Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_515/2024 vom 3. März 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_515/2024 vom 3. März 2025:

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_515/2024 vom 3. März 2025

1. Gegenstand des Verfahrens und Prozessgeschichte

Das Urteil betrifft die Anfechtung einer Mietzinserhöhung sowie ein Begehren um Mietzinsherabsetzung für eine Vierzimmerwohnung in Genf. Der Mieter (Intimé) bewohnt die Wohnung seit 1981. Die Vermieterin (Recourante) erwarb die Liegenschaft im Jahr 1989. Der Mietzins wurde letztmals per 1. Januar 1998 auf CHF 10'260 pro Jahr (CHF 855 pro Monat) festgelegt.

Zwischen 2016 und 2020 führte die Vermieterin umfassende Sanierungsarbeiten in den Gemeinschaftsbereichen und allen Wohnungen durch, unter anderem zur Einhaltung der Energiegesetze. Die Gesamtkosten (inkl. Nebenkosten) beliefen sich auf CHF 2'244'304.

Mit amtlichem Formular vom 16. Dezember 2020 kündigte die Vermieterin eine Mietzinserhöhung auf CHF 13'714 pro Jahr (CHF 1'142 pro Monat) per 1. April 2021 an. Sie begründete die Erhöhung mit vier Faktoren: Senkung des Hypothekarzinssatzes (-CHF 148.43/Monat), Erhöhung des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK) (+CHF 34.27/Monat), Erhöhung der Unterhaltskosten (+CHF 94.05/Monat) und wertvermehrende Investitionen (+CHF 406.00/Monat). Der daraus theoretisch resultierende Mietzins von CHF 1'241/Monat wurde aus Gründen des kantonalen Rechts (LDTR/RDTR Genf) auf CHF 1'142 begrenzt, die Differenz als Reserve gemäss Art. 18 VMWG verbucht.

Der Mieter focht die Erhöhung an und verlangte seinerseits eine Mietzinsherabsetzung. Nach erfolglosem Schlichtungsverfahren reichte die Vermieterin Klage auf Feststellung der Gültigkeit der Erhöhung beim Mietgericht Genf ein. Der Mieter reichte seinerseits eine Herabsetzungsklage ein.

Das Mietgericht setzte den Mietzins mit Urteil vom 2. Oktober 2023 auf CHF 9'408 pro Jahr (CHF 784 pro Monat) ab 1. Juli 2021 fest und verpflichtete die Vermieterin zur Rückerstattung von zu viel bezahlten Mietzinsen.

Die Chambre des baux et loyers der Cour de justice Genf bestätigte mit Urteil vom 23. August 2024 das Urteil des Mietgerichts im Wesentlichen, setzte den Mietzins aber auf CHF 9'240 pro Jahr (CHF 770 pro Monat) ab 1. Juli 2021 fest.

Die Vermieterin gelangte mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht und beantragte primär die Festsetzung des Mietzinses auf CHF 10'704.72 pro Jahr (CHF 892 pro Monat) ab 1. Juli 2021. Der Mieter beantragte in seiner Vernehmlassung unter Berücksichtigung einer neuen Bundesgerichtsrechtsprechung (BGE 151 III 16) die Festsetzung auf CHF 9'576.60 pro Jahr (CHF 798.05 pro Monat).

2. Massgebende rechtliche Grundlagen und Argumentation des Bundesgerichts

Der Streit dreht sich um die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung gestützt auf Art. 269a lit. b OR (Kostensteigerung) und Art. 14 VMWG (Mehrleistungen, wertvermehrende Investitionen).

Das Bundesgericht prüfte die einzelnen von der Vermieterin geltend gemachten Erhöhungsfaktoren, basierend auf den von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen:

a) Senkung des Hypothekarischen Referenzzinssatzes: Die Vorinstanz stellte fest, dass der Mietzins letztmals per 1. Januar 1998 festgelegt wurde, basierend auf einem Referenzzinssatz von 6 % (gemäss Anzeige vom 8. September 1993). Die Erhöhung von 1997 berücksichtigte die Zinsentwicklung nicht. Da der Referenzzinssatz im Zeitpunkt der Mietzinserhöhungsanzeige (Dezember 2020) 1.25 % betrug, resultierte gemäss Art. 13 Abs. 1 VMWG eine Herabsetzung von 35.48 % des Mietzinses von 1998 (CHF 855), was CHF 303.35 pro Monat entspricht. Das Bundesgericht musste diesen Punkt nicht vertieft prüfen, da er von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde.

