Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_351/2023 vom 15. April 2025

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Absolut. Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Bundesgerichtsurteils 2C_351/2023 vom 15. April 2025:

Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 2C_351/2023 vom 15. April 2025

1. Einleitung

Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. öffentlich-rechtliche Abteilung) vom 15. April 2025 (Verfahren 2C_351/2023) befasst sich mit der Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Mai 2023 betreffend den Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligungen EU/EFTA für einen nordmazedonischen Staatsangehörigen (Beschwerdeführer 1) und seine beiden volljährigen Kinder aus erster Ehe (Beschwerdeführende 2 und 3). Die Bewilligungen wurden ursprünglich im Rahmen des Familiennachzugs zur slowenischen (EU/EFTA-)Ehefrau des Beschwerdeführers 1 erteilt. Die Ehe wurde jedoch nach kurzer Dauer der faktischen Gemeinschaft geschieden.

2. Sachverhalt im Überblick

Der Beschwerdeführer 1 (geb. 1977, Nordmazedonien) heiratete am 8. November 2017 in Slowenien seine slowenische Ehefrau (geb. 1985). Diese zog am 1. November 2017 in die Schweiz und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Dem Beschwerdeführer 1 wurde am 7. Juni 2018 eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA (bis 6. Juni 2023) im Rahmen des Familiennachzugs erteilt. Seine Kinder aus erster Ehe, die Beschwerdeführenden 2 (geb. 2001) und 3 (geb. 2002), erhielten am 7. Juni 2019 ebenfalls im Rahmen des Familiennachzugs eine befristete Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA (bis 22. Mai 2024). Ab 1. November 2019 lebten die Ehegatten getrennt, die Scheidung erfolgte am 26. August 2022.

Die Migrationsbehörden des Kantons St. Gallen widerriefen die Aufenthaltsbewilligungen der Beschwerdeführenden bzw. lehnten deren Verlängerung ab. Rekurs und Beschwerde an das Sicherheits- und Justizdepartement sowie das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen blieben erfolglos.

3. Eintretensprüfung vor Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Eine solche ist gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ausgeschlossen, wenn das Bundesrecht oder Völkerrecht keinen Anspruch auf die Bewilligung einräumt. Für das Eintreten genügt, dass der Betroffene in vertretbarer Weise einen potenziellen Anspruch darlegen kann (BGE 149 I 72 E. 1.1).

