Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Gerne fasse ich das Bundesgerichtsurteil 6B_39/2025 vom 7. Mai 2025 detailliert für Sie zusammen:
Bundesgerichtsentscheid 6B_39/2025 vom 7. Mai 2025: Detaillierte Zusammenfassung
1. Einleitung
Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1. Strafrechtliche Abteilung) mit der Geschäftsnummer 6B_39/2025 vom 7. Mai 2025 befasst sich mit der Beschwerde in Strafsachen von A.A.__ gegen ein Urteil der Cour de justice des Kantons Genf, Chambre pénale d'appel et de révision, vom 26. November 2024. Gegenstand des Verfahrens waren Verurteilungen wegen Widerhandlungen gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG), Fälschung von Urkunden (Urkundenfälschung) und versuchter arglistiger Täuschung von Behörden.
Die Vorinstanz, das Genfer Kantonsgericht, hatte ein Urteil des Polizeigerichts vom 12. März 2024 bestätigt, das A.A.__ schuldig gesprochen hatte. Der Beschwerdeführer beantragte im Wesentlichen seinen Freispruch von allen Anklagepunkten.
2. Sachverhalt (massgebende Feststellungen der Vorinstanz)
Die Vorinstanz stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am 30. November 2018 reichte der Beschwerdeführer A.A.__ im Rahmen der Operation "Papyrus" bei der Genfer Ausländerbehörde (Office cantonal de la population et des migrations, OCPM) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Zur Begründung legte er mehrere Dokumente vor, die gefälscht oder nachgemacht waren, und gab unter Vorlage dieser Dokumente fälschlicherweise an, er habe sich während zehn Jahren ununterbrochen in Genf aufgehalten und gearbeitet. Ziel war es, die OCPM durch diese falschen Angaben in die Irre zu führen, um eine Aufenthaltsbewilligung zur Verbesserung seines administrativen Status gemäss Ausländerrecht zu erhalten. Die Bewilligung wurde ihm letztlich nicht erteilt.
Die als falsch befundenen Dokumente waren: * Ein Lohnausweis der Firma C._ Sàrl (Mai bis Dezember 2011) mit einem Bruttolohn von 34'015 Franken. * Ein Lohnausweis der Firma C._ Sàrl (Januar bis Juli 2012) mit einem Bruttolohn von 33'555 Franken. * Eine Zahlungsbestätigung der Firma D._ vom 1. Dezember 2008, die bescheinigte, dass A.A._ vom 22. September bis 28. November 2008 für diese Firma gearbeitet habe. * Eine Bestätigung der Firma C._ Sàrl vom 2. März 2009, die bescheinigte, dass A.A._ vom 2. bis 20. März 2009 für diese Firma gearbeitet habe. * Eine Bestätigung der Firma C._ Sàrl vom 5. März 2010, die bescheinigte, dass A.A._ vom 1. Februar bis 5. März 2010 für diese Firma gearbeitet habe.
Die Vorinstanz war zum Schluss gelangt, dass die ununterbrochene Präsenz des Beschwerdeführers in Genf seit 2008, eine zentrale Bedingung der Operation "Papyrus", nicht erfüllt war. Sie hielt jedoch die Frage der tatsächlichen Präsenz für die strafrechtliche Beurteilung als offen, da die eingereichten Dokumente inhaltlich falsch und mehrheitlich als materielle Fälschungen einzustufen seien, womit die Delikte ohnehin erfüllt seien.
Bezüglich der Dokumente der C._ Sàrl (Bestätigungen 2009, 2010 und Lohnausweise 2011, 2012) stellte die Vorinstanz fest, dass diese mit einem Stempel versehen waren, der eine Adresse von G._ aufwies, die erst ab 2011 verwendet wurde. Dies deutete auf eine Nachdatierung hin. Weiter stellte sie fest, dass gemäss Handelsregister D.E._ (als angeblicher Unterzeichner) erst ab dem 15. März 2011 zur Einzelunterschrift für C._ Sàrl berechtigt war. Dokumente, die vor diesem Datum datiert waren, wurden daher als materielle Fälschungen eingestuft. Bei den Lohnausweisen von 2011 und 2012 konnte nicht festgestellt werden, dass D.E.__ nicht der Aussteller war; diese wurden daher als einfache schriftliche Lügen betrachtet.
