Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_832/2024 vom 20. Mai 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_832/2024 vom 20. Mai 2025:

Bundesgericht 5A_832/2024 vom 20. Mai 2025

Parteien: * Beschwerdeführerin: A._ (Ehefrau des Erblassers) * Beschwerdegegner 1: B._ (Sohn des Erblassers) * Beschwerdegegner 2: C.__ (Testamentsvollstrecker)

Gegenstand: Erbrecht, Zuständigkeit (Örtliche Zuständigkeit für die Eröffnung des Erbgangs)

Vorinstanz: Chambre des recours civile des Tribunal cantonal du canton de Vaud (Kantonales Obergericht, Zivilrechtliche Beschwerdekammer)

Verfahrensgeschichte und Sachverhalt:

Der Erblasser D._, ursprünglich aus Lausanne, verstarb am 26. Juli 2019 in Frankreich. Mit notariellem Testament vom 24. Juli 2018, errichtet in Monaco, hatte er frühere Verfügungen widerrufen, seinen Sohn B._ als Alleinerben eingesetzt, seine Ehefrau A._ (die Beschwerdeführerin) enterbt und C._ als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Im Testament erklärte er, seit dem 15. Juni 2011 seinen Wohnsitz in Monaco zu haben und unterwarf seine gesamte Nachfolge dem Schweizer Recht (professio juris). Ein handschriftliches Kodizill vom 17. März 2019 bestätigte das Testament. Zum Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser in Monaco in Scheidung von der Beschwerdeführerin. Ein monegassisches Gericht hatte sich am 14. Februar 2019 für das Scheidungsverfahren für zuständig erklärt, basierend auf dem festgestellten Wohnsitz des Erblassers in Monaco.

Nach dem Tod des Erblassers reichte der Testamentsvollstrecker das Testament und die Sterbeurkunde beim Friedensrichter (Justice de Paix) des Bezirks Lausanne ein. Dieser erklärte sich am 16. Oktober 2019 für die Abwicklung des Erbgangs für zuständig. Dieser Entscheid wurde vom Kantonsgericht wegen Verletzung des Gehörsanspruchs der Beschwerdeführerin aufgehoben und zur Neubeurteilung an den Friedensrichter zurückgewiesen.

Der Friedensrichter bekräftigte am 5. Mai 2020 seine örtliche Zuständigkeit für die Nachfolge. Das Kantonsgericht bestätigte diesen Entscheid am 22. Juni 2020.

Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde beim Bundesgericht. Mit Urteil vom 2. Februar 2022 (Verfahren 5A_653/2020) hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, hob den Entscheid des Kantonsgerichts auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Feststellungen des Kantonsgerichts zum letzten Wohnsitz des Erblassers in Monaco nicht überzeugend seien. Die testamentarischen Erklärungen seien nicht entscheidend, da der Wohnsitz nicht vom inneren Willen abhänge. Verwaltungsdokumente seien lediglich Indizien, die einer physischen Präsenz von gewisser Dauer bedürfen. Der Wohnsitz befinde sich am Ort der intensivsten Beziehungen. Das angefochtene Urteil sei lückenhaft bezüglich der Beziehungen des Erblassers zu Gstaad. Die abgelehnten Beweisanträge der Beschwerdeführerin zielten gerade darauf ab, diesen Aspekt zu klären. Die bisherigen Feststellungen liessen nicht mit Gewissheit schliessen, dass die Verbindungen zu Monaco jene zu Gstaad an Intensität übertrafen. Mangels ausreichender Sachverhaltsfeststellungen verletzte das Urteil Bundesrecht. Die Sache wurde zur Ergänzung der Sachverhaltsabklärung zurückgewiesen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Beweisanträge der Beschwerdeführerin.

Nach der Rückweisung durch das Bundesgericht wies das Kantonsgericht die Sache am 6. Mai 2022 ebenfalls an den Friedensrichter zurück, um die Sachverhaltsermittlung gemäss den Erwägungen des Bundesgerichts zu ergänzen. Der Friedensrichter forderte die Parteien auf, weitere Beweismittel zum letzten Wohnsitz beizubringen. Die Parteien reichten neue Unterlagen ein. Die Beschwerdeführerin bekräftigte ihre Editionsbegehren bezüglich Unterlagen zu Gstaad.