  • Anspruch aus FZA: Die Beschwerdeführenden konnten keinen Anspruch aus dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) ableiten (Art. 7 lit. d i.V.m. Art. 3 Abs. 2 lit. a Anhang I FZA), da der abgeleitete Anspruch unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs steht und voraussetzt, dass die Ehe formell fortdauert. Die Ehe des Beschwerdeführers 1 war geschieden.
  • Anspruch der Beschwerdeführenden 2 und 3 (Kinder):
    • Sie leiteten keinen Anspruch aus Art. 44 AIG (Familiennachzug für Minderjährige) ab, da sie volljährig sind.
    • Sie konnten auch keinen vertretbaren Anspruch aus Art. 8 EMRK und Art. 13 BV geltend machen. Diese Bestimmungen schützen in erster Linie die Kernfamilie. Bei volljährigen Kindern ist ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Eltern erforderlich, das über normale familiäre Bindungen hinausgeht (BGE 147 I 268 E. 1.2.3). Die pauschalen Behauptungen der Kinder über finanzielle Unterstützung und Mithilfe im Haushalt reichten nicht aus, um ein solches Abhängigkeitsverhältnis plausibel darzulegen.
    • Ein Anspruch aus Art. 50 AIG stand den Kindern nicht zu, da diese Bestimmung primär auf die abgeleiteten Rechte des Ehegatten nach Auflösung der Ehe abzielt und volljährige Kinder keinen eigenständigen Anspruch daraus haben, zumal die Bewilligung an den ursprünglichen Nachzugszweck gebunden war (Art. 33 Abs. 2 AIG). Der Vertrauensschutz gewährt keinen Verlängerungsanspruch nach Wegfall des Zwecks.
    • Das Bundesgericht trat daher auf die Beschwerden der Beschwerdeführenden 2 und 3 in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht ein (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Auch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde war unzulässig, da ohne Bewilligungsanspruch nur prozedurale Mängel gerügt werden können, die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommen ("Star"-Praxis, BGE 149 I 72 E. 3.1), was hier nicht der Fall war.
  • Anspruch des Beschwerdeführers 1 (Ehegatte):
    • Der Beschwerdeführer 1 berief sich auf Art. 50 AIG. Das Bundesgericht bestätigte seine Rechtsprechung (BGE 144 II 1 E. 4.7), wonach Art. 50 AIG im Lichte des Diskriminierungsverbots von Art. 2 FZA auch dann anwendbar ist, wenn der EU-angehörige ehemalige Ehegatte – wie hier – nur eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA (und nicht eine Niederlassungsbewilligung) besitzt und sich weiterhin in der Schweiz aufhält. Da die ehemalige Ehegattin sich offensichtlich noch in der Schweiz aufhielt, konnte der Beschwerdeführer 1 in vertretbarer Weise einen potenziellen Anspruch auf Basis von Art. 50 AIG geltend machen.
    • Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde somit eingetreten, soweit sie sich auf Art. 50 AIG stützte. Ein Anspruch aus Art. 8 EMRK (umgekehrter Familiennachzug) wurde nicht vertretbar geltend gemacht, da die Kinder kein gefestigtes Anwesenheitsrecht haben. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers 1 wurde hinfällig, da die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig war (Art. 113 BGG).

4. Sachverhaltsfeststellung und Verfahrensfragen

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers 1 bezüglich unrichtiger Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Ehegemeinschaft und seines Gesundheitszustandes.

  • Dauer der Ehegemeinschaft: Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die Ehegatten höchstens 20 Monate zusammenlebten, was sich aus dem Rekursentscheid ergab. Der Beschwerdeführer 1 behauptete eine längere Dauer (bis Januar 2022) unter Verweis auf einen Untermietvertrag, setzte sich aber nicht substanziiert mit der vorinstanzlichen Feststellung auseinander. Das Bundesgericht stützte sich daher auf die Feststellung der Vorinstanz von 20 Monaten.
  • Gesundheitszustand: Der Beschwerdeführer 1 rügte, die Vorinstanz habe seinen Gesundheitszustand aktenwidrig festgestellt. Die Vorinstanz hatte u.a. von einer stabilen Nierenfunktion gesprochen und dass eine Transplantation "im Raum stehe", aber nicht akut diskutiert werde. Das Bundesgericht verglich die ärztlichen Berichte. Während der Bericht vom Januar 2023 eine deutliche Verschlechterung und die bevorstehende Notwendigkeit eines Nierenersatzverfahrens feststellte, sprach er gleichzeitig von einer stabilen Situation und attestierte Arbeits- und Reisefähigkeit. Angesichts dieser widersprüchlichen Aussagen im Bericht befand das Bundesgericht die vorinstanzliche Feststellung, nicht von einer akuten Behandlungsnotwendigkeit auszugehen, als nicht willkürlich.
  • Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland: Der Beschwerdeführer 1 kritisierte die Feststellungen der Vorinstanz zu den Behandlungsmöglichkeiten in Nordmazedonien und eine unzureichende Abklärung. Die Vorinstanz ging von einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung und ausreichender nephrologischer Expertise aus, inkl. Nierentransplantationen. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer 1 nicht substanziiert darlegte, weshalb diese Feststellungen unzutreffend seien. Da er seine Mitwirkungspflicht zur Darlegung konkreter Anhaltspunkte für fehlende Behandlungsmöglichkeiten nicht erfüllt hatte, erachtete das Bundesgericht den Verzicht der Vorinstanz auf weitergehende Abklärungen als nicht willkürlich. Ebenso drängten sich keine weiteren Abklärungen zur Reisefähigkeit auf, da der Beschwerdeführer 1 nach dem vorinstanzlichen Urteil selbst nach Nordmazedonien reiste.
  • Noven: Neue Tatsachen und Beweismittel, die nach dem vorinstanzlichen Urteil eingetreten oder entstanden sind (z.B. Dialyse, Aufnahme auf Warteliste für Transplantation), wurden als echte Noven im bundesgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Ältere, aber erst vor Bundesgericht eingereichte Dokumente wurden als unechte Noven ebenfalls nicht berücksichtigt, da der Beschwerdeführer nicht dargelegt hatte, weshalb er sie der Vorinstanz nicht vorlegen konnte.