Die Zahlungsbestätigung der D.__ (2008) wies nach Ansicht der Vorinstanz Stempelanomalien und Abweichungen bei der Unterschrift auf, was zusammen mit anderen Indizien auf einen Dritten als Aussteller hindeutete. Sie wertete dies als materielle Fälschung.
Die Vorinstanz ging davon aus, dass der Beschwerdeführer wusste, dass er die Dokumente als falsch verwendete, da er kaum oder gar nicht für die betreffenden Firmen gearbeitet hatte und die Angaben in den Dokumenten (Vollzeit) nicht der Realität entsprachen. Er habe die Dokumente eingereicht, um fehlende Arbeitsjahre zu belegen und so die Legalisierung seines Aufenthalts zu erreichen, obwohl er wusste, dass er die Bedingungen dafür nicht erfüllte.
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die geltend gemachten Rechtsverletzungen.
3.1. Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Art. 9 BV)
Der Beschwerdeführer rügte Willkür bei der Feststellung des Sachverhalts und der Beweiswürdigung, insbesondere hinsichtlich seiner ununterbrochenen Präsenz und der Authentizität der Dokumente.
Das Bundesgericht erinnerte an seinen Prüfungsstandard: Es ist keine Appellationsinstanz und ist grundsätzlich an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese sind willkürlich (Art. 9 BV) oder beruhen auf einer Rechtsverletzung (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG). Willkür liegt vor, wenn die Entscheidung offensichtlich unhaltbar ist. Bei der Beweiswürdigung ist dies der Fall, wenn die Behörde relevante Beweise nicht berücksichtigt, ihren Sinn und ihre Tragweite offensichtlich verkennt oder aus den gesammelten Beweisen unhaltbare Schlüsse zieht. Die Unschuldsvermutung (in dubio pro reo) als Beweiswürdigungsregel hat in diesem Zusammenhang keine über die Willkür hinausgehende Bedeutung (vgl. BGE 150 IV 360, 148 IV 409).
Das Bundesgericht wies die meisten Willkürrügen des Beschwerdeführers als unzulässig (rein appellatorisch) oder unbegründet zurück. Es bestätigte die Würdigung der Vorinstanz bezüglich des AVS-Auszugs (Fehlen von Beitragsjahren vor 2013 als Indiz), der medizinischen Bestätigung (bestätigt nur temporären Aufenthalt in Frankreich), der widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers und anderer Zeugen sowie der Indizien für die Fälschung der D._-Bestätigung (Stempelanomalien, Unterschrift). Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass ein Bündel von Indizien darauf hindeute, dass die D._-Bestätigung nicht von D.E.__, sondern von einem Dritten stammte, wurde als nicht unhaltbar angesehen.
3.2. Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB)
Dies war der zentrale Punkt, in dem das Bundesgericht dem Beschwerdeführer Recht gab.
Das Bundesgericht erläuterte die Voraussetzungen der Urkundenfälschung. Das Delikt schützt das Vertrauen im Rechtsverkehr in die Beweiskraft von Urkunden. Eine Urkunde (Art. 110 Ziff. 4 StGB) ist eine Schrift, die bestimmt und geeignet ist, eine rechtserhebliche Tatsache zu beweisen. Art. 251 Ziff. 1 StGB erfasst sowohl die materielle Fälschung (Diskrepanz zwischen scheinbarem und wirklichem Aussteller) als auch die intellettuelle Fälschung (Urkunde stammt vom scheinbaren Aussteller, aber der Inhalt ist unwahr). Eine blosse schriftliche Lüge stellt jedoch keine intellektuelle Fälschung dar. Für eine intellektuelle Fälschung muss die Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit aufweisen, d.h. objektive Garantien müssen Dritten die Wahrheit der Erklärung verbürgen (z.B. Prüfpflichten des Ausstellers, gesetzliche Inhaltsbestimmungen). Die blosse Tatsache, dass man sich im Geschäftsverkehr üblicherweise auf solche Dokumente verlässt, genügt nicht (vgl. BGE 146 IV 258, 144 IV 13, 142 IV 119).
