Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_573/2023 vom 21. Mai 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_573/2023, 5A_846/2023 vom 21. Mai 2025:

Bundesgericht, Urteil vom 21. Mai 2025 (5A_573/2023, 5A_846/2023) Eheschutzmassnahmen (Zuweisung der Ehewohnung, Unterhaltsbeiträge für Ehefrau und Kind); Berichtigung

Parteien: * Beschwerdeführerin: A._ (Ehefrau) * Beschwerdegegner: B._ (Ehemann)

Gegenstand: Beschwerden gegen Urteile der Cour de justice des Kantons Genf vom 16. Juni 2023 (Eheschutzmassnahmen) und 3. Oktober 2023 (Berichtigung).

Sachverhalt im Überblick: Die Parteien, französische Staatsangehörige, heirateten 2008 in Frankreich unter Gütertrennung. Sie haben einen 2005 geborenen Sohn. Im August 2021 beantragte die Ehefrau Eheschutzmassnahmen in Genf. Das erstinstanzliche Gericht regelte unter anderem die Trennung, die Nutzung der Ehewohnung, die Obhut für den Sohn, das Besuchsrecht sowie Unterhaltsbeiträge für den Sohn (CHF 6'750/Monat) und die Ehefrau (CHF 11'200/Monat). Beide Parteien fochten das Urteil an. Das Kantonsgericht Genf passte die Regelungen mit Urteil vom 16. Juni 2023 an: Zuweisung der Wohnung an die Ehefrau bis 31. Juli 2024, danach an den Ehemann; Anpassung des Kindesunterhalts (CHF 5'500/Monat in 2023, dann CHF 3'200/Monat ab 2024, neu direkt an den Sohn); Anpassung des Ehegattenunterhalts (variable Beträge); Regelungen zur Übernahme von Schul- und Nachhilfekosten sowie zur Steuerlast der Ehefrau. Anschliessend reichten beide Parteien Berichtigungsgesuche gegen das Urteil vom 16. Juni 2023 ein. Das Kantonsgericht wies das Gesuch der Ehefrau (betreffend Schulgebühren des Kindes nach Volljährigkeit) mit Urteil vom 3. Oktober 2023 ab, hiess aber das Gesuch des Ehemannes gut (betreffend Verrechnung eines Unterhaltsüberhangs mit Steuerforderungen). Die Ehefrau reichte gegen beide kantonalen Urteile Beschwerden in Zivilsachen beim Bundesgericht ein. Während des bundesgerichtlichen Verfahrens wurde der Sohn volljährig und erklärte stillschweigend seine Zustimmung zu den Anträgen der Mutter, soweit sie ihn betreffen. Die Ehefrau zog ihren Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung nach dem 31. Juli 2024 zurück.

Massgebende Erwägungen des Bundesgerichts:

  1. Verfahren (Ziff. 1, 2, 3.1-3.4 BGer): Die beiden Beschwerden, welche denselben Sachverhaltskomplex betreffen, werden vereinigt (Art. 24 BPC i.V.m. Art. 71 BGG). Bei Eheschutzmassnahmen und Berichtigungsentscheiden handelt es sich um vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Dies bedeutet, dass vor Bundesgericht nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie explizit erhoben und detailliert begründet werden (Rügeprinzip, Art. 106 Abs. 2 BGG). Reine appellatorische Kritik ist unzulässig. Willkür (Art. 9 BV) liegt nur vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder in krasser Weise gegen eine klare Rechtsnorm verstösst, nicht schon, wenn eine andere Lösung denkbar wäre. Bei der Sachverhaltsfeststellung kann Willkür gerügt werden (Art. 9 BV, Art. 105 Abs. 1 BGG), aber auch hier gilt das Rügeprinzip. Neue Tatsachen oder Beweismittel sind grundsätzlich unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG), es sei denn, sie resultieren aus dem angefochtenen Entscheid oder machen die Beschwerde gegenstandslos (wie ein späteres ausländisches Urteil). Das Bundesgericht hält fest, dass die Ehefrau trotz Volljährigkeit des Sohnes weiterhin in eigenem Namen für den nachehelichen Unterhalt des Kindes klagen kann, da der Sohn stillschweigend zugestimmt hat (Art. 142 III 78).

