Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 6B_1121/2023 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 15. Mai 2025:
1. Einführung und Verfahrensgegenstand
Das Urteil des Bundesgerichts (I. Strafrechtliche Abteilung) mit Aktenzeichen 6B_1121/2023 befasst sich mit der Beschwerde gegen ein Urteil des Berufungsgerichts des Kantons Tessin (Corte d'appello e di revisione penale, CARP) vom 14. August 2023. Gegenstand des Verfahrens ist der Vorwurf der sexuellen Handlungen mit widerstandsunfähigen oder urteilsunfähigen Personen gemäss Art. 191 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB) sowie der Willkür in der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung.
Der Beschwerdeführer A.__ wurde von der Vorinstanz (CARP) wegen sexueller Handlungen mit widerstandsunfähigen Personen verurteilt, nachdem er in erster Instanz (Corte delle assise correzionali) zusätzlich wegen Pornografie verurteilt worden war, wovon er in zweiter Instanz freigesprochen wurde. Die ihm auferlegte Freiheitsstrafe von zwei Jahren, bedingt aufgeschoben, wurde von der Vorinstanz bestätigt. Gegen diesen Schuldspruch und die Strafzumessung richtete sich die Beschwerde an das Bundesgericht.
2. Sachverhalt (basierend auf den Feststellungen der Vorinstanz)
Das Bundesgericht legt seinen Entscheid grundsätzlich auf der Grundlage des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts (§ 105 Abs. 1 des Bundesgerichtsgesetzes, BGG) dar. Abweichungen hiervon sind nur unter den Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 BGG (willkürliche oder rechtsfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung) möglich, was der Beschwerdeführer darlegen muss.
Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz verbrachte B.__ (die Privatklägerin) die Nacht auf den 5. Mai 2018 in einer Diskothek und war stark alkoholisiert. Beim Verlassen der Diskothek war ihr übel, sie erbrach sich und war nicht in der Lage, alleine zu gehen. Sie setzte sich auf eine Bank gegenüber der Diskothek, wo sie auf den Beschwerdeführer traf, der ebenfalls die Nacht in der Diskothek verbracht hatte. Obwohl die Wohnung der Privatklägerin nur 300 Meter entfernt auf derselben Strassenseite lag, konnte sie dem Beschwerdeführer nicht mitteilen, wo sie wohnte, und war nicht in der Lage, dorthin zu gelangen. Der Beschwerdeführer bot sich an, sie nach Hause zu bringen, und entschied sich dann von sich aus, sie zu seiner eigenen Wohnung zu fahren. Er stützte sie bis zu seinem Auto. Während der kurzen Fahrt von etwa 4.1 km war der Privatklägerin weiterhin schlecht, sie sprach nicht und war gemäss Angaben des Beschwerdeführers "halb schlafend".
Die Vorinstanz gelangte zur Überzeugung, dass der Zustand der Privatklägerin bei der Ankunft in der Wohnung des Beschwerdeführers sich nicht wesentlich verändert haben konnte. Sie befand sich weiterhin in einem Zustand der Widerstandsunfähigkeit. In der Wohnung des Beschwerdeführers kam es zu sexuellen Handlungen. Die Privatklägerin gab an, in einigen Momenten die Augen geöffnet und eine Person über sich wahrgenommen zu haben, aber nicht in der Lage gewesen zu sein, sich zu bewegen. Analysen ihrer Haare ergaben keine Hinweise auf psychoaktive Substanzen wie GHB (die sogenannte "Vergewaltigungsdroge") über endogene Werte hinaus.
3. Rügen des Beschwerdeführers und Würdigung durch das Bundesgericht
3.1. Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Art. 9 BGG, Art. 97 Abs. 1 BGG, Art. 106 Abs. 2 BGG)
Der Beschwerdeführer rügte Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung, insbesondere hinsichtlich der Ursache des Zustands der Privatklägerin. Er argumentierte, eine korrekte Beweiswürdigung (insb. der Aussagen und der Haaranalyse) müsse zum Schluss führen, dass der Zustand auf eine (unfreiwillige) Einnahme von GHB zurückzuführen sei. Dies sei relevant für die Frage, ob er ihren Zustand der Widerstandsunfähigkeit hätte erkennen können (in dubio pro reo). Er machte auch geltend, dass die Anklage nur Alkoholkonsum als Ursache nenne, nicht aber GHB, was das Akkusationsprinzip verletze.