Das Bundesgericht verwies auf seine ständige Rechtsprechung, wonach ein inhaltlich unrichtiger Lohnausweis oder eine Lohnabrechnung keine Urkunde im Sinne von Art. 251 StGB darstellt, weil es an der erhöhten Glaubwürdigkeit mangelt (BGE 146 IV 258 E. 1.1.1; 118 IV 363 E. 2; 6B_473/2016 E. 4.2.1; 6B_72/2015 E. 1.5).
Zahlungsbestätigung D.__ (2008): Das Bundesgericht bestätigte die Einstufung der Vorinstanz als materielle Fälschung (Ergebnis der Beweiswürdigung, die nicht willkürlich war). Bei der materiellen Fälschung stellt sich die Frage der erhöhten Glaubwürdigkeit nicht. Die Bestätigung wurde als Urkunde im Sinne einer materiellen Fälschung betrachtet. Die Verurteilung für dieses Dokument wurde daher bestätigt.
Attestierungen C.__ Sàrl (2009, 2010): Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz selbst erkannt hatte, dass diese Dokumente nach dem auf ihnen angegebenen Datum erstellt wurden, und zwar frühestens nach dem 15. März 2011, als D.E._ gemäss Handelsregister zur Unterschrift für C._ Sàrl berechtigt wurde. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach D.E._ zum Zeitpunkt der angegebenen Datierung nicht unterschriftsberechtigt war und es sich daher um materielle Fälschungen handle, widerspreche den eigenen Feststellungen, dass die Dokumente tatsächlich nach dem 15. März 2011 erstellt wurden, als D.E._ sehr wohl unterschriftsberechtigt war. Folglich konnte es sich bei diesen Dokumenten höchstens um intellektuelle Fälschungen handeln (inhaltlich falsch, aber vom tatsächlich Berechtigten ausgestellt). Da Arbeits- und Lohnbestätigungen gemäss Rechtsprechung keine erhöhte Glaubwürdigkeit aufweisen und somit keine Urkunden für intellektuelle Fälschung sind, konnte der Beschwerdeführer für diese Dokumente nicht wegen Urkundenfälschung verurteilt werden.
Lohnausweise C.__ Sàrl (2011, 2012): Die Vorinstanz hatte selbst eingeräumt, dass nicht festgestellt sei, dass D.E._ nicht der Aussteller dieser Lohnausweise war, und sie als "einfache schriftliche Lügen" bezeichnete. Da D.E._ ab dem 15. März 2011 zur Unterschrift für C.__ Sàrl berechtigt war, handelte es sich auch hier höchstens um intellektuelle Fälschungen. Gemäss der erwähnten Rechtsprechung stellen Lohnausweise keine Urkunden für intellektuelle Fälschung dar. Folglich konnte der Beschwerdeführer auch für diese Dokumente nicht wegen Urkundenfälschung verurteilt werden.
Das Bundesgericht gab der Beschwerde in diesem Punkt teilweise statt. Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung in Bezug auf die Dokumente der C.__ Sàrl (Attestierungen 2009, 2010 und Lohnausweise 2011, 2012) wurde aufgehoben und der Beschwerdeführer insoweit freigesprochen.
3.3. Versuchtes arglistiges Verhalten gegenüber Behörden (Art. 118 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 22 StGB)
Das Bundesgericht prüfte die Verurteilung wegen versuchter arglistiger Täuschung der Behörden.