  2. Wirkung des französischen Scheidungsverfahrens und der provisorischen Massnahmen (Ziff. 4 BGer):

    • Grundsatz: Die schweizerische Zuständigkeit für Eheschutzmassnahmen entfällt, wenn ein Scheidungsverfahren im Ausland rechtshängig ist, es sei denn, ein ausländisches Scheidungsurteil wäre in der Schweiz offensichtlich nicht anerkennbar (Art. 46 IPRG; BGE 134 III 326). Bereits angeordnete schweizerische Eheschutzmassnahmen bleiben gültig, bis das ausländische Scheidungsgericht oder ein schweizerisches Gericht (gestützt auf Art. 10 IPRG) sie abändert oder aufhebt (BGE 134 III 326). Massnahmen, die vom ausländischen Gericht im Scheidungsverfahren getroffen wurden und in der Schweiz anerkennbar und vollstreckbar sind, lassen frühere schweizerische Eheschutzmassnahmen hinfällig werden (BGE 104 II 246).
    • Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens (LugÜ): Unterhaltspflichten fallen in den Anwendungsbereich des LugÜ 2007 (Art. 5 Ziff. 2 LugÜ). Das Gericht, das für das Scheidungsverfahren zuständig ist (hier das französische Gericht aufgrund gemeinsamer Staatsangehörigkeit gemäss Art. 5 Ziff. 2 lit. b LugÜ), ist auch für akzessorische Unterhaltspflichten zuständig.
    • Anerkennung und Vollstreckung nach LugÜ: Im LugÜ geborene Entscheide werden in anderen Vertragsstaaten ohne besonderes Verfahren anerkannt (Art. 33 Ziff. 1 LugÜ), es sei denn, es liegen Verweigerungsgründe vor (Art. 34, 35 LugÜ). Auch provisorische Massnahmen können anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden (BGE 143 III 693). Liegen ausländische provisorische Massnahmen vor, die in der Schweiz anerkennungs- und vollstreckungsfähig sind, kann dieselbe Angelegenheit nicht mehr vor ein schweizerisches Gericht gebracht werden (Urteil 5A_801/2017).
    • Anwendung auf den Fall: Der Ehemann hat am 11. April 2022 in Frankreich ein Scheidungsverfahren eingeleitet. Die französische Zuständigkeit wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und ist gegeben. Das Bundesgericht nimmt das Urteil des Cour d'appel de Paris vom 26. September 2024 zur Kenntnis, welches provisorische Unterhaltszahlungen für die Ehefrau und den Sohn festlegt. Dieses Urteil ist in der Schweiz gemäss LugÜ anerkennungs- und vollstreckungsfähig. Provisorische Massnahmen in Frankreich sind sofort vollstreckbar. Daher werden die schweizerischen Eheschutzmassnahmen, soweit sie die Unterhaltsbeiträge betreffen, seit Inkrafttreten der französischen provisorischen Massnahmen am 2. März 2023 hinfällig. Dies macht einen Grossteil der Unterhaltsrügen der Beschwerdeführerin gegenstandslos.
  3. Zuweisung der Ehewohnung (Ziff. 5 BGer): Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Zuweisung der Wohnung nach dem 31. Juli 2024 zurückgezogen. Dieser Punkt ist somit gegenstandslos.

