Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_389/2024 vom 8. Mai 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des schweizerischen Bundesgerichts 4A_389/2024 vom 8. Mai 2025:

Bundesgerichtsurteil 4A_389/2024 vom 8. Mai 2025

Parteien: * Beschwerdeführer: A._ (Kunde, Kreditnehmer) * Beschwerdegegnerin: banca B._ SA (Bank, Kreditgeberin)

Gegenstand: Kreditklage

1. Sachverhalt und Streitgegenstand

Der Beschwerdeführer, ein erfahrener Unternehmer und Finanzmarktexperte mit dem Anlageprofil "professional", unterhielt seit 2019 eine Bankbeziehung bei der Beschwerdegegnerin. Im Januar/Februar 2020 schlossen die Parteien einen Lombardkreditvertrag über bis zu EUR 3 Mio., besichert durch die im Depot des Kunden gehaltenen Vermögenswerte (Collateral). Der Vertrag regelte die Kreditlimiten, die Sicherheitenbestellung und die Verwertungsrechte der Bank. Anfang 2020 herrschte aufgrund der COVID-19-Pandemie grosse Unsicherheit und Turbulenz an den Finanzmärkten, was sich negativ auf das Portfolio des Beschwerdeführers auswirkte.

Am 6. März 2020 stellte die Bank eine Unterdeckung der Sicherheiten fest (Negativsaldo EUR 5'995'672, Unterdeckung Collateral Shortfall EUR 1'481'670) und stellte einen Margin Call. Der Kunde wurde aufgefordert, die Unterdeckung bis zum 10. März 2020, 10:00 Uhr, durch Nachschüsse oder Reduzierung des Kredits zu decken. Die Bank behielt sich ausdrücklich das Recht vor, bei Nichtleistung oder weiterer Verschlechterung des Sicherheitenwerts vor Fristablauf die Sicherheiten ohne weiteren Avis zu verwerten. Der Margin Call wurde dem Kunden am 9. März 2020 um 09:09 Uhr per E-Mail zugestellt. Da der Beschwerdeführer die geforderten Sicherheiten nicht leistete, liquidierte die Bank sein Portfolio am 9. und 10. März 2020. Nach der Liquidation wies das Konto einen negativen Saldo von EUR 616'957.99 auf. Die Bank forderte den Betrag erfolglos ein und kündigte schliesslich den Lombardkreditvertrag.

Die Bank reichte Klage ein, um den ausstehenden Saldo (EUR 620'402.67 zzgl. CHF 50) gerichtlich einzutreiben. Der Beschwerdeführer beantragte Abweisung der Klage und machte eventualiter eine Verrechnungsforderung wegen angeblich ungerechtfertigter Liquidation geltend.

2. Entscheid der Vorinstanzen

Der Pretore verurteilte den Beschwerdeführer zur Zahlung des geforderten Betrags. Das Appellationsgericht des Kantons Tessin wies die Berufung des Beschwerdeführers im Wesentlichen ab. Es bestätigte die Beurteilung des Pretore, wonach die Bank aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen einen weiten Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Lending Value, des Deckungsgrads und des Bedarfs an zusätzlichen Sicherheiten hatte. Angesichts der besonderen Marktsituation (turbulente Märkte) sei die Bank zudem berechtigt gewesen, die Sicherheiten umgehend zu verwerten. Formelle Rügen des Beschwerdeführers bezüglich des Beweisverfahrens erachtete das Appellationsgericht als verspätet und unbegründet.

3. Hauptsächliche rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers, soweit diese den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG genügten und sich substanziiert mit den Erwägungen des Appellationsgerichts auseinandersetzten.

  • Rügen bezüglich des Beweisverfahrens (Art. 154 CPC): Der Beschwerdeführer rügte, das Appellationsgericht habe seine Kritik an der erstinstanzlichen Beweisverfügung (Ablehnung von Expertise, Editionsbegehren etc.) zu Unrecht zurückgewiesen.

    • Erwägung des Bundesgerichts: Das Appellationsgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer die Beweisverfügung des Pretore weder unmittelbar nach deren Erlass, noch mit seiner Abänderungseingabe vom 9. September 2022, noch mit den Schlussvorträgen vom 21. August 2023 substanziiert beanstandet habe. Eine solche späte Rüge sei treuwidrig. Zudem hätte der Beschwerdeführer die Abnahme der Beweise auch vor der kantonalen Appellationsinstanz verlangen können. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer diese Begründung des Appellationsgerichts nicht rechtsgenüglich widerlegte. Er legte nicht dar, wann und wo (in welchem Protokollabschnitt oder Schreiben) er die Beweisverfügung tatsächlich rechtzeitig beanstandet habe. Die Rügen seien daher mangels rechtsgenügender Begründung unzulässig (vgl. DTF 143 IV 397 E. 3.4.2; 138 III 374 E. 4.3.2).
  • Rügen bezüglich Sachverhaltsvortrag und Beweisabnahme (Art. 55 Abs. 1 und 150 CPC): Der Beschwerdeführer machte geltend, die Bank habe keine genügenden Allegationen (Substanziierung) vorgebracht (insb. zum Umfang der Unterdeckung, den Liquidationsbedingungen, dem effektiven Negativsaldo), und die Vorinstanz habe Beweise abgenommen, ohne dass entsprechende Parteivorträge oder Beweisangebote vorlagen.

