Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_738/2024 vom 29. April 2025:
1. Parteien, Gegenstand und Vorinstanz
Das Urteil betrifft eine Strafsache zwischen dem Beschwerdeführer A._ und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern sowie der Privatklägerin B._ AG als Beschwerdegegnerinnen. Gegenstand des Verfahrens vor Bundesgericht waren Schuldsprüche wegen versuchten Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung, mehrfacher Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz (SVG) sowie die darauf basierende Strafzumessung. Das angefochtene Urteil stammt vom Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, vom 17. April 2024.
2. Sachverhalt und Vorinstanzliches Urteil
Das Kantonsgericht Luzern hatte in zweiter Instanz den erstinstanzlichen Schuldspruch des Kriminalgerichts Luzern vom 23. November 2022 wegen versuchten Betrugs und mehrfacher Urkundenfälschung bestätigt. Den Vorwurf der Misswirtschaft hatte das Kantonsgericht fallen gelassen und A.__ freigesprochen. Die Schuldsprüche wegen Führens eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand und mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs ohne Berechtigung wurden als rechtskräftig festgestellt.
Basierend auf seiner Beweiswürdigung erachtete das Kantonsgericht es als erstellt, dass der Beschwerdeführer in Mittäterschaft mit weiteren Personen (C._, D._, E._, F._) einen Versicherungsbetrug an der B._ AG (Kasko- und Haftpflichtversicherung) versucht habe. Der Plan umfasste eine fingierte Kollision zwischen einem Land Rover und einem Audi Q7, um Versicherungsleistungen von insgesamt Fr. 35'100.-- zu erschleichen. Um einen höheren Zeitwert der Fahrzeuge vorzutäuschen, seien die Kilometerstände manipuliert worden. Da die Versicherung nicht ausbezahlt habe, sei es beim Versuch geblieben. Zudem habe der Beschwerdeführer an der Erstellung und Einreichung unwahrer Urkunden mitgewirkt: ein inhaltlich unwahres Europäisches Unfallprotokoll (EUP) zusammen mit C._, und die Vorlage eines inhaltlich falschen Kaufvertrags betreffend den Audi Q7 an D._ zur Unterzeichnung. Beide Urkunden seien zwecks Täuschung der B._ AG eingereicht worden.
Das Kantonsgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 60.-- bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer unbedingten Verbindungsbusse von Fr. 600.--. Die zivilrechtliche Ersatzpflicht gegenüber der B.__ AG wurde dem Grundsatz nach festgestellt und die Privatklägerin auf den Zivilweg verwiesen.
3. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht
Der Beschwerdeführer beantragte im Wesentlichen einen Freispruch von den Vorwürfen des versuchten Betrugs und der mehrfachen Urkundenfälschung sowie eine Neufestsetzung der Strafe, insbesondere eine mildere Bestrafung für die SVG-Delikte und den Verzicht auf eine Verbindungsbusse. Er rügte eine willkürliche Beweiswürdigung, eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 10 StPO, Art. 6 Abs. 2 EMRK) und des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Ferner wandte er sich gegen die Strafzumessung, die Höhe des Tagessatzes und die Anordnung der Verbindungsbusse.
4. Beurteilung der Schuldsprüche durch das Bundesgericht
Das Bundesgericht befasste sich zunächst mit der Rüge der Beweiswürdigung und der daraus abgeleiteten Verletzung der Unschuldsvermutung.
- Rechtliche Grundlagen: Das Gericht wiederholte die massgebenden Grundsätze für die Überprüfung der Sachverhaltsfeststellung (Art. 105 Abs. 1 BGG) und die Rüge der Willkür (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2, 106 Abs. 2 BGG). Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist und das Ergebnis nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist. Beim Indizienbeweis kann eine Gesamtheit von Indizien, die einzeln Zweifel offenlassen, in ihrer Gesamtheit den rechtsgenügenden Beweis begründen. Die Willkürrüge erfordert eine substanziierte Begründung, die sich mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinandersetzt.