5. Materielle Beurteilung des Anspruchs des Beschwerdeführers 1 (Art. 50 AIG, Art. 3 EMRK)

Das Bundesgericht prüfte den Anspruch des Beschwerdeführers 1 auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 AIG.

  • Anwendbares Recht: Das Bundesgericht bestätigte, dass das bis Ende 2024 geltende Recht massgebend ist, da das vorinstanzliche Urteil vor dem 1. Januar 2025 erging (Urteil 2C_406/2024 vom 19. März 2025, zur Publikation vorgesehen).
  • Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (3 Jahre Ehe + Integration): Die Vorinstanz stellte eine Ehegemeinschaft von höchstens 20 Monaten fest (E. 3.4), was unter den erforderlichen 3 Jahren liegt. Dieser Grundsatz greift daher nicht.
  • Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (Wichtige persönliche Gründe):
    • Schwere gesundheitliche Probleme können als wichtige Gründe anerkannt werden, wenn eine Rückkehr ins Herkunftsland aus medizinischer Sicht unhaltbar erscheint (BGE 139 II 393 E. 6).
    • Dies ist im Lichte von Art. 3 EMRK zu beurteilen (BGE 143 I 21 E. 4.1). Eine Wegweisung verletzt Art. 3 EMRK, wenn für den Betroffenen im Herkunftsland ein real risk einer ernsthaften, rapiden und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands besteht, die intensives Leiden oder eine wesentliche Reduzierung der Lebenserwartung nach sich zieht, weil angemessene Behandlungsmöglichkeiten fehlen oder der Zugang dazu verweigert wird (EGMR Paposhvili gegen Belgien, Savran gegen Dänemark; BGE 146 IV 297 E. 2.2.3).
    • Bei plausiblem real risk sind die Behörden verfahrensrechtlich verpflichtet, alle vernünftigen Zweifel zu beseitigen. Es muss der effektive Zugang zur notwendigen Behandlung im Zielstaat geprüft werden, ggf. durch Einholung von Garantien. Es besteht jedoch kein Recht auf den gleichen Behandlungsstandard wie in der Schweiz.
    • Anwendung auf den Fall des Beschwerdeführers 1: Das Bundesgericht bekräftigte die Mitwirkungspflicht des Betroffenen (E. 3.1, 4.4 f.), konkrete Anhaltspunkte für fehlende Verfügbarkeit oder fehlenden Zugang zur Behandlung, die einen Art. 3 EMRK-Risiko begründen, ins Verfahren einzubringen. Der Beschwerdeführer 1 hatte diesbezüglich seine Pflicht nicht erfüllt. Er hatte zwar eine schwere Nierenerkrankung, aber keine konkreten Hinweise dargelegt, dass ihm eine angemessene Behandlung in Nordmazedien tatsächlich verwehrt bliebe oder die vorhandene Versorgung unzureichend wäre. Die vorinstanzlichen Feststellungen deuteten im Gegenteil auf eine grundsätzliche Verfügbarkeit hin (E. 3.6). Hinweise auf hohe Kosten (WHO Bericht) oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit reichen allein nicht aus, um fehlenden effektiven Zugang zu begründen. Auch die Möglichkeit familiärer finanzieller Unterstützung im Herkunftsland wurde vom Bundesgericht implizit berücksichtigt.
    • Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass der Vorinstanz im Zeitpunkt ihres Urteils keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine ernsthafte Gefährdung nach Art. 3 EMRK vorlagen. Die Vorinstanz war daher nicht verpflichtet, weitere Abklärungen vorzunehmen oder Garantien einzuholen. Die Nierenerkrankung des Beschwerdeführers 1 wurde folglich zu Recht nicht als wichtiger persönlicher Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG/Art. 3 EMRK anerkannt.
  • Soziale Wiedereingliederung: Der Beschwerdeführer 1 machte geltend, seine Wiedereingliederung in Nordmazedien sei praktisch unmöglich. Das Bundesgericht wies dies zurück. Sein Aufenthalt über Weihnachten und Neujahr 2023/2024 deutete auf anhaltende Bindungen hin. Es gab keine Anzeichen für den Verlust von Sprach- oder Kulturkenntnissen. Schwierigkeiten bei der Rückkehr aufgrund der gesundheitlichen Situation ändern nichts daran, dass keine Integrationsschwierigkeiten vorlagen, die einen Härtefall nach Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. c AIG begründen würden. Auch andere vorgebrachte Gründe (Geschäftsverkauf, Scheidungsgrund) stellen keinen wichtigen persönlichen Grund dar (BGE 138 II 229 E. 3.2.2).