b) Erhöhung des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK): Die Erhöhung des LIK wurde von der Vorinstanz (und implizit von den Parteien) als gerechtfertigt anerkannt und führte zu einer Erhöhung von CHF 34.27 pro Monat. Auch dieser Punkt war im Revisionsverfahren nicht strittig.

c) Erhöhung der Unterhaltskosten: Die Vermieterin machte eine pauschale Erhöhung der Unterhaltskosten von 0.5 % pro Jahr seit 1997 geltend, insgesamt 11 %. Sie legte jedoch keine präzisen Zahlen zur effektiven Kostenentwicklung vor. Das Bundesgericht hält fest, dass gemäss Art. 269a lit. b OR Mietzinse, die durch Kostensteigerungen gerechtfertigt sind, in der Regel nicht missbräuchlich sind. Art. 12 Abs. 1 VMWG nennt Unterhaltskosten als eine solche Kostenart. Gemäss Art. 20 Abs. 1 Satz 1 VMWG hat der Vermieter bei mietzinserhöhungen infolge Kostensteigerungen diese durch "präzise Zahlen" zu belegen. Die ständige Rechtsprechung verlangt grundsätzlich einen Vergleich der durchschnittlichen Unterhaltskosten über mehrere Jahre vor der letzten Mietzinsfestsetzung mit den Durchschnittskosten über mehrere Jahre vor der strittigen Erhöhungsanzeige (ATF 140 III 433 E. 3.5.1; 117 II 77 E. 3c/bb). Ein Vorgehen nach Pauschalen ist nur ausnahmsweise zulässig, etwa wenn die Jahresrechnungen ungewöhnliche oder stark schwankende Zahlen aufweisen, die keinen verlässlichen Durchschnitt ergeben, oder bei stark konjunkturell bedingten Kostensteigerungen (ATF 111 II 378 E. 2). Die systematische Anwendung von Pauschalen ist unzulässig (BGE 4A_88/2013 E. 4.1). Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht fest, dass die Vermieterin keinerlei Zahlen zu den Unterhaltskosten vorlegte und auch nicht substantiiert darlegte, weshalb ihr dies nicht möglich gewesen sei. Sie behauptete lediglich pauschal, dass effektive Zahlen keine verlässliche Grundlage bieten würden, lieferte dafür aber keine Anhaltspunkte. Die Tatsache, dass sie die Liegenschaft seit 1989 besitzt, legt nahe, dass sie über die relevanten Daten verfügt oder hätte verfügen müssen. Die zwischen 2016 und 2020 durchgeführten Sanierungsarbeiten enthalten zwar auch Unterhaltsanteile, aber es fehlt ein Vergleichsterminus (Durchschnitt der Unterhaltskosten vor 1997). Das Bundesgericht bestätigt daher die Vorinstanz darin, dass die Vermieterin die geltend gemachte Erhöhung der Unterhaltskosten nicht nachgewiesen hat. Ein Vorgehen nach Pauschalen war mangels besonderer Umstände nicht gerechtfertigt. Die erste Rüge der Vermieterin wurde abgewiesen.