Das Bundesgericht erachtet diese Rügen bezüglich der Ursache der Widerstandsunfähigkeit als irrelevant für den Verfahrensausgang. Es hält fest, dass die Privatklägerin objektiv widerstandsunfähig war (dies wurde vom Beschwerdeführer explizit anerkannt). Die Vorinstanz hat die GHB-Hypothese aufgrund der Haaranalyse und fehlender weiterer Indizien willkürfrei verworfen. Selbst wenn GHB die Ursache gewesen wäre, ändert dies nichts an der objektiven Widerstandsunfähigkeit.
Bezüglich der Erkennbarkeit des Zustands durch den Beschwerdeführer hält das Bundesgericht fest, dass der Beschwerdeführer den Zustand der Privatklägerin sehr wohl wahrgenommen hat. Sie erbrach sich, konnte nicht stehen oder gehen, wusste nicht, wo sie wohnte, obwohl die Wohnung nahe war, und war im Auto "halb schlafend". Diese Umstände waren für ihn klar erkennbar und liessen auf eine starke Beeinträchtigung schliessen, unabhängig von der genauen Ursache.
Der Beschwerdeführer beanstandete weiter die Beweiswürdigung bezüglich des Geschehensablaufs nach der Ankunft in seiner Wohnung. Er bestritt, dass er die Entscheidung zur Mitnahme getroffen habe, und stellte die Glaubwürdigkeit der Feststellung der Vorinstanz in Frage, wonach sich der Zustand der Privatklägerin nicht wesentlich verbessert habe. Er sei willkürlich, einerseits seine Schilderung des Zustands bis zur Ankunft zu glauben, aber seine Darstellung des Geschehens danach abzulehnen (sie sei selbständig aus dem Auto ausgestiegen, habe normal gehen können etc.).
Das Bundesgericht weist auch diese Rügen zurück. Es bestätigt, dass die Vorinstanz willkürfrei zur Überzeugung gelangte, dass der Zustand der Privatklägerin nach der Ankunft nicht plötzlich von fast vollständiger Unfähigkeit zu "normalem" Gehen gewechselt sein konnte, wie vom Beschwerdeführer behauptet. Es sei unglaubwürdig, dass eine Person, die nur wenige Minuten zuvor nicht einmal alleine gehen konnte, nach einer kurzen Autofahrt von 10 Minuten plötzlich "normal" gehen könne. Die Vorinstanz hat auch willkürfrei Ungereimtheiten in den Aussagen des Beschwerdeführers zum Geschehensablauf in seiner Wohnung und zu einem angeblichen Gespräch mit der Privatklägerin festgestellt. Die Aussage des Freundes, dem der Beschwerdeführer angeblich von dem Abend erzählte, hat dies nicht bestätigt und stützt vielmehr die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer selbst das Geschehen nicht als "normalen Abend" betrachtete. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht willkürlich und respektiert den Grundsatz in dubio pro reo in seiner strafprozessualen Dimension (welcher nicht über das Willkürverbot hinausgeht). Der vom Bundesgericht zugrunde gelegte Sachverhalt ist somit bindend.
3.2. Subjektiver Tatbestand (Art. 191 StGB, Vorsatz / Eventualvorsatz)
Der Beschwerdeführer bestritt das Vorliegen des subjektiven Tatbestands (Vorsatz), da er – insbesondere unter Annahme der GHB-Hypothese und ihrer spezifischen Wirkungen – den Zustand der Widerstandsunfähigkeit der Privatklägerin nicht erkannt habe. Er behauptete, sie habe aktiv an den sexuellen Handlungen teilgenommen, was die Vorinstanz nicht genügend widerlegt habe.