Mit Entscheid vom 24. August 2023 wies der Friedensrichter die Editionsbegehren der Beschwerdeführerin ab und erklärte erneut seine örtliche Zuständigkeit. Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde beim Kantonsgericht. Mit Urteil vom 29. Oktober 2024 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.

Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:

Das Bundesgericht hatte in diesem Verfahren zu prüfen, ob das Kantonsgericht im Nachgang zum Rückweisungsentscheid 5A_653/2020 korrekt entschieden hat, insbesondere ob die Sachverhaltsfeststellung zum letzten Wohnsitz des Erblassers ausreichend und nicht willkürlich war und ob die Beweisanträge der Beschwerdeführerin zu Recht abgewiesen wurden.

  1. Zulässigkeit der Beschwerde: Das Bundesgericht stellt fest, dass die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit (Art. 92 BGG) in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 BGG) von letzter kantonaler Instanz (Art. 75 Abs. 1, 2 BGG) erhoben wurde. Der Streitwert übersteigt den gesetzlichen Schwellenwert (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerdeführerin, die vorinstanzlich unterlegen ist, ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist somit grundsätzlich zulässig.

  2. Autorität des Rückweisungsentscheids und Kognition des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erinnert an den Grundsatz der Autorität des Rückweisungsentscheids (Art. 107 Abs. 2 BGG in Verbindung mit Art. 110 BGG a contrario), wonach die kantonale Behörde an die rechtlichen Erwägungen des Bundesgerichts gebunden ist. Die Kognition des Bundesgerichts ist im vorliegenden Fall auf die Prüfung von Rechtsverletzungen beschränkt (Art. 95 ff. BGG). Bei der Rüge der Verletzung von Grundrechten (z.B. Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) gilt das qualifizierte Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Bei der Überprüfung von Sachverhaltsfeststellungen, die von der Vorinstanz nur unter dem Blickwinkel der Willkür (Art. 320 lit. b ZPO) überprüft wurden, prüft das Bundesgericht die Anwendung dieses eingeschränkten Kognitionsrahmens frei (Verbot der "Willkür im Quadrat").

  3. Verletzung der Autorität des Rückweisungsentscheids und Hierarchie der Gerichte: Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe die Anweisungen des Bundesgerichts zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung nicht korrekt befolgt, indem sie ihre Editionsbegehren abwies. Das Bundesgericht weist diese Rüge zurück. Das Kantonsgericht habe zu Recht erwogen, dass der Friedensrichter die Anweisungen befolgt habe, indem er den Parteien Gelegenheit zur Einreichung weiterer Unterlagen gab. Die Abweisung der Editionsbegehren sei davon zu unterscheiden. Das Bundesgericht habe im Rückweisungsentscheid lediglich festgehalten, dass die Begehren "gegebenenfalls" zu berücksichtigen seien, d.h., wenn dies zur Klärung des Sachverhalts notwendig sei. Der Friedensrichter habe sich auch nicht auf die frühere Instruktion beschränkt, sondern die neu eingereichten umfangreichen Akten geprüft. Die Tatsache, dass der Friedensrichter gewisse Dokumente der Beschwerdeführerin als zu alt oder nicht relevant beurteilte, stehe im Einklang mit dem Rückweisungsentscheid, der eine Untersuchung relevanterer, jüngerer Beweise (ab 2015) verlangte. Die Beschwerdeführerin zeige nicht hinreichend auf, welche relevanten, mit den von den Beschwerdegegnern eingereichten Dokumenten zu Monaco vergleichbaren Dokumente zu Gstaad noch hätten beigebracht werden müssen und nicht schon im Dossier waren.

  4. Verletzung des Gehörsanspruchs (mangelnde Begründung): Die Beschwerdeführerin beanstandet, das Kantonsgericht habe ihre detaillierten Argumente zur Unzulänglichkeit der Beweismittel und zur Notwendigkeit weiterer Abklärungen nicht hinreichend geprüft und begründet. Das Bundesgericht hält fest, dass das Recht auf Begründung gemäss Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die für ihren Entscheid wesentlichen Gründe nennt, damit der Adressat den Entscheid anfechten kann. Es muss nicht auf jedes Argument eingegangen werden. Im vorliegenden Fall seien die Gründe für die Abweisung der Beschwerde und die Bejahung der Zuständigkeit im angefochtenen Entscheid klar erkennbar (vgl. nachfolgende Erwägung). Die Beschwerdeführerin habe die Tragweite der Begründung verstanden und sie sachgerecht angefochten. Die Rüge laufe letztlich auf eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der Beweiswürdigung hinaus und betreffe nicht die Begründungspflicht als solche.

