher rekurrierten am 30. Juli 2021 gegen die Aufhebungsentscheide vom 30. Juni 2021 beim CDAP.
  3. Entscheidung der neuen Gemeindeverwaltung (24. August 2021): Die neue, seit 1. Juli 2021 amtierende Gemeindeverwaltung teilte den Beschwerdeführern am 24. August 2021 mit, dass sie die Erteilung der Baubewilligung verweigere, unter anderem wegen nicht reglementarischer Dachöffnungen.
  4. Annullierung der Entscheide vom 30. Juni 2021: Die neue Gemeindeverwaltung informierte das CDAP am 2. September 2021, dass sie die Entscheidungen vom 30. Juni 2021 annulliert habe. Das CDAP schrieb daraufhin den Rekurs der Einsprecher als gegenstandslos ab.
  5. Rekurs der Eigentümer (Beschwerdeführer): Die Beschwerdeführer rekurrierten am 21. September 2021 gegen den Verweigerungsentscheid vom 24. August 2021, unter anderem wegen eines Ausstandsbegehrens gegen ein Mitglied der neuen Gemeindeverwaltung. Das CDAP hiess diesen Rekurs am 15. Dezember 2022 gut und wies die Sache zur Neubeurteilung in korrekter Besetzung an die Gemeinde zurück.
  6. Neuer Verweigerungsentscheid der Gemeinde (23. März 2023): Die Gemeinde erliess in korrigierter Besetzung am 23. März 2023 einen neuen Entscheid und verweigerte die Baubewilligung erneut. Sie begründete dies damit, dass das Projekt sowohl gegen das aktuelle kommunale Baureglement (RCAT von 1995) als auch gegen den Entwurf des neuen Baureglements (RPACom) verstosse.
  7. CDAP-Urteil vom 15. März 2024: Das CDAP wies den Rekurs der Beschwerdeführer gegen den Verweigerungsentscheid vom 23. März 2023 ab und bestätigte die Baubewilligungsverweigerung.
  8. Revisionsgesuch und CDAP-Urteil vom 25. September 2024: Die Beschwerdeführer stellten ein Revisionsgesuch gegen das CDAP-Urteil vom 15. März 2024. Das CDAP wies dieses Gesuch am 25. September 2024 ab, da keine erheblichen neuen Tatsachen gemäss kantonalem Recht (Art. 100 Abs. 1 lit. b LPA-VD) vorlägen.
  9. Bundesgerichtsbeschwerden: Die Beschwerdeführer erhoben daraufhin separate Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht gegen beide CDAP-Urteile (1C_258/2024 gegen Urteil vom 15. März 2024 und 1C_621/2024 gegen Urteil vom 25. September 2024) und beantragten die Vereinigung der Verfahren.

Massgebende rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:

Das Bundesgericht vereinigte die beiden Verfahren (Consid. 1) und beurteilte die Beschwerden materiell.