  4. Schul- und Nachhilfekosten des Kindes nach Volljährigkeit (Ziff. 6 BGer):

    • Zulässigkeit: Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde gegen den Berichtigungsentscheid vom 3. Oktober 2023 zusätzliche Argumente gegen das ursprüngliche Eheschutzurteil vom 16. Juni 2023 vorbringt, sind diese unzulässig, da die Beschwerdefrist für das ursprüngliche Urteil abgelaufen war (BGE 143 III 520).
    • Begründetheit: Die Rügen sind teilweise hinfällig, da das französische Urteil die Übernahme von Schulgebühren bis Ende Schuljahr 2023/2024 und Universitätskosten ab September 2024 regelt (Ziff. 2 BGer). Im Übrigen war es nicht willkürlich, dass das Kantonsgericht im Eheschutzurteil nur die Übernahme der Kosten für die Schule D.__ nach Volljährigkeit des Sohnes (bis Abschluss des dortigen Cursus) anordnete. Es war nicht unhaltbar, die Anordnung der Übernahme allfälliger weiterer Schulkosten nach Volljährigkeit abzulehnen, da diese Kosten nicht konkret bekannt waren und kein Studienplan vorlag. Die Bedingungen für eine Berichtigung des Urteils gemäss Art. 334 Abs. 1 ZPO lagen diesbezüglich nicht vor.
  5. Zulässigkeit spontaner Eingaben/Fristverlängerungen des Ehemanns (Ziff. 7 BGer): Die Beschwerdeführerin rügt willkürliche Anwendung von Verfahrensrecht, indem das Gericht spontane Eingaben des Ehemanns zuließ oder Fristen verlängerte. Das Bundesgericht erklärt, dass die von der Beschwerdeführerin zitierte 10-Tagesfrist (Art. 314 Abs. 1 ZPO) für die Antwort auf die Berufung gilt, nicht für spontane Stellungnahmen. Vor der Gesetzesänderung per 1. Januar 2025 (Art. 53 Abs. 3 ZPO) konnte das Gericht bei spontanen Eingaben das Dokument zur Information zusenden, ohne eine explizite Frist anzusetzen, solange die Partei genügend Zeit hatte, selbständig eine Stellungnahme einzureichen oder eine Frist zu beantragen. Das Gericht hat hier dem Ehemann eine Frist gesetzt, was im Einklang mit der Praxis stand. Die Rüge ist unbegründet und appellatorisch.

  6. Einkommen der Ehefrau (Drehbuchautorin) (Ziff. 8 BGer): Die Beschwerdeführerin rügt Willkür bei der Festsetzung ihres Einkommens als Drehbuchautorin auf CHF 7'500 netto pro Monat. Das Bundesgericht wiederholt die Grundsätze zur Einkommensermittlung bei Selbständigerwerbenden, insb. die Berücksichtigung des Durchschnitts über mehrere Jahre bei fluktuierenden Einkommen (i.d.R. 3, bei starken Schwankungen länger) und die Möglichkeit, Ausreisserjahre zu ignorieren oder das Einkommen im Sinne eines hypothetischen Einkommens anzurechnen. Das Kantonsgericht hat das Einkommen über 5 Jahre gemittelt, aber das Jahr 2022 als nicht repräsentativ ausgeschlossen, während es das hohe Einkommen von 2018 berücksichtigt hat. Die Beschwerdeführerin stellt dem lediglich ihre eigene Berechnung und ihre eigene Auffassung entgegen. Sie zeigt nicht auf, inwiefern die Würdigung der Vorinstanz willkürlich sein soll, insbesondere greift sie nicht die Annahme des hypothetischen Einkommens von CHF 7'500 an. Ihre Kritik ist rein appellatorisch und unzulässig (Art. 106 Abs. 2 BGG).

  7. Bemessung des Ehegattenunterhalts und Zahlungsrückstands (Ziff. 9 BGer): Die Beschwerdeführerin kritisiert die Höhe des ihr zugesprochenen Unterhalts und die Berechnung des Zahlungsrückstands für die Periode September-Dezember 2022.