  5. Unzureichende Sachverhaltsabklärung, Verletzung des Beweisrechts und willkürliche Sachverhaltsfeststellung/Anwendung der Zuständigkeitsnormen: Die Beschwerdeführerin macht im Kern geltend, die Sachverhaltsermittlung sei weiterhin lückenhaft, da die Beziehungen des Erblassers zu Gstaad nicht angemessen untersucht und mit jenen zu Monaco verglichen worden seien. Dies verletze ihr Beweisführungsrecht sowie die massgeblichen Zuständigkeitsnormen (Art. 20 Abs. 1 lit. a, 86 Abs. 1, 87 Abs. 2 IPRG; Art. 59 ZPO) und beruhe auf willkürlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 9 BV).

    • Beweisrecht (Art. 29 Abs. 2 BV, 152 Abs. 1 ZPO): Das Bundesgericht hält fest, dass das Recht auf Beweis nicht verletzt ist, wenn eine Behörde aufgrund einer antizipierten Beweiswürdigung zum Schluss gelangt, dass ein beantragtes Beweismittel den erwarteten Nachweis nicht erbringen oder die bereits gewonnene Überzeugung nicht ändern würde. Die Beschwerdeführerin müsse in diesem Fall Willkür bei der Beweiswürdigung rügen.
    • Willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Art. 9 BV) / Anwendung IPRG/ZPO: Das Kantonsgericht habe, gestützt auf die ergänzend beigebrachten Unterlagen, die Beurteilung des Friedensrichters bestätigt, wonach der Erblasser seinen persönlichen Lebensmittelpunkt in Monaco hatte, wo er mit seiner Lebensgefährtin und in der Nähe seiner nahen Familie lebte, während das Chalet in Gstaad ein Winterferienort war. Die Ablehnung der Editionsbegehren sei weder willkürlich gewesen noch habe sie das Beweisführungsrecht oder die anwendbaren Zuständigkeitsnormen verletzt.
      • Das Bundesgericht schliesst sich der Beurteilung der Vorinstanz an, dass die im Dossier vorhandenen Dokumente (insbesondere die neu eingereichten) zur Beurteilung der Frage des letzten Wohnsitzes ausreichten und eine Rückdatierung der Untersuchung auf die Zeit vor 2015 nicht nötig war. Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente seien entweder zu alt oder nicht relevant.
      • Die Editionsbegehren der Beschwerdeführerin überschritten weitgehend den Streitgegenstand oder seien für die Klärung des Wohnsitzes nicht geeignet (z.B. Mitgliedschaften in Clubs, Personalverträge für Gstaad-Personal, Kunstwerke in Gstaad, Schmuckrechnungen). Solche Elemente seien nach der Rechtsprechung nur dann relevant, wenn sie nicht auf einen intermittierenden Aufenthalt hindeuten.
      • Die Vorinstanz habe zu Recht den persönlichen und familiären Lebensmittelpunkt als entscheidendes Kriterium hervorgehoben. Die von den Beschwerdegegnern eingereichten Dokumente belegten nach Ansicht des Bundesgerichts überzeugend, dass der Erblasser mit seiner Lebensgefährtin in Monaco wohnte und sein einziger Sohn, die Schwiegertochter und die Enkelinnen ebenfalls in Monaco oder in der Nähe lebten. Zahlreiche Dokumente (Aufenthaltskarten, Telefonrechnungen, Arbeitsvertrag des Sohnes, Kauf einer Wohnung in der Nähe durch den Sohn, Geburt einer Enkelin in Monaco) unterstützten diese Feststellung. Diese Feststellung sei nicht willkürlich. Die Beschwerdeführerin habe keine konkreten Elemente beigebracht, die einen anderen familiären Lebensmittelpunkt belegen würden.
      • Die Liste der Flüge des Privatjets des Erblassers zeige, dass er im letzten Lebensjahr nur 40 Nächte in der Schweiz verbrachte, hauptsächlich im Winter. Das Bundesgericht hält fest, dass die Methode zur Zählung der Nächte (Ankunfts- und Abflugtage des Jets) verständlich sei. Auch wenn nicht jeder Aufenthalt in der Schweiz in Gstaad stattfand oder andere Transportmittel genutzt wurden, ändert eine allfällige kleine Abweichung nichts an der Beurteilung des Aufenthalts in Gstaad als intermittierend.
      • Der Vergleich des Stromverbrauchs zwischen dem Chalet in Gstaad und der Wohnung in Monaco sei, wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, wegen der unterschiedlichen Natur der Liegenschaften und klimatischen Bedingungen nicht aussagekräftig für die Frage des Lebensmittelpunkts.
      • Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin nicht aufzeigen konnte, dass das Kantonsgericht willkürlich gehandelt oder Recht verletzt habe, indem es annahm, dass die Verbindungen des Erblassers zu Monaco die zu Gstaad an Intensität übertrafen, insbesondere im Hinblick auf seine persönlichen und familiären Interessen in Monaco und seinen intermittierenden Aufenthalt in Gstaad. Argumente wie die Grösse oder das Anschaffungsdatum der Liegenschaften seien nicht entscheidend.
      • Da die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz (Monaco als Ort der intensivsten Beziehungen) nicht als willkürlich befunden wurde, war die Anwendung der Zuständigkeitsnormen (die auf den letzten Wohnsitz abstellen) durch die Vorinstanz nicht zu beanstanden. Das Bundesgericht bejaht somit, indem es die Beschwerde abweist, die von der Vorinstanz bejahte örtliche Zuständigkeit des Friedensrichters Lausanne (basierend auf einem wohl in der Schweiz bejahten Wohnsitz oder einer anderen Zuständigkeitsgrundlage, die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergab und vom Bundesgericht im Rahmen der Willkürprüfung nicht widerlegt wurde).

