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Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 9C_311/2024 vom 6. Mai 2025
1. Einleitung und Streitgegenstand
Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (Az. 9C_311/2024 vom 6. Mai 2025) befasst sich mit einem Fall aus dem Bereich der Invalidenversicherung (IV). Streitgegenstand ist der Anspruch des Beschwerdeführers A.__ auf IV-Leistungen, namentlich eine Invalidenrente sowie berufliche Eingliederungsmassnahmen. Der Beschwerdeführer focht eine Verfügung des IV-Stelle des Kantons Tessin vom 28. September 2023 an, mit der ihm diese Leistungen verweigert wurden, sowie das vorinstanzliche Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Tessin vom 29. April 2024, welches die Verfügung der IV-Stelle bestätigte. Die rechtlich relevanten Tatsachen liegen zeitlich vor dem 1. Januar 2022, weshalb die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) und der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) in der bis zum 31. Dezember 2021 gültigen Fassung zur Anwendung gelangen (Hinweis auf intertemporales Recht, BGE 148 V 162 E. 3.2.1).
2. Verfahrensgeschichte
Der Beschwerdeführer, geboren 1980, gelernter kaufmännischer Angestellter und später als Verkäufer/Vertreter tätig, stellte im Oktober 2012 erstmals einen Antrag auf IV-Leistungen wegen Depression und Angstzuständen. Dieser wurde von der IV-Stelle im November 2014 mangels ausreichendem Invaliditätsgrad abgelehnt, was unangefochten blieb. Im November 2018 reichte der Beschwerdeführer, der seit 2015 als unabhängiger Gebrauchtwagenhändler arbeitete, einen neuen Antrag ein. Grund waren gesundheitliche Verschlechterungen nach einem Berufsunfall vom Dezember 2017. Die IV-Stelle lehnte den Antrag im Februar 2020 mit einem Invaliditätsgrad von 17% ab. Das Versicherungsgericht des Kantons Tessin hiess im Dezember 2020 eine Beschwerde des Versicherten gut, hob die Verfügung auf und wies die Sache zur Vornahme neuer medizinischer Abklärungen an die IV-Stelle zurück. Nach weiteren Abklärungen, einschliesslich einer pluridisziplinären Begutachtung durch den "Servizio Accertamento Medico dell'Assicurazione Invalidità" (SAM), lehnte die IV-Stelle im September 2023 erneut sowohl die Rente als auch Eingliederungsmassnahmen ab. Das kantonale Versicherungsgericht bestätigte diese Verfügung im April 2024, wies die Akten aber bezüglich des Zeitraums nach September 2023 zur Vornahme neuer Abklärungen an die IV-Stelle zurück.
3. Anfechtung und Rügen vor Bundesgericht
Vor Bundesgericht beantragte der Beschwerdeführer primär die Aufhebung des kantonalen Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Durchführung einer gerichtlichen Expertise. Eventualiter beantragte er die Rückweisung an die IV-Stelle für neue Abklärungen. Er rügte im Wesentlichen eine willkürliche und unvollständige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz, insbesondere hinsichtlich der medizinischen Beurteilung und der Bestimmung der Arbeitsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Invaliditätsgrad. Er machte zudem prozedurale Mängel, namentlich die Ablehnung eines Ausstandsbegehrens gegen eine Gutachterin und die Nichtbeachtung eines E-Mail-Schreibens, geltend.
4. Beurteilung der medizinischen Sachverhaltsfeststellung und der Arbeitsfähigkeit
Das Bundesgericht stützte sich auf die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, welche die pluridisziplinäre SAM-Begutachtung vom Juli 2022 sowie die Ergänzungen und Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD/SMR) als beweiskräftig erachtet hatte. Gemäss diesen medizinischen Unterlagen wurde die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers wie folgt beurteilt: 100% arbeitsunfähig ab dem Unfall im Dezember 2017, 80% arbeitsfähig (bei 100% Präsenz, aber 20% Leistungsminderung aus psychiatrischen Gründen) ab August 2018, 90% arbeitsfähig (bei 100% Präsenz, aber 10% Leistungsminderung aus neurologischen Gründen) ab April 2019, 100% arbeitsunfähig während eines Spitalaufenthalts im Mai 2019 und erneut 90% arbeitsfähig (mit 10% Leistungsminderung aus neurologischen Gründen) ab Juni 2019.