    • Relevante Periode: Aufgrund der Wirkung des französischen Urteils ist diese Rüge nur für die Periode September 2022 bis Februar 2023 relevant.
    • Unterhaltsbemessung: Das Kantonsgericht hat die konkrete Methode (Lebensstandardmethode) angewendet, wie von der Ehefrau beantragt. Die Ehefrau kann nun nicht rügen, das Gericht hätte den "Verfügungsüberschuss" des Ehemanns nicht verteilt, da eine Mischung der Methoden unzulässig ist (BGE 147 III 293). Ihre Behauptung, das Gericht habe willkürlich die meisten ihrer als erwiesen bezeichneten Ausgaben abgelehnt, obwohl sie einen sehr hohen Lebensstandard hatten, ist ebenfalls appellatorisch. Sie zeigt nicht auf, inwiefern das Ergebnis willkürlich ist oder einzelne Ausgaben willkürlich abgelehnt wurden (z.B. Kunstkauf nicht nachgewiesen, Garten/Möbelkosten nicht als notwendig für die fragliche Periode dargelegt).
    • Zahlungsrückstand: Die Beschwerdeführerin kritisiert die Berechnung des Rückstands für September-Dezember 2022, indem sie behauptet, ihre Bestreitung der vom Ehemann geltend gemachten Direktzahlungen sei vom Gericht willkürlich übergangen worden. Sie verweist auf verschiedene Eingaben und ein Schreiben ihres Anwalts. Das Bundesgericht stellt fest, dass die Beschwerdeführerin die Motivation der Vorinstanz, welche die Nichtbestreitung annahm, nicht substanziert angreift. Ihre Rüge ist unzulässig (Art. 106 Abs. 2 BGG).
  8. Berichtigung des Urteils (Verrechnung des Überhangs) (Ziff. 10 BGer): Die Beschwerdeführerin rügt, das Kantonsgericht habe willkürlich die Berichtigung zugunsten des Ehemanns zugelassen, die ihm erlaubt, einen Überhang aus Unterhaltszahlungen (CHF 38'252 für Sep-Dez 2022) mit den Steuern der Ehefrau für 2021 zu verrechnen. Das Kantonsgericht sah darin eine offensichtliche Unachtsamkeit, die berichtigt werden konnte. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich darauf, dies als willkürlich und für sie nachteilig zu bezeichnen. Ihre Kritik ist rein appellatorisch und unzulässig (Art. 106 Abs. 2 BGG).

  9. Kosten der Berichtigungsprozedur (Ziff. 11 BGer): Die Beschwerdeführerin rügt willkürliche Anwendung von Art. 106 und 107 ZPO, da ihr die Kosten und Parteientschädigung für ihr unterlegenes Berichtigungsgesuch auferlegt wurden, obwohl es sich um Familiensachen handelt und grosse finanzielle Unterschiede bestehen. Das Bundesgericht erklärt, dass Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO (abweichende Kostenverteilung in Familiensachen) eine Kann-Bestimmung ist. Das Gericht hat bei deren Anwendung ein grosses Ermessen. Allein der Umstand, dass es sich um eine Familiensache handelt oder eine grosse finanzielle Differenz besteht, zwingt das Gericht nicht, von der Grundregel des Unterliegensprinzips (Art. 106 Abs. 1 ZPO) abzuweichen. Da das Berichtigungsgesuch der Ehefrau abgewiesen wurde, war es nicht willkürlich, die Kosten und Parteientschädigung ihr aufzuerlegen. Die Rüge ist unbegründet, soweit genügend substanziert.

Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit sie zulässig sind und noch einen Gegenstand haben. Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG), ebenso eine Parteientschädigung an den Beschwerdegegner (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Ein Grossteil der Rügen betreffend Unterhaltsbeiträge wird gegenstandslos, da das schweizerische Eheschutzverfahren seit dem 2. März 2023 durch anerkennungs- und vollstreckungsfähige provisorische Massnahmen eines französischen Scheidungsgerichts ersetzt wurde.
  2. Die Beschwerdeführerin konnte vor Bundesgericht gestützt auf Art. 98 BGG nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen und musste dies substanziiert tun (Rügeprinzip). Appellatorische Kritik war unzulässig.
  3. Die Rügen betreffend die Festsetzung des Einkommens der Ehefrau, die Höhe des Ehegattenunterhalts und die Berechnung des Zahlungsrückstands wurden als unsubstanziiert oder rein appellatorisch abgewiesen.
  4. Die Ablehnung der Berichtigung des Urteils bezüglich der Schul- und Nachhilfekosten des Sohnes nach Volljährigkeit war nicht willkürlich, da die fraglichen Kosten nicht konkretisiert waren und das Gericht bereits Regelungen für den aktuellen Ausbildungsgang getroffen hatte.
  5. Die Zulassung spontaner Eingaben des Ehemanns und gewährte Fristen entsprachen der damaligen Rechtsprechung zum Recht auf Replik.
  6. Die Auferlegung der Kosten und Parteientschädigung für das unterlegene Berichtigungsgesuch auf die Beschwerdeführerin war nicht willkürlich, auch wenn es sich um eine Familiensache handelte und finanzielle Unterschiede bestanden, da die Anwendung von Art. 107 ZPO im Ermessen des Gerichts liegt.