  1. Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Revisionsentscheid (Consid. 3): Das Gericht äusserte Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde gegen das CDAP-Urteil vom 25. September 2024 (Verweigerung der Revision). Die Beschwerdeführer rügten weder eine willkürliche Anwendung des kantonalen Revisionsrechts (Art. 100 LPA-VD) noch beriefen sie sich auf das verfassungsrechtliche Recht auf Revision (Art. 29 Abs. 1 BV). Gemäss den strengen Anforderungen an die Beschwerdemotivation bei Rügen von Grundrechten oder kantonalem Recht (Art. 42 Abs. 2 und 106 Abs. 2 BGG) sei die Beschwerde schlecht begründet. Das Bundesgericht liess die Frage der Zulässigkeit jedoch offen, da die in dieser Beschwerde vorgebrachten Rügen sich weitgehend mit jenen der Hauptbeschwerde (gegen das Urteil vom 15. März 2024) deckten und ohnehin abzuweisen seien.
  2. Nullität der Gemeindebeschlüsse vom 30. Juni 2021 (Consid. 4): Dies war der erste Hauptstreitpunkt.
    • Rechtliche Grundlage: Das Bundesgericht legt dar, dass die Zuständigkeit für die Erteilung oder Verweigerung von Baubewilligungen nach kantonalem Recht (Art. 114 des Waadtländer Gesetzes über Raumplanung und Bauwesen, LATC) bei der Gemeindeverwaltung als Kollegialbehörde liegt. Die Gemeindeverwaltung kann nur gültig Beschlüsse fassen, wenn die absolute Mehrheit ihrer Mitglieder anwesend ist (Art. 65 Abs. 1 und 2 des Waadtländer Gemeindegesetzes, LC). Der Gemeindeschreiber führt Protokoll über die Sitzungen (Art. 52a und 64 Abs. 2 LC).
    • Argument der Beschwerdeführer: Sie machten geltend, die Entscheide vom 30. Juni 2021 seien gültig. Sie legten ein Schreiben der ehemaligen Gemeindeverwaltungsmitglieder vom 3. April 2024 vor, das belegen solle, dass die Gemeinde im Juni 2021 über das Projekt entschieden habe. Sie rügten auch eine willkürliche Beweiswürdigung, da die Vorinstanz die Einvernahme des ehemaligen Gemeindepräsidenten verweigert habe.
    • Würdigung durch das Bundesgericht: Das Gericht folgte der Argumentation der Vorinstanz. Es stellte fest, dass die Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung vom Juni 2021, insbesondere das Protokoll vom 21. Juni 2021, keinerlei Erwähnung des Bauprojekts enthielten. Diese Tatsache wurde von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Angesichts dessen konnte das kantonale Gericht vertretbar (soutenable) annehmen, dass die Gemeindeverwaltung im Juni 2021 keine Sitzungsentscheidung über die Einspracheaufhebung und die Erteilung der Baubewilligung getroffen hatte, wie es die Artikel 114 LATC und 65 LC vorschreiben. Das nachträgliche Schreiben der ehemaligen Mitglieder von April 2024, fast drei Jahre nach der fraglichen Sitzung, reiche nicht aus, um die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls in Frage zu stellen oder dessen fehlenden Inhalt zu ersetzen. Dasselbe gelte für unverständliche handschriftliche Notizen, die ebenfalls erst vor Bundesgericht eingereicht wurden (und als neue Beweismittel unzulässig sein dürften, Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Weigerung der Vorinstanz, den ehemaligen Gemeindepräsidenten einzuvernehmen, war vor diesem Hintergrund nicht willkürlich. Das Gericht hielt weiter fest, dass die Kompetenzen des Gemeindepräsidenten nach Art. 72 ff. LC nicht die Befugnis umfassen, über Baubewilligungsgesuche zu entscheiden (Art. 114 LATC).
    • Schlussfolgerung zur Nullität: Folglich konnte das kantonale Gericht ohne in Willkür zu verfallen (sans verser dans l'arbitraire) annehmen, dass die Entscheidungen, die am 30. Juni 2021 allein vom Gemeindepräsidenten unterzeichnet wurden, nichtig waren. Nullität liegt bei gravierenden Mängeln vor, wie hier der qualifizierten Inkompetenz der handelnden Person bzw. dem Fehlen eines gültigen Kollegialentscheids, insbesondere wenn der Mangel manifest ist und die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet wird.
  3. Schutz des guten Glaubens und Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (Consid. 5):