4.1. Ausstandsbegehren gegen Gutachterin: Der Beschwerdeführer wiederholte seine Rüge der Befangenheit gegen eine Gutachterin des SAM. Er führte im Wesentlichen die gleichen Argumente wie vor der Vorinstanz an, einschliesslich eines von ihm direkt an die Gutachterin gerichteten E-Mails, das sein Misstrauen ausdrücken sollte. Das Bundesgericht wies diese Rüge zurück. Es bestätigte die vorinstanzliche Anwendung der Rechtsprechung zu Ausstandsgründen für Sachverständige (Art. 36 in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 ATSG; BGE 148 V 225 E. 3.4). Massgeblich seien objektive Gründe, nicht das subjektive Empfinden einer Partei (BGE 125 V 353 E. 3b/ee). Das E-Mail sei nicht ausreichend, um eine Befangenheit zu begründen. Das Gericht betonte zudem, dass die Gutachterin detailliert auf die Vorwürfe eingegangen sei und ihre internistische Beurteilung von keinem Behandlungsarzt bestritten worden sei. Persönliche (auch wenn diskutierbare) medizinische oder administrative Kommentare einer Gutachterin rechtfertigten nur unter strengen Voraussetzungen einen Ausstand (BGE 123 V 175 E. 3d). Objektive Elemente für ein Misstrauen gegen die Gutachterin lägen nicht vor.
4.2. Prozedurale Mängel (Nichtbeachtung E-Mail): Der Beschwerdeführer rügte zudem einen prozeduralen Mangel und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), da sein kritisches E-Mail nicht formell zu den Akten genommen und von der IV-Stelle nicht explizit gewürdigt worden sei. Das Bundesgericht erachtete diese Rüge ebenfalls als unbegründet. Es sei unerheblich, ob das E-Mail formell in der Aktenliste geführt werde, solange es den Gutachtern und insbesondere dem psychiatrischen Gutachter bekannt gewesen sei. Die Behörden seien nicht verpflichtet, zu jeder einzelnen Parteivorbringen explizit Stellung zu nehmen, sondern nur zu den für den Entscheid wesentlichen Umständen (BGE 135 III 513 E. 3.6.5). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Beweismittelabnahme falle hier mit der Frage der antizipierten Beweiswürdigung zusammen und habe keine selbstständige Bedeutung (BGE 144 II 427 E. 3.1.3).
4.3. Beweiswert der SAM-Gutachten vs. Behandlungsärzte: Der Beschwerdeführer bezweifelte den Beweiswert der SAM-Gutachten und hielt die Berichte seiner Behandlungsärzte für überzeugender. Das Bundesgericht folgte dem nicht. Es bestätigte den vollen Beweiswert der SAM-Gutachten. Die Gutachter hätten sämtliche geltend gemachten Beschwerden berücksichtigt, gestützt auf persönliche Untersuchungen und spezialärztliche Abklärungen Diagnosen gestellt und Funktionseinschränkungen bewertet. Die pluridisziplinäre Begutachtung beinhalte eine konsensuelle Beurteilung durch die Spezialisten. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Struktur des Gutachtens sei unklar, wies das Gericht zurück und verwies auf die detaillierte konsensuelle Beurteilung im Gutachten. Die Behauptung, die Rechtsprechung zu somatoformen Schmerzstörungen sei nicht beachtet worden, sei unzutreffend; die Vorinstanz habe die relevante Rechtsprechung zwar genannt, sie aber mangels entsprechender Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit im vorliegenden Fall nicht angewendet. Hinsichtlich der Behandlungsärzte erinnerte das Gericht an die ständige Rechtsprechung, wonach den Berichten von Behandlungsärzten aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zum Patienten mit der nötigen Zurückhaltung zu begegnen sei (BGE 125 V 351 E. 3b/cc), insbesondere im Vergleich zu einem unabhängigen Gutachter, der im Auftrag der Versicherung abklärt (Hinweis auf Urteil 9C_662/2021 E. 5.2.1).
5. Beurteilung der wirtschaftlichen Sachverhaltsfeststellung (Invaliditätsgrad)
Die Vorinstanz hatte den von der IV-Stelle berechneten Invaliditätsgrad von 21% im Jahr 2018 und 12% im Jahr 2019 bestätigt. Dies basierte auf einem Einkommensvergleich gemäss Art. 16 ATSG.