- Unschuldsvermutung ("in dubio pro reo"): Das Gericht erläuterte die beiden Funktionen der Unschuldsvermutung: als Beweiswürdigungsregel (Art. 10 Abs. 3 StPO) und als Beweislastregel. Als Beweiswürdigungsregel bedeutet sie, dass das Gericht bei unüberwindlichen Zweifeln von der für den Angeklagten günstigeren Sachlage auszugehen hat. Diese Funktion geht vor Bundesgericht nicht über die Willkürkontrolle hinaus. Als Beweislastregel bedeutet sie, dass die Anklagebehörde die Schuld beweisen muss; eine Verurteilung allein wegen Nichtbeweisens der Unschuld verletzt diesen Grundsatz, was das Bundesgericht frei prüft.
- Prüfung der Beweiswürdigung der Vorinstanz: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz eine ausführliche Beweiswürdigung vorgenommen hatte, indem sie Aussagen gegenüberstellte, Widersprüche aufzeigte und die Glaubhaftigkeit beurteilte. Gestützt auf diverse Aussagen (Beschwerdeführer, D._, E._, H._, I._) sowie objektive Beweismittel (RTI-Daten) kam die Vorinstanz zum Schluss, dass der Beschwerdeführer in den Tatplan eingeweiht war und eine massgebliche Rolle als Mittäter spielte. Das Bundesgericht hielt fest, dass für die Annahme der Mittäterschaft nicht erforderlich sei, dass der Beschwerdeführer alle Tathandlungen selbst ausführte (z.B. Kilometerstände manipulierte). Als Hauptbeteiligter müsse er sich die Tatbeiträge der Mittäter zurechnen lassen. Auch die Frage, ob der Beschwerdeführer Eigentümer des Audi Q7 war, sei für die Mittäterschaft irrelevant, da er unabhängig davon von der anvisierten Versicherungssumme profitiert hätte.
- Zurückweisung der Rügen: Das Bundesgericht wies die meisten Rügen des Beschwerdeführers als unsubstanziiert oder appellatorisch zurück. Es genügt nicht, der vorinstanzlichen Würdigung die eigene Sicht entgegenzusetzen oder pauschal eine Verletzung der Beweiswürdigungsgrundsätze zu behaupten. Das Gericht wies insbesondere zurück:
- Die Kritik an der Glaubhaftigkeit der Aussagen von D.__ bezüglich der Berechtigung am Audi Q7: Die Vorinstanz hatte hierfür ausführliche Gründe geliefert, mit denen sich der Beschwerdeführer nicht genügend auseinandergesetzt habe.
- Das Argument, dass keine der involvierten Personen ihn explizit belastet habe: Die Vorinstanz stützte sich auf zahlreiche Indizien; eine ausdrückliche Belastung durch Mittäter sei für einen Schuldspruch nicht zwingend.
- Die Bestreitung der Bereicherungsabsicht: Weder für Betrug noch für Urkundenfälschung sei eine eigene Bereicherung zwingend; die Absicht, Dritte zu bereichern, genüge. Die Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer vom Plan profitiert hätte, sei nicht willkürlich begründet.
- Das Argument bezüglich des angeblichen Telefonanrufs von E.__: Die Vorinstanz hatte die diesbezüglichen Aussagen als unglaubhaft beurteilt, und der Beschwerdeführer habe diese Würdigung nicht substanziiert angefochten.
- Die Rüge bezüglich der zeitlichen Abfolge der Ereignisse: Die Vorinstanz habe selbst bei Zugrundelegung eines kurzen Zeitfensters nach dem Unfall den Schluss gezogen, dass dies die Annahme einer blossen Unterstützung und Unkenntnis der Machenschaften nicht zulasse, was willkürfrei sei.
- Die Kritik an der Plausibilität seiner Anwesenheit am Unfallort: Die Vorinstanz habe zu Recht auf die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers hingewiesen.
- Die Behauptung, er habe keine wissentlich falschen Angaben gemacht: Die Vorinstanz habe auf sein eigenes Eingeständnis gegenüber der Polizei hingewiesen. Die Arglist der Täuschung ergebe sich zudem aus dem gesamten Zusammenwirken der Beteiligten, nicht aus einer einzelnen isolierten Lüge.
- Nichtausschöpfung des Instanzenzugs: Eine erstmals vor Bundesgericht vorgebrachte Rüge bezüglich der Verwertbarkeit von Einvernahmen in getrennten Verfahren wies das Gericht mangels materieller Ausschöpfung des Instanzenzugs zurück.