    • Erwägung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht verweist darauf, dass das Appellationsgericht die Rügen des Beschwerdeführers aus mehreren unabhängigen Gründen zurückwies: (1) Gegenstand der Appellation sei das Urteil, nicht der Parteivortrag der Gegenpartei; (2) der Beschwerdeführer hätte präzise aufzeigen müssen, wo der Pretore Feststellungen auf Basis unsubstanziierter Fakten getroffen habe; (3) die Rügen bezüglich der Beweisabnahme seien verspätet und treuwidrig erhoben worden; (4) die beanstandeten Feststellungen basierten teilweise auch auf anderen Beweismitteln (Einvernahme des Beschwerdeführers, Edition von Dokumenten). Da der Beschwerdeführer nicht alle dieser unabhängigen Begründungen rechtsgenüglich angefochten habe, seien seine Rügen mangels Motivation unzulässig (vgl. DTF 142 III 364 E. 2.4).
  • Rügen bezüglich der Bestreitungslast (Art. 150 Abs. 1 CPC): Der Beschwerdeführer argumentierte, das Appellationsgericht habe verschiedene seiner Allegationen zu Unrecht als bestritten betrachtet, obwohl die Bank diese nur pauschal oder gar nicht bestritten habe. Fakten, die nicht genügend bestritten seien, gälten als anerkannt. Er nannte insbesondere Allegationen zur Notifikation des Margin Calls, zum Fehlen einer angemessenen Frist, zur angeblichen Unkenntnis über den Nachschussbedarf und zur Deckung des Portfolios.