Schlussfolgerung:

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt. Den Beschwerdegegnern wird keine Parteientschädigung zugesprochen, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Streitgegenstand: Örtliche Zuständigkeit einer schweizerischen Behörde für die Eröffnung des Erbgangs, abhängig vom letzten Wohnsitz des Erblassers.
  2. Verfahrenshistorie: Nach einer ersten Runde vor Bundesgericht (Urteil 5A_653/2020), die zur Rückweisung wegen unzureichender Sachverhaltsfeststellung bezüglich der Beziehungen zu Gstaad führte, erliess die Vorinstanz einen neuen Entscheid, der die Zuständigkeit bejahte und Beweisanträge der Beschwerdeführerin abwies.
  3. Kern der bundesgerichtlichen Prüfung: Überprüfung der neuen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz auf Willkür und Verletzung des Beweisrechts/Gehörsanspruchs im Lichte des Rückweisungsentscheids.
  4. Massgebende Kriterien für den Wohnsitz: Der Ort der intensivsten Beziehungen, insbesondere der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt.
  5. Ergebnis der Beweiswürdigung der Vorinstanz (vom Bundesgericht bestätigt): Die Beziehungen des Erblassers zu Monaco, insbesondere der familiäre Lebensmittelpunkt (Sohn, Schwiegertochter, Enkelinnen in der Nähe) und das Zusammenleben mit der Lebensgefährtin, waren intensiver als die Beziehungen zu Gstaad (überwiegend saisonaler, intermittierender Aufenthalt von kurzer Dauer).
  6. Abweisung der Beweisanträge der Beschwerdeführerin: Erfolgte aufgrund einer nicht willkürlichen antizipierten Beweiswürdigung der Vorinstanz. Die beantragten Beweismittel wurden als irrelevant oder bereits abgedeckt beurteilt.
  7. Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Die Beschwerdeführerin konnte nicht nachweisen, dass die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz bezüglich der Wohnsitzfrage willkürlich war oder dass ihr Beweisführungsrecht verletzt wurde. Das Bundesgericht bestätigt die von der Vorinstanz bejahte örtliche Zuständigkeit.