5.1. Valideneinkommen: Als Valideneinkommen wurde der Betrag aus dem Individuellen Konto für das Jahr 2016 herangezogen (Fr. 69'578.-). Die Vorinstanz und das Bundesgericht stützten diese Wahl darauf, dass 2016 das einzige volle Kalenderjahr war, in dem der Beschwerdeführer für seine eigene Firma tätig war. Eine Aktualisierung wurde unterlassen, da das Unternehmen bereits kurz nach dem Unfall 2017 Verluste verzeichnete. Diese Methode sei zulässig, da sie eine möglichst konkrete Bestimmung des Valideneinkommens erlaube (Hinweis auf Urteil 8C_172/2024 E. 4.4).
5.2. Invalideneinkommen: Das Invalideneinkommen wurde auf der Grundlage statistischer Daten bestimmt (Fr. 54'689.11 für 2018 und Fr. 61'525 für 2019). Es wurde lediglich die von den Gutachtern attestierte Leistungsminderung (10% bzw. 20% für bestimmte Zeiträume) berücksichtigt. Ein sozialer Abzug wurde von der Vorinstanz, im Einklang mit der IV-Stelle, nicht gewährt, da das Restarbeitsvermögen des Beschwerdeführers als ausreichend breit gefächert für zumutbare Tätigkeiten erachtet wurde (Hinweis auf BGE 148 V 174 E. 6.3, 146 V E. 4.2).
5.3. Rügen des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer war mit der Berechnung beider Einkommen nicht einverstanden. Er hielt das Valideneinkommen für zu alt und unzutreffend, da es nicht auf seine Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler abstellte (obwohl gerade dieses Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Händler im Jahr 2016 verwendet wurde). Er bestritt die Höhe des Invalideneinkommens, die vorgenommenen Leistungsminderungen und insbesondere die Verweigerung eines (weiteren) sozialen Abzugs sowie die Nichtanwendung eines 10%-Abzugs gemäss dem neuen Art. 26bis Abs. 3 IVV. Das Bundesgericht wies diese Rügen als appellatorisch und unzureichend begründet zurück. Es fehle an der Darlegung, inwiefern die Sachverhaltsfeststellung willkürlich oder die Rechtsanwendung fehlerhaft sei. Insbesondere sei der neue Art. 26bis Abs. 3 IVV zeitlich nicht anwendbar, da er erst am 1. Januar 2024 in Kraft getreten sei.
6. Beurteilung der beruflichen Massnahmen
Der Beschwerdeführer bestritt auch die Verweigerung beruflicher Eingliederungsmassnahmen, da dies den iv-rechtlichen Grundsätzen der Priorisierung der Eingliederung widerspreche. Das Bundesgericht wies diese Rüge als dogmatisch und unsubstantiiert zurück. Der Beschwerdeführer zeige nicht auf, inwiefern die Vorinstanz Recht verletzt habe, und ignoriere die Schlussfolgerungen des Integrationsdienstes der IV-Stelle, die Massnahmen als nicht zweckmässig erachtete.
7. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht gelangt zum Schluss, dass die Vorinstanz die medizinischen und wirtschaftlichen Sachverhaltsfeststellungen korrekt vorgenommen und die iv-rechtlichen Bestimmungen richtig angewendet hat. Der attestierte Invaliditätsgrad von 21% (2018) bzw. 12% (2019) ist für einen Anspruch auf eine Invalidenrente (mindestens 40%) unzureichend. Ein Anspruch auf berufliche Massnahmen wurde ebenfalls zu Recht verneint.
8. Kosten und Prozesskostenzulage
Die Gerichtskosten (Fr. 800.-) werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt. Da er jedoch um unentgeltliche Rechtspflege mit unentgeltlichem Rechtsbeistand ersucht hat und seine finanzielle Situation sowie die ursprünglichen Erfolgsaussichten dies rechtfertigen, wurde ihm diese gewährt (Art. 64 BGG). Die Gerichtskasse übernimmt die Kosten vorläufig und richtet dem Rechtsbeistand eine Entschädigung aus. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass er zur Nachzahlung verpflichtet ist, falls er später dazu in der Lage ist.
9. Wesentliche Punkte des Urteils in Kürze:
Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung unabhängiger medizinischer Gutachten (SAM/RAD) im IV-Verfahren und bestätigt die Kriterien für die Bestimmung der Arbeitsfähigkeit und des Invaliditätsgrades sowie den Beweiswert ärztlicher Berichte, insbesondere im Verhältnis zwischen Behandlungsärzten und Gutachtern. Es zeigt auch die Grenzen der Überprüfbarkeit von Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigung durch das Bundesgericht auf.