    • Erwägung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erläuterte die Grundsätze der Behauptungs-, Bestreitungs- und Substanziierungslast im schweizerischen Zivilprozess (Art. 55 Abs. 1, 150 Abs. 1, 221 Abs. 1 lit. d, 222 Abs. 2 CPC; DTF 144 III 519). Der Substanziierungsgrad hänge vom materiellen Recht und der Reaktion der Gegenpartei ab. Bei detaillierten Abrechnungen oder Rechnungen (wie dem Kontosaldo nach Liquidation) genüge es, den Gesamtbetrag zu nennen und auf das Dokument zu verweisen, sofern die Gegenpartei und das Gericht die notwendigen Informationen klar und unzweideutig aus dem Dokument entnehmen könnten. Eine pauschale Bestreitung einer solchen Abrechnung sei ungenügend (DTF 144 III 519 E. 5.2.2.3).
    • Anwendung auf die konkreten Rügen:
      • Notifikation/Information: Das Bundesgericht verwies auf die unangefochtene Feststellung der Vorinstanz, dass der Margin Call am 9. März 2020 um 09:09 Uhr per E-Mail notifiziert wurde. Die Bank habe zudem dargelegt, dass der Kunde vom Berater laufend über die "sich entwickelnde Unterdeckung" informiert worden sei (Verweis auf E-Mails, die dem Gericht vorlagen). Auch die Position der Bank bezüglich der kurzen Frist und der Liquidationsvoraussetzungen (Berufung auf professionelles Profil des Kunden und Art. 10 Abs. 2 des Vertrags) sei aus ihrer Replik verständlich gewesen. Die Bank habe die Allegationen des Beschwerdeführers somit genügend bestritten.
      • Verlustausweitung: Der Beschwerdeführer behauptete, die Bank habe nicht bestritten, dass er über den Zustand seines Portfolios unzureichend informiert gewesen sei und ihm dadurch die Verlustausweitung ermöglicht wurde. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bank diesen Vorwurf bestritten habe, indem sie darlegte, der Kunde sei sich der Verschlechterung seines Portfolios bewusst gewesen ("schon lange vor Erhalt der margin-call letter") und sei wiederholt (telefonisch und per E-Mail) zur Deckung aufgefordert worden. Genügende Bestreitung.
      • Unkenntnis über Nachschussbedarf: Der Beschwerdeführer behauptete, die Bank habe nicht bestritten, ihn über die Notwendigkeit zusätzlicher Sicherheiten im Unklaren gelassen zu haben, und dass sie ihn in der Überzeugung bestärkt habe, nur EUR 500-700k leisten zu müssen. Das Bundesgericht hielt diese Rüge für unbegründet. Die eigene Behauptung des Beschwerdeführers, die Bank habe ihm vermittelt, dass nur EUR 500-700k benötigt würden, widerspreche seiner Behauptung, überhaupt im Unklaren über die Notwendigkeit zusätzlicher Sicherheiten gelassen worden zu sein. Er habe demnach gewusst, dass Nachschüsse erforderlich waren.
      • Angemessenheit der Frist und Vertragsverletzung: Der Beschwerdeführer rügte, eine Frist von vier Tagen sei unangemessen kurz gewesen, die Bank habe diese (bis 13. März) nicht eingehalten und damit den Vertrag verletzt, indem sie die Sicherheiten bereits am 9./10. März liquidierte. Das Argument der Bank, sie habe die Sicherheiten gestützt auf Art. 10 Abs. 2 des Vertrags jederzeit, auch ohne Einhaltung einer Frist, verwerten dürfen (insb. in turbulenten Märkten), sei unzulässig eingeführt worden und/oder nicht tragfähig (hätte klare Begründung erfordert). Das Bundesgericht bestätigte die Feststellung der Vorinstanz, dass der Margin Call zwar eine Frist bis zum 10. März, 10:00 Uhr, nannte, aber auch die sofortige Liquidationsbefugnis der Bank bei weiterer Verschlechterung des Sicherheitenwerts nach deren freiem Ermessen vor Fristablauf und ohne neuen Avis festhielt. Dies entsprach Art. 10 Abs. 2 des Lombardkreditvertrags. Angesichts dieser vertraglichen Regelung liege kein widersprüchliches Verhalten der Bank vor. Das Argument der sofortigen Liquidationsbefugnis sei nicht unzulässig in den Prozess eingeführt worden, da es sich auf eine Vertragsklausel stütze und zur Verteidigung der Rechtmässigkeit der Liquidation in der gegebenen Marktsituation diente. Der Vertrag verlangte auch keine zusätzliche "klare Begründung" für die sofortige Liquidierung; die vom Appellationsgericht festgestellten turbulenten Marktbedingungen (insb. der "schwarze Montag" als Hinweis auf eine weitere Verschlechterung) rechtfertigten die Liquidation unter Art. 10 Abs. 2 des Vertrags (Verweis auf Kommentare zu ähnlichen Bestimmungen im Wertpapierrecht). Daher habe die Bank den Vertrag nicht verletzt.
  • Kosten: Da die Beschwerde abgewiesen wird, trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin wird nicht zugesprochen, da sie im bundesgerichtlichen Verfahren nicht anwaltlich vertreten war (DTF 134 I 184 E. 6.3).

4. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Kunden im Wesentlichen ab. Die Hauptgründe dafür waren: * Prozessuale Mängel: Zahlreiche prozessuale Rügen des Beschwerdeführers (insb. betreffend Beweisverfahren und angebliche Substanziierungsmängel der Bank) wurden als unzulässig oder verspätet abgewiesen, da sie nicht rechtsgenüglich begründet waren oder gegen das Prinzip von Treu und Glauben verstiessen (z.B. späte Beanstandung der Beweisverfügung). * Genügende Bestreitung durch die Bank: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Bank die wesentlichen Allegationen des Beschwerdeführers (insb. bezüglich Information, Notifikation und Angemessenheit der Frist) genügend bestritten hatte, indem sie auf den fortlaufenden Informationsaustausch, das professionelle Profil des Kunden und die spezifische Vertragsklausel (Art. 10 Abs. 2) verwies. * Rechtmässigkeit der Liquidation: Das Bundesgericht befand, dass die Bank die Sicherheiten rechtmässig liquidiert hatte. Obwohl der Margin Call eine Frist nannte, erlaubte der Lombardkreditvertrag (Art. 10 Abs. 2) der Bank die sofortige Verwertung der Sicherheiten nach eigenem Ermessen und ohne neuen Avis, falls sich der Wert der Sicherheiten weiter verschlechterte. Die festgestellten turbulenten Marktbedingungen rechtfertigten eine solche sofortige Massnahme. Eine Vertragsverletzung durch die Bank wurde verneint. * Fehlen einer Verrechnungsforderung: Da die Liquidation als rechtmässig erachtet wurde, entfiel die vom Beschwerdeführer eventualiter geltend gemachte Verrechnungsforderung aus angeblich ungerechtfertigter Liquidation.

Da die Bank nach Ansicht des Bundesgerichts die offene Forderung zu Recht geltend machte und der Kunde keine gültigen Einwände oder Verrechnungsforderungen substanziiert vorbringen konnte, bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung des Kunden zur Zahlung des ausstehenden Kreditbetrags.