    • Rechtliche Grundlage: Das Gericht zitiert die Prinzipien des guten Glaubens (Art. 5 Abs. 3 BV) und des Vertrauensschutzes (Art. 9 BV). Der Vertrauensschutz schützt den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf Zusicherungen von Behörden. Die Bedingungen für Vertrauensschutz sind: (1) Zuständigkeit der handelnden Behörde oder deren Anschein, (2) konkreter Bezug zur Angelegenheit des Bürgers, (3) Unmöglichkeit, die Unrichtigkeit der Auskunft leicht zu erkennen, (4) irreversible Dispositionen aufgrund der Zusicherung, die zu Nachteilen führen, (5) unveränderte Rechtslage.
    • Argument der Beschwerdeführer: Sie machten geltend, die Gemeinde habe sich widersprüchlich verhalten, indem sie zunächst die Aufhebung der Einsprachen und die Erteilung der Bewilligung ankündigte (30. Juni 2021) und danach die Bewilligung verweigerte (24. August 2021/23. März 2023). Sie hätten auf die Ankündigung vertraut und Dispositionen getroffen (z. B. Zahlungen für Versicherungen, Erstellung von Plänen). Sie verlangten daher, der Entscheid vom 23. März 2023 sei aufzuheben und der Entscheid vom 30. Juni 2021 (der die Bewilligung "erteilt" habe) sei zu bestätigen.
    • Würdigung durch das Bundesgericht: Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es verwies zunächst auf die Feststellung in Consid. 4, dass die alte Gemeindeverwaltung im Juni 2021 keinen gültigen Entscheid über die Baubewilligung getroffen hatte. Es sei folglich keine Baubewilligung formell erteilt worden. Daher konnte die neue Gemeindeverwaltung, wenn sie das Projekt als nicht konform mit dem kommunalen Reglement erachtete, von der Haltung abweichen, die der ehemalige Gemeindepräsident in seinem Schreiben vom 30. Juni 2021 ausgedrückt hatte. Das Gericht hob hervor, dass die Beschwerdeführer in ihrer Bundesgerichtsbeschwerde nicht bestritten, dass das kantonale Gericht (CDAP-Urteil vom 15. März 2024, Consid. 5 und 6) festgestellt hatte, dass das Projekt gegen kantonales und kommunales Recht verstösst. Dies ist ein entscheidender Punkt: Das Projekt ist nach Ansicht der Vorinstanz materiell rechtswidrig.
    • Zur Zusicherung und Vertrauensdispositionen: Selbst wenn das Schreiben vom 30. Juni 2021 als Zusicherung verstanden werden könnte (was das Gericht offenliess), seien die kumulativen Bedingungen für den Vertrauensschutz im vorliegenden Fall nicht erfüllt, insbesondere jene bezüglich der irreversiblen Dispositionen. Die Beschwerdeführer hätten nicht nachgewiesen, dass sie aufgrund dieser angeblichen Zusicherung vom 30. Juni 2021 konkrete Dispositionen getroffen hätten, von denen sie nicht ohne Nachteil absehen könnten. Die pauschale Behauptung, sie hätten "Handlungen vorgenommen, um die Realisierung des Projekts sicherzustellen, Zahlung von Versicherungen, Erstellung von Plänen, etc.", sei gemäss den Substanziierungspflichten von Art. 106 Abs. 2 BGG klar unzureichend. Insbesondere könnten die Kosten für die Erstellung der Pläne nicht geltend gemacht werden, da diese bei jedem Baubewilligungsverfahren anfallen. Die Berufung auf ein E-Mail eines interkommunalen technischen Dienstes vom 12. Juli 2021 sei ebenfalls unbegründet, da dieser Dienst offensichtlich keine Entscheidungsbefugnis in Baubewilligungsangelegenheiten habe.
    • Recht auf neuen Entscheid: Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Einsprecher gegen die Entscheide vom 30. Juni 2021 Rekurs eingelegt hatten. Gemäss Art. 83 Abs. 1 LPA-VD war die Gemeinde berechtigt, eine neue Entscheidung zugunsten der Rekurrierenden (der Einsprecher) zu erlassen, was die neue Gemeindeverwaltung mit dem Entscheid vom 24. August 2021 getan hatte.
    • Schlussfolgerung zum Vertrauensschutz: Die Rügen betreffend Verletzung des Vertrauensschutzes und des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens seien unbegründet.
  4. Schlussentscheidung (Consid. 6): Angesichts der obigen Erwägungen wies das Bundesgericht die Beschwerden, soweit sie zulässig waren, ab. Die Gerichtskosten wurden den unterliegenden Beschwerdeführern auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht wies die Beschwerden der Eigentümer gegen die Verweigerung der Baubewilligung ab. Die zentralen Punkte des Urteils sind:

  1. Nullität der ersten "Entscheide": Die von der alten Gemeindeverwaltung am 30. Juni 2021 in Aussicht gestellte Baubewilligung bzw. die Aufhebung der Einsprachen waren nichtig, da sie nicht auf einem gültigen Beschluss der zuständigen Kollegialbehörde in einer formellen Sitzung basierten, was durch die fehlende Erwähnung in den offiziellen Protokollen belegt ist. Der damalige Gemeindepräsident war zudem einzeln nicht zuständig.
  2. Kein Schutz des guten Glaubens: Die Beschwerdeführer konnten sich nicht erfolgreich auf den Schutz des guten Glaubens berufen, der auf der Ankündigung vom 30. Juni 2021 basierte. Dies zum einen, weil das Bauprojekt selbst gemäss den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz materiell rechtswidrig war, und zum anderen, weil die Beschwerdeführer keine hinreichend substanziierten, irreversiblen Dispositionen nachgewiesen haben, die sie aufgrund der fraglichen "Zusicherung" getroffen hätten und die ihnen nun einen erheblichen Nachteil verursachen würden.
  3. Abweisung der Revisionsbeschwerde: Die Beschwerde gegen die Abweisung des Revisionsgesuchs war ebenfalls unbegründet, da sie keine neuen erheblichen Tatsachen geltend machte und die vorgebrachten Argumente bereits im Rahmen der Hauptbeschwerde geprüft und verworfen wurden.

Somit bestätigte das Bundesgericht die Rechtmässigkeit der Baubewilligungsverweigerung durch die Gemeinde und das kantonale Gericht.