Das Bundesgericht hält fest, dass für eine Verurteilung nach Art. 191 StGB Eventualvorsatz genügt (d.h. das Inkaufnehmen der Möglichkeit der Widerstandsunfähigkeit/Urteilsunfähigkeit des Opfers). Basierend auf dem willkürfrei festgestellten Sachverhalt hatte der Beschwerdeführer alle notwendigen Anhaltspunkte, um den Zustand der Privatklägerin zu erkennen (Erbrechen, Geh-/Stehunfähigkeit, Orientierungslosigkeit, "halb schlafend"). Die Feststellung der Vorinstanz, wonach er zumindest in Kauf genommen habe, dass sie aufgrund ihres Zustands nicht in der Lage war, sich sexuellen Annäherungen zu widersetzen, und sie dennoch zu sexuellen Handlungen veranlasste bzw. solche an ihr vornahm, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Behauptung, die Privatklägerin habe aktiv teilgenommen, widerspricht den Feststellungen der Vorinstanz, wonach sie sich gelähmt fühlte und sich nicht bewegen konnte (was sie in ihren Erinnerungsfragmenten schilderte). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Privatklägerin nach Hause und nicht an einen anderen Ort brachte, ändert nichts an der rechtlichen Würdigung. Der Schuldspruch wegen sexueller Handlungen mit widerstandsunfähigen Personen nach Art. 191 StGB wurde vom Bundesgericht bestätigt.
3.3. Strafzumessung (Art. 47 ff. StGB, Art. 50 StGB, Art. 81 Abs. 3 lit. a StPO)
Der Beschwerdeführer rügte schliesslich eine mangelhafte Begründung der Strafzumessung und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Vorinstanz habe die Strafzumessung nicht eigenständig vorgenommen und begründet, sondern sich darauf beschränkt, die Strafe der ersten Instanz zu bestätigen mit dem Hinweis, dass die objektive und subjektive Schuld eine höhere Strafe rechtfertigen würde, dies aber wegen des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius) nicht möglich sei.
In diesem Punkt gibt das Bundesgericht dem Beschwerdeführer Recht. Gemäss Art. 408 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) fällt das Berufungsgericht ein neues Urteil, das an die Stelle des erstinstanzlichen tritt. Wenn es in der Sache eintritt, muss es die Strafe eigenständig festsetzen und gemäss Art. 50 StGB die relevanten Umstände für die Strafzumessung und deren Gewichtung darlegen. Es genügt nicht, lediglich die Begründung der ersten Instanz zu überprüfen oder sich auf das Verschlechterungsverbot zu berufen, ohne eine eigene umfassende Würdigung vorzunehmen (vgl. BGE 141 IV 244 E. 1.3.3). Die Vorinstanz hat es verfehlt, eine eigene, nachvollziehbare Begründung für die festgesetzte Strafe (auch wenn sie mit der erstinstanzlichen identisch ist) zu geben und die relevanten Strafzumessungskriterien (Art. 47 ff. StGB) zu würdigen. Diese mangelhafte Begründung verletzt Art. 50 StGB und den Anspruch auf rechtliches Gehör.
4. Ergebnis des Bundesgerichts
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, jedoch nur hinsichtlich der Rüge der mangelhaften Strafzumessung. Es hebt die Ziffern 4 und 4.1 des Dispositivs des vorinstanzlichen Urteils (betreffend Strafe und bedingten Vollzug) auf und weist die Sache zur neuen Entscheidung über die Strafe an die Vorinstanz zurück.
Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Schuldspruchs wegen sexueller Handlungen mit widerstandsunfähigen Personen, wird die Beschwerde abgewiesen.
Da die Beschwerde teilweise gutgeheissen wurde (wegen eines formellen Mangels bei der Strafzumessung), trägt der Beschwerdeführer einen Teil der Gerichtskosten, und der Kanton Tessin muss ihm eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zahlen.
5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht bestätigt den Schuldspruch wegen sexueller Handlungen mit widerstandsunfähigen Personen (Art. 191 StGB). Es erachtet die Feststellung der Vorinstanz, dass die Privatklägerin objektiv widerstandsunfähig war, als zutreffend und die Ursache dieses Zustands (Alkohol vs. GHB) als unerheblich für den Schuldspruch. Es verwirft die Rügen gegen die Beweiswürdigung als willkürfrei und bejaht das Vorliegen des subjektiven Tatbestands (Eventualvorsatz), da der Beschwerdeführer die offenkundigen Anzeichen der Widerstandsunfähigkeit des Opfers wahrnahm und deren Zustand in Kauf nahm. Das Bundesgericht gibt der Beschwerde jedoch im Punkt der Strafzumessung statt, da die Vorinstanz ihre Strafzumessungsentscheidung nicht eigenständig und nachvollziehbar begründet hat. Die Sache wird zur Neufestsetzung und Begründung der Strafe an die Vorinstanz zurückgewiesen.