d) Wertvermehrende Investitionen und energetische Massnahmen: Die Vermieterin machte eine Mietzinserhöhung aufgrund der zwischen 2016 und 2020 durchgeführten Arbeiten geltend. Die Vorinstanz teilte die Arbeiten in zwei Kategorien ein: (a) Energetische Massnahmen gemäss Art. 14 Abs. 1 VMWG, die zu einer Reduktion der Nebenkosten führen können. Die Vorinstanz berücksichtigte hierbei Anteile der Kosten für den Fensterersatz (25%) sowie für Isolation und Fassadenarbeiten (50%), gestützt auf die Angaben der Vermieterin im Rahmen des kantonalen Genehmigungsverfahrens (LDTR/RDTR). Dies ergab einen anrechenbaren Betrag von CHF 245'867.50. (b) Übrige Arbeiten, die teils werterhaltend (Unterhalt), teils wertvermehrend waren. Da eine genaue Unterscheidung schwierig sei, rechnete die Vorinstanz pauschal 50 % der restlichen Kosten (CHF 2'028'396.50) als wertvermehrend an, was CHF 1'014'198.25 entspricht. Die tiefe Quote (50%) begründete sie mit dem Fehlen früherer Unterhaltsarbeiten. Der gesamte als wertvermehrend/energetisch anrechenbare Kapitalbetrag belief sich damit auf CHF 1'260'065.75 (245'867.50 + 1'014'198.25). Die Miete kann aufgrund von wertvermehrenden Investitionen und grossen Sanierungen, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Mietsache führen, erhöht werden (Art. 14 Abs. 1 VMWG). Die Erhöhung berechnet sich in der Regel aus den Zinsen auf dem investierten Kapital, der Amortisation und einem Beitrag an den künftigen Unterhalt (in der Regel 1%). Die Vorinstanz berechnete die Erhöhung wie folgt: - Zinsen auf Kapital: CHF 1'260'065.75 x 1.75 % / 2 = CHF 11'025.60 - Amortisation (über 30 Jahre): CHF 1'260'065.75 / 30 = CHF 42'002.20 - Künftiger Unterhalt (1%): CHF 1'260'065.75 x 1 % = CHF 12'600.65 - Totale jährliche Erhöhung: CHF 65'628.45 Dieser Betrag wurde pro rata auf die Wohnungen verteilt. Für die betroffene 4-Zimmer-Wohnung (von total 118 Zimmern in der Liegenschaft) ergab dies eine jährliche Erhöhung von CHF 2'224.90 oder CHF 185.40 pro Monat.

Die Vermieterin bestritt im Bundesgerichtsverfahren nicht den Umfang des anerkannten Kapitals (CHF 1'260'065.75) oder die Methode der Aufteilung der Kosten (50% der Nicht-Energie-Arbeiten). Sie beanstandete jedoch den Zinssatz, der zur Berechnung des Zinsanteils auf dem Kapital verwendet wurde. Sie stützte sich dabei auf das neuere Bundesgerichtsurteil BGE 151 III 16 (E. 4.3.3, Urteil 4A_75/2022 vom 30. Juli 2024), wonach der Zinssatz auf dem wertvermehrenden Kapital 2 % über dem geltenden Referenzzinssatz liegen müsse.

Das Bundesgericht bestätigte diese Rechtsprechung. Der Referenzzinssatz betrug 1.25 %. Der korrekte Zinssatz für die Berechnung der Verzinsung des wertvermehrenden Kapitals beträgt somit 1.25 % + 2 % = 3.25 %. Das Bundesgericht rechnete die Erhöhung basierend auf dem von der Vorinstanz akzeptierten Kapital von CHF 1'260'065.75 neu: - Zinsen auf Kapital: CHF 1'260'065.75 x 3.25 % / 2 = CHF 20'476.05 - Amortisation: CHF 1'260'065.75 / 30 = CHF 42'002.20 - Künftiger Unterhalt: CHF 1'260'065.75 x 1 % = CHF 12'600.65 - Totale jährliche Erhöhung für Liegenschaft: CHF 75'078.90 Pro rata für die 4-Zimmer-Wohnung (4/118): CHF 75'078.90 / 118 * 4 = CHF 2'545.05 pro Jahr, was CHF 212.09 pro Monat entspricht. Das Bundesgericht rundete auf CHF 212.10 pro Monat.

e) Berechnung des neuen Mietzinses: Der neue Mietzins ergibt sich aus dem Ausgangsmietzins von CHF 855 abzüglich der Herabsetzung wegen des Referenzzinssatzes, zuzüglich der Erhöhung wegen des LIK und zuzüglich der Erhöhung wegen der Arbeiten: CHF 855 (Ausgangsmietzins) - CHF 303.35 (Referenzzinssatz) + CHF 34.27 (LIK) + CHF 212.10 (Arbeiten) = CHF 798.02. Das Bundesgericht setzte den Mietzins auf CHF 798.05 pro Monat (CHF 9'576.60 pro Jahr), exklusive Nebenkosten, ab 1. Juli 2021 fest.