Gemäss Art. 118 Abs. 1 AIG wird bestraft, wer die zuständigen Behörden durch falsche Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen irreführt und dadurch arglistig eine Bewilligung für sich oder Dritte erwirkt oder den Entzug einer Bewilligung verhindert. Eine falsche Angabe oder ein Verschweigen ist nur dann tatbestandsmässig, wenn es sich auf eine wesentliche Tatsache bezieht, d.h. eine Tatsache, die für den Entscheid der Behörde rechtlich relevant ist und ohne die der Entscheid zu Recht nicht oder nicht in dieser Form ergangen wäre (vgl. 6B_1490/2021 E. 1.2.2; 6B_72/2015 E. 2.2).
Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Beschwerdeführer falsche Dokumente vorgelegt habe, um die Bedingung eines ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalts, die für die Operation "Papyrus" erforderlich war, zu belegen. Er habe die Behörde täuschen wollen, da er wusste, dass sein Antrag ohne diese Dokumente scheitern würde.
Der Beschwerdeführer stellte die Wesentlichkeit der falschen Angaben in Frage. Das Bundesgericht verwarf dieses Argument. Die Operation "Papyrus" erforderte einen ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalt. Der Beschwerdeführer erfüllte diese Bedingung nicht. Die vorgelegten falschen Dokumente zielten gerade darauf ab, diesen ununterbrochenen Aufenthalt zu beweisen, was eine wesentliche Tatsache für die Erlangung der Bewilligung war. Die falschen Angaben bezogen sich somit auf eine wesentliche Tatsache. Die Verurteilung wegen versuchter arglistiger Täuschung der Behörden wurde bestätigt.
3.4. Grundsatz des guten Glaubens (Art. 5 Abs. 3, 9 BV) in Bezug auf Art. 115 Abs. 1 AIG
Der Beschwerdeführer berief sich auf den Grundsatz des guten Glaubens, um seine Verurteilung wegen Widerhandlungen gegen Art. 115 Abs. 1 AIG (illegale Einreise/Aufenthalt) anzufechten.
Das Bundesgericht hielt fest, dass dieser Einwand gegenstandslos sei, da der Beschwerdeführer seinen damit verknüpften Antrag auf Freispruch von der versuchten arglistigen Täuschung der Behörden (Art. 118 AIG) nicht durchgesetzt hatte. Im Übrigen könne ein widerrechtliches Verhalten nicht durch den Schutzbereich des guten Glaubens gedeckt sein (BGE 138 V 32). Dieser Einwand wurde abgewiesen.
4. Ergebnis und Folgen
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde teilweise gut (in Bezug auf die Urkundenfälschung der C._ Sàrl-Dokumente). Es reformierte das angefochtene Urteil dahingehend, dass der Beschwerdeführer von der Anklage der Urkundenfälschung in Bezug auf die Dokumente (Attestierungen und Lohnausweise) freigesprochen wurde, die im Namen der Firma C._ Sàrl ausgestellt waren.
Die Verurteilungen wegen Urkundenfälschung bezüglich der D.__-Zahlungsbestätigung (als materielle Fälschung), wegen Widerhandlungen gegen Art. 115 Abs. 1 AIG und wegen versuchter arglistiger Täuschung der Behörden (Art. 118 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 22 StGB) wurden bestätigt.
Die Sache wurde zur Neufestsetzung der Strafe, der Kosten und der Entschädigungen sowie zur Entscheidung über das Schicksal der beschlagnahmten Vermögenswerte an die Vorinstanz zurückgewiesen, da die Grundlage für die Strafzumessung sich durch den teilweisen Freispruch geändert hatte.
Da der Beschwerdeführer nur teilweise obsiegte, wurden ihm teilweise Gerichtskosten auferlegt. Der Kanton Genf wurde verpflichtet, ihm eine reduzierte Parteientschädigung zu zahlen.
5. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte