Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_496/2024 vom 21. Mai 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 5A_496/2024 des schweizerischen Bundesgerichts:

Bundesgerichtsurteil 5A_496/2024 vom 21. Mai 2025

Gegenstand: Vorsorgliche Massnahmen (Ehescheidung) – Abänderung Kindes- und Ehegattenunterhalt

Verfahrensbeteiligte: * Beschwerdeführer: A._ (Ehemann) * Beschwerdegegnerin: B._ (Ehefrau) * Weitere beteiligte Personen (nicht direkt Parteien): C._, D._ (gemeinsame Kinder), E._ (neue Lebenspartnerin des A._), F._ (gemeinsames Kind von A._ und E.__)

Vorinstanz: Kantonsgericht Schwyz, 2. Zivilkammer (Beschluss vom 19. Juni 2024)

Ausgangslage und Prozessgeschichte (relevant für die Beurteilung): Die Parteien sind verheiratet, leben seit 2019 getrennt und haben zwei gemeinsame Kinder (geb. 2009 und 2014). Ein Eheschutzentscheid aus dem Jahr 2021 regelte die Unterhaltsbeiträge. Seit Juni 2021 ist das Scheidungsverfahren hängig. Der Beschwerdeführer beantragte mit Gesuch vom Januar 2022 im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen eine Herabsetzung der im Eheschutz festgesetzten Unterhaltsbeiträge, u.a. aufgrund veränderter Erwerbssituation. Er hat zudem mit seiner neuen Lebenspartnerin ein weiteres Kind (geb. Oktober 2023). Das Bezirksgericht passte die Unterhaltsbeiträge mit Verfügung vom Februar 2023 an. Beide Parteien legten Berufung beim Kantonsgericht ein. Das Kantonsgericht passte die Unterhaltsbeiträge erneut an, teilweise abweichend von den erstinstanzlichen Beträgen und unter Einbezug der Geburt des dritten Kindes des Beschwerdeführers, was zu einer Aufteilung der Unterhaltsberechnung in zwei Phasen (vor und nach Geburt von F.__) führte. Gegen diesen Beschluss des Kantonsgerichts reichte der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein.

Wesentliche Streitpunkte vor Bundesgericht: 1. Die Anrechnung von Geldbezügen des Beschwerdeführers aus seiner G._ GmbH als Vermögensverzehr zur Deckung von Unterhaltsverpflichtungen. 2. Die Berücksichtigung des Bedarfs der neuen Lebenspartnerin (E._) des Beschwerdeführers im Rahmen der Betreuungsunterhaltsberechnung für ihr gemeinsames Kind (F.__) und dessen Auswirkungen auf die Unterhaltskapazität des Beschwerdeführers für die erste Familie.

Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:

Das Bundesgericht prüft Massnahmenentscheide (Art. 276 ZPO) gestützt auf Art. 98 BGG nur auf Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Willkür gemäss Art. 9 BV). Sachverhaltsfeststellungen können nur korrigiert werden, wenn sie verfassungsmässige Rechte verletzen (z.B. offensichtlich unrichtig oder aktenwidrig sind).

Zum ersten Streitpunkt: Anrechnung von Geldbezügen als Vermögensverzehr (E. 3) * Grundsatz Vermögensverzehr: Das Bundesgericht erinnert an den Grundsatz, dass der Unterhalt grundsätzlich aus laufendem Einkommen zu decken ist. Ein Rückgriff auf die Vermögenssubstanz ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn das Einkommen nicht ausreicht (BGE 147 III 393 E. 6.1.1). Ob und in welchem Umfang Vermögen zumutbar für den Unterhalt eingesetzt werden muss, ist eine Ermessensfrage, die anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (BGE 147 III 393 E. 6.1.2 ff.). Das Bundesgericht schreitet bei Ermessensentscheiden nur bei Willkür ein (Art. 4 ZGB i.V.m. Art. 9 BV, BGE 147 III 393 E. 6.1.8). * Argumentation der Vorinstanz: Das Kantonsgericht hatte dem Beschwerdeführer im Eheschutz ein hohes Einkommen aus seiner GmbH angerechnet. Nachdem dieses Einkommen weggefallen war (Hauptkunde weg, neue Anstellung mit geringerem Lohn), stellte sich die Frage, ob er die Unterhaltsbeiträge in der bisherigen Höhe weiterhin aus seinem Vermögen decken müsse. Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2020 und 2021 erhebliche Gelder (ca. Fr. 37k, Fr. 127k, Fr. 8k, Fr. 25k) von der GmbH bezogen hatte. Sie erachtete es als zumutbar, dass er die Hälfte dieser Bezüge (ca. Fr. 99k) "im Sinne eines Vermögensverzehrs" zur Bestreitung seiner Unterhaltsverpflichtungen einsetzt. Dies begründete sie damit, dass unklar sei, wofür die Gelder verwendet wurden. Sie rechnete ihm deswegen für die Zeit vom Januar bis September 2022 (rund 9 Monate) ein monatliches Einkommen in der Höhe des ehemaligen GmbH-Einkommens an (Fr. 34'385.-- anstatt des tatsächlichen Lohns von Fr. 12'765.75). * Argumentation des Beschwerdeführers: Er rügt, dass die Vorinstanz diese Geldbezüge fälschlicherweise als Vermögen qualifiziert habe. Dies seien Einkommensbestandteile gewesen. Die Annahme, dass er per 6. Januar 2022 über ein Vermögen in dieser Höhe verfügt habe, sei aktenwidrig und willkürlich. Die Vorinstanz habe keine Begründung dafür geliefert, weshalb ihm aufgrund dieser Mittelentnahmen ein Vermögensverzehr zuzumuten sei, und sei dabei von den Kriterien des BGE 147 III 393 abgewichen. Die Berechnung sei in sich widersprüchlich. * Beurteilung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht gibt dem Beschwerdeführer Recht. * Die Vorinstanz hat ihre Beurteilung auf die bezogenen Gelder gestützt, anstatt auf die tatsächlich vorhandene Vermögenssubstanz (E. 3.6.2). Dies weicht vom Grundsatz des Vermögensverzehrs ab. Die Annahme, dass die Mittelentnahmen noch als Vermögen beim Beschwerdeführer vorhanden waren, sei unhaltbar, da die Vorinstanz dies nicht geprüft habe. * Die Vorinstanz hat keine ausreichende Begründung dafür gegeben, weshalb ein Vermögensverzehr zumutbar sein soll (E. 3.6.3). Sie hat keine umfassende Einzelfallprüfung anhand der Kriterien des BGE 147 III 393 (Bedeutung des Vermögens, Funktion, Zusammensetzung, Ausmass und Dauer des Verzehrs, Verhalten) vorgenommen. Die pauschale Feststellung, es sei zumutbar, die Hälfte der Bezüge zu verwenden, genügt nicht. * Auch die Höhe des zumutbaren Verzehrs wurde unzureichend begründet. Die Vorinstanz stützte sich auf die Summe der bezogenen Gelder, anstatt das tatsächlich vorhandene Vermögen zu ermitteln (E. 3.6.4). * Schliesslich war es methodisch falsch, aufgrund des angenommenen Vermögensverzehrs ein höheres Einkommen anzurechnen. Wenn ein Vermögensverzehr zumutbar ist, wird ein monatlicher Beitrag aus dem Vermögen zur Bedarfsdeckung festgelegt, nicht das fiktive Einkommen erhöht. * Ergebnis zum ersten Streitpunkt: Die Argumentation der Vorinstanz zum Vermögensverzehr ist willkürlich und weicht von der Rechtsprechung ab. Die Beschwerde ist insoweit begründet.

Zum zweiten Streitpunkt: Betreuungsunterhalt für das neue Kind und Bedarf der Lebenspartnerin (E. 4) * Grundsatz Betreuungsunterhalt: Das Bundesgericht präzisiert, dass der Betreuungsunterhalt (Art. 285 Abs. 2 ZGB) ein Anspruch des Kindes ist, nicht des betreuenden Elternteils. Er deckt die (indirekten) Kosten des betreuenden Elternteils, der wegen der Kinderbetreuung kein oder nur ein reduziertes Erwerbseinkommen erzielt (E. 4.1). Er wird nach der Lebenshaltungskostenmethode bemessen, wobei die Differenz zwischen dem Bedarf (grundsätzlich familienrechtliches Existenzminimum) und dem erzielten (oder hypothetischen) Einkommen des betreuenden Elternteils massgebend ist. * Grundsatz Konkubinat: Zwischen Konkubinatspartnern besteht keine gesetzliche Unterhaltspflicht (E. 4.5.1). Die Kindesunterhaltsrevision 2017 hat dies nicht geändert. Grundsätzlich muss ein Konkubinatspartner seinen eigenen Bedarf selbst decken (E. 4.2). * Argumentation der Vorinstanz: Das Kantonsgericht stellte fest, dass die neue Lebenspartnerin E._ nicht erwerbstätig sei und ihr vor Schuleintritt ihres Sohnes F._ auch keine Erwerbstätigkeit zuzumuten sei (gemäss Schulstufenmodell). Es berechnete den Bedarf von F._ (Grundbetrag, Kasse, Wohnanteil etc.). Für E._ ging es von einem Grundbetrag für Konkubinat aus, stellte aber fest, dass E._ ihre Kosten (Grundbetrag, anteilige Wohn-, Versicherungs-, Kommunikationskosten) selbst tragen müsse, da sie im gleichen Haushalt lebe und es nicht darauf ankomme, ob sie arbeite oder sich tatsächlich beteilige. Der Bedarf von E._ wurde in der Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt. * Argumentation des Beschwerdeführers: Er rügt, die Vorinstanz habe den Bedarf von E._ bei der Unterhaltsberechnung ab November 2023 (nach der Geburt von F._) nicht berücksichtigt. Die Annahme, dass E._ sich an den Wohn- und Haushaltskosten beteiligen müsse, sei falsch. Die Vorinstanz habe verkannt, dass E._ als Mutter von F._ Anspruch auf Betreuungsunterhalt ihm gegenüber habe, den er erbringe, indem er ihre grundlegenden Kosten übernehme. Indem die Vorinstanz diesen "Betreuungsunterhalt" für E._ nicht berücksichtige, verfalle sie in Willkür. Der "familienrechtliche Notbedarf" von E._ müsse bei der Überschussberechnung berücksichtigt werden, da er diesen als Betreuungsunterhalt für F._ decken müsse. * Beurteilung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht teilt die Rüge des Beschwerdeführers in einem zentralen Punkt. * Es bestätigt zunächst, dass E._ keinen direkten Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer als Konkubinatspartnerin hat (E. 4.5.1). Die pauschalen Behauptungen des Beschwerdeführers zur Kostenbeteiligung und zum Grundbetrag von E._ genügen den Willküranforderungen nicht und werden nicht weiter geprüft (E. 4.5.2). * Der entscheidende Punkt ist jedoch die Berücksichtigung der Bedürfnisse von E._ als Betreuungsperson für F._ im Rahmen des kindlichen Betreuungsunterhaltsanspruchs (E. 4.5.3). Das Bundesgericht hält fest, dass die Vorinstanz zwar den Bedarf von F._ berechnet hat, aber versäumt hat zu prüfen, inwieweit E._ ihren eigenen Bedarf aufgrund der Betreuung von F.__ nicht selbst decken kann. Bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts nach der Lebenshaltungskostenmethode ist der Bedarf des betreuenden Elternteils (mindestens das familienrechtliche Existenzminimum) massgebend. Wenn die betreuende Person (hier E._) wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes (F._) kein oder nur ein unzureichendes Einkommen erzielen kann, entsteht ein Betreuungsunterhaltsanspruch des Kindes, der sich indirekt auf den Bedarf der betreuenden Person bezieht. Dieser Bedarf der betreuenden Person muss bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts für das Kind und der daraus resultierenden finanziellen Belastung des unterhaltspflichtigen Elternteils (hier des Beschwerdeführers) berücksichtigt werden, was sich wiederum auf dessen Unterhaltskapazität für die Kinder und den Ehegatten aus erster Ehe auswirkt (E. 4.5.3 mit Verweis auf Urteil 5A_689/2023 E. 5.3.3 und Literatur). * Indem die Vorinstanz den Bedarf von E._ im Rahmen der Betreuungsunterhaltsberechnung für F._ nicht separat ermittelt und bei der Überschussberechnung für die erste Familie berücksichtigt hat, ist sie in Willkür verfallen (E. 4.5.3). * Ergebnis zum zweiten Streitpunkt: Die Beschwerde ist auch insoweit begründet.

Gesamtergebnis und Rückweisung: Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Die angefochtenen Dispositiv-Ziffern des Kantonsgerichts betreffend die Unterhaltsbeiträge und die Kosten des kantonalen Verfahrens werden aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht zurückgewiesen (Art. 107 Abs. 2 BGG).

Das Kantonsgericht hat bei der Neubeurteilung insbesondere folgende Punkte zu beachten: * Es darf die Geldbezüge aus der G._ GmbH nicht willkürlich "im Sinne eines Vermögensverzehrs" berücksichtigen und daraus kein fiktiv höheres Einkommen herleiten. Es muss prüfen, ob und inwieweit tatsächlich vorhandenes Vermögen (nicht nur ehemalige Geldflüsse) allenfalls gemäss BGE 147 III 393 für den Unterhalt einzusetzen wäre (dieser Punkt wurde nicht abschliessend entschieden, da die Methode der Vorinstanz bereits willkürlich war). * Es muss bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts für F._ den Bedarf von E._ als Betreuungsperson (mindestens ihr familienrechtliches Existenzminimum) ermitteln und diesen Bedarf bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts für F._ und der Unterhaltskapazität des Beschwerdeführers berücksichtigen. Die Berechnung des Betreuungsunterhalts erfolgt nach der Lebenshaltungskostenmethode.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: * Das Bundesgericht hob das Urteil der Vorinstanz bezüglich der Unterhaltsberechnung auf und wies die Sache zurück. * Die Vorinstanz verfiel in Willkür, indem sie Geldbezüge aus einer Firma willkürlich als Vermögensverzehr qualifizierte und daraus ein fiktiv höheres Einkommen ableitete, ohne die tatsächliche Vermögenssubstanz und die Kriterien des BGE 147 III 393 zu prüfen. * Die Vorinstanz verfiel ebenfalls in Willkür, indem sie bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts für das Kind aus der neuen Beziehung nicht den Bedarf der betreuenden Lebenspartnerin im Rahmen von deren familienrechtlichem Existenzminimum berücksichtigte, obwohl dieser Bedarf relevant ist, um den kindlichen Anspruch auf Betreuungsunterhalt und die Unterhaltskapazität des Vaters korrekt zu ermitteln. * Die Sache wird zur korrekten Berechnung des Unterhalts unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an das Kantonsgericht zurückverwiesen.

Dieses Urteil präzisiert die Anwendung der Kriterien zum Vermögensverzehr bei Unterhaltsberechnungen und bestätigt, wie der Bedarf einer nicht erwerbstätigen Betreuungsperson eines gemeinsamen Kindes bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts in Patchworkfamilien zu berücksichtigen ist.