3. Rückerstattung von zu viel bezahlten Mietzinsen: Das erstinstanzliche Urteil verpflichtete die Vermieterin zur Rückerstattung des zu viel bezahlten Mietzinses, ohne Betrag oder Zinssatz festzulegen. Die Vorinstanz bestätigte diesen Punkt. Das Bundesgericht stellte fest, dass dieser Punkt von keiner Partei spezifisch angefochten wurde. Da kein zulässiger Grund zur Abweichung vom vorinstanzlichen Urteil vorliegt, bestätigte das Bundesgericht die Verpflichtung zur Rückerstattung. Der geschuldete Betrag ergibt sich aus der Differenz zwischen dem bezahlten Mietzins und dem nun vom Bundesgericht festgesetzten neuen Mietzins (CHF 798.05).

4. Kostenfolgen: Die Vermieterin obsiegte teilweise (bzgl. Berechnung der Erhöhung aufgrund der Arbeiten), unterlag aber bzgl. der Unterhaltskosten. Das Bundesgericht schätzte den Obsiegensgrad der Vermieterin auf rund 1/3. Obwohl der Mieter in seiner Vernehmlassung beantragte, dem Rechtsmittel im Punkt der Arbeitsberechnung stattzugeben (basierend auf der neuen Rechtsprechung), betrachtete das Bundesgericht dies als Unterliegen des Mieters auf diesem Punkt, da seine ursprüngliche Position vor den Vorinstanzen abweichend und zu seinen Gunsten gewesen sei. Die Gerichtskosten (total CHF 2'000) wurden der Vermieterin zu 1300 CHF und dem Mieter zu 700 CHF auferlegt. Nach Verrechnung der Parteikosten musste die Vermieterin dem Mieter eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 600 zahlen.

5. Fazit

Das Bundesgericht gab der Beschwerde der Vermieterin teilweise statt. Es korrigierte die Berechnung der zulässigen Mietzinserhöhung für die wertvermehrenden Investitionen und energetischen Massnahmen gestützt auf die neuere Rechtsprechung (BGE 151 III 16), welche einen höheren Zinssatz auf dem investierten Kapital vorsieht (Referenzzinssatz + 2%). Die von der Vermieterin geltend gemachte pauschale Erhöhung der Unterhaltskosten wies das Bundesgericht jedoch ab, da keine präzisen Zahlen zur tatsächlichen Kostenentwicklung vorgelegt wurden. Die fehlende substantiierte Begründung, weshalb solche Zahlen nicht beigebracht werden konnten, rechtfertigte keine Abweichung von der Praxis des Durchschnittsvergleichs oder die Anwendung von Pauschalen.

Der resultierende Mietzins wurde vom Bundesgericht auf CHF 798.05 pro Monat ab 1. Juli 2021 festgesetzt, was einer Reduktion gegenüber dem bisherigen Mietzins (CHF 855) entspricht, aber höher ist als der von der Vorinstanz festgesetzte Betrag (CHF 770).

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Das Bundesgericht bestätigte die Herabsetzung des Mietzinses aufgrund des gesunkenen Hypothekarischen Referenzzinssatzes und die Erhöhung aufgrund des LIK.
  • Die pauschal geltend gemachte Erhöhung der Unterhaltskosten wurde abgewiesen, da die Vermieterin keine präzisen Zahlen zur tatsächlichen Kostenentwicklung vorlegte. Das Bundesgericht hielt an seiner Rechtsprechung fest, die eine solche Belegung verlang und pauschale Vorgehen nur ausnahmsweise zulässt.
  • Die zulässige Mietzinserhöhung aufgrund von wertvermehrenden Investitionen und energetischen Massnahmen wurde neu berechnet. Das Bundesgericht wendete dabei seine neuere Rechtsprechung an, wonach die Verzinsung des investierten Kapitals 2 % über dem Referenzzinssatz liegen muss (hier: 1.25% + 2% = 3.25%).
  • Aufgrund dieser Neuberechnung ergab sich eine höhere zulässige Erhöhung aus den Arbeiten als von der Vorinstanz angenommen.
  • Unter Berücksichtigung aller Faktoren (Referenzzinssatz, LIK, Unterhalt, Arbeiten) setzte das Bundesgericht den Mietzins auf CHF 798.05 pro Monat fest (ab 1. Juli 2021). Dies ist ein Netto-Mietzins unter dem ursprünglichen Betrag, aber über dem Betrag der Vorinstanz.
  • Die Verpflichtung zur Rückerstattung von zu viel bezahlten Mietzinsen wurde bestätigt, der geschuldete Betrag ergibt sich aus der Differenz zum neu festgesetzten Mietzins.