6. Schlussfolgerung

Der angefochtene Entscheid verletzt weder Bundes- noch Konventionsrecht. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Beschwerdeführers 1 wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Auf die Beschwerden der Beschwerdeführenden 2 und 3 wurde nicht eingetreten.

Dem Beschwerdeführer 1 wurde unentgeltliche Rechtspflege gewährt, da er bedürftig war und seine Beschwerde nicht aussichtslos erschien. Den Beschwerdeführenden 2 und 3 wurde die unentgeltliche Rechtspflege verweigert, und es wurden ihnen anteilsmässig reduzierte Gerichtskosten auferlegt.

7. Wesentliche Punkte der Zusammenfassung

  • Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde der volljährigen Kinder (Beschwerdeführende 2 und 3) nicht ein, da sie nach der Scheidung der Stiefmutter keinen genügend plausiblen rechtlichen Anspruch auf Verbleib in der Schweiz geltend machen konnten (weder aus FZA, AIG noch Art. 8 EMRK/Art. 13 BV, da kein Abhängigkeitsverhältnis dargelegt wurde).
  • Die Beschwerde des ehemaligen Ehegatten (Beschwerdeführer 1) war hinsichtlich eines Anspruchs aus Art. 50 AIG zulässig, da diese Bestimmung auch auf ehemalige Ehegatten von EU/EFTA-Bewilligungsinhabern anwendbar ist.
  • Ein Anspruch aus Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (3 Jahre Ehe + Integration) scheiterte an der zu kurzen Dauer der effektiven Ehegemeinschaft (20 Monate).
  • Ein Anspruch aus Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (wichtige persönliche Gründe, insb. schwere Krankheit) wurde verneint. Obwohl der Beschwerdeführer 1 an einer schweren Nierenerkrankung leidet, erfüllte er seine Mitwirkungspflicht nicht, konkrete Anhaltspunkte dafür vorzulegen, dass ihm eine notwendige Behandlung in Nordmazedien im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK (EGMR Paposhvili/Savran: real risk einer schwerwiegenden, rapiden Verschlechterung aufgrund fehlender Verfügbarkeit oder Zugänglichkeit der Behandlung) verweigert würde.
  • Auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der sozialen Wiedereingliederung in Nordmazedien wurden nicht als wichtiger persönlicher Grund anerkannt.
  • Das Bundesgericht bestätigte die Beurteilung der Vorinstanz, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 50 AIG nicht erfüllt sind.
  • Neue medizinische Informationen, die nach dem vorinstanzlichen Urteil entstanden sind, wurden im bundesgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt (echte Noven).

Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 ab und bestätigte somit den Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligungen für alle drei Beschwerdeführenden.