- Fazit zu den Schuldsprüchen: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine willkürliche Beweiswürdigung oder eine Verletzung der Unschuldsvermutung nachzuweisen. Da die rechtliche Qualifikation als versuchter Betrug und mehrfache Urkundenfälschung sowie die Annahme der Mittäterschaft nicht substanziiert angefochten wurden, bestätigte das Bundesgericht die Schuldsprüche.
5. Beurteilung der Zivilforderung
Die Anfechtung der zivilrechtlichen Ersatzpflicht gegenüber der B.__ AG wurde vom Beschwerdeführer lediglich mit dem beantragten Freispruch begründet. Da die Schuldsprüche bestätigt wurden, trat das Bundesgericht auf diesen Punkt nicht weiter ein.
6. Beurteilung der Strafzumessung
Der Beschwerdeführer wandte sich gegen die vorinstanzliche Strafzumessung.
- Rechtliche Grundlagen: Das Bundesgericht legte die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und den Ermessensspielraum des Sachgerichts dar. Es wiederholte zudem die Rechtsprechung zur Verbindungsbusse (Art. 42 Abs. 4, 106 StGB): Sie dient spezialpräventiven Zwecken, ist unbedingter Natur, untergeordnet und soll maximal 20 % der schuldangemessenen Gesamtsanktion ausmachen.
- Prüfung der Strafzumessung durch die Vorinstanz: Die Vorinstanz hatte ihre Bemessung der bedingten Geldstrafe (70 Tagessätze als schuldangemessen, reduziert auf 60 im Dispositiv durch die Anrechnung der Verbindungsbusse für das SVG-Delikt) und der Tagessatzhöhe begründet. Sie hatte eine Verbindungsbusse als erforderlich erachtet, insbesondere für das Fahren in fahrunfähigem Zustand, und diese Busse auf 20 % der für dieses Delikt schuldangemessenen Geldstrafe bemessen. Anstelle einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen für das SVG-Delikt wählte sie eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen bedingt und eine Busse von Fr. 600 (entspricht 10 Tagessätzen à Fr. 60 unbedingter Busse). Dies führte zur Reduktion der gesamten bedingten Geldstrafe von 70 auf 60 Tagessätze.
- Zurückweisung von Rügen zur Strafhöhe und Busse: Das Bundesgericht wies die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Höhe der Geldstrafe (trotz Freispruch von Misswirtschaft), die Berechnung der SVG-Strafen und die Busse zurück. Die Vorinstanz sei bei der neuen Strafzumessung nicht an die erste Instanz gebunden gewesen. Die Bemessung der Verbindungsbusse gemäss der 20 %-Regel sei korrekt erfolgt. Ein behaupteter Widerspruch zwischen Erwägungen (70 Tagessätze) und Dispositiv (60 Tagessätze) sei nicht ersichtlich, da die Reduktion auf 60 Tagessätze durch die Anrechnung der Busse erfolgt sei. Eine Geltendmachung verschlechterter finanzieller Verhältnisse nach dem vorinstanzlichen Urteil sei vor Bundesgericht unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).
- Verletzung bei der Wahl der Sanktionsart (Geld- vs. Freiheitsstrafe): Das Gericht prüfte die Wahl der Sanktionsart (bedingte Freiheitsstrafe für Betrug/Urkundenfälschung) von Amtes wegen. Es stellte fest, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten von 2017 noch unter das alte Recht fielen, wo die Höchststrafe der Geldstrafe bei 360 Tagessätzen lag (aArt. 34 Abs. 1 StGB). Die Vorinstanz erachtete für den versuchten Betrug eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten für angemessen ("nicht mehr leichtes Verschulden") und erhöhte diese für die Urkundenfälschung auf 8 Monate. Das Bundesgericht urteilte, dass das von der Vorinstanz festgesetzte Verschulden unter altem Recht grundsätzlich die Wahl der milderen Geldstrafe zugelassen hätte. Da das neue Recht in diesem Punkt nicht milder sei, gelange gemäss Art. 2 Abs. 2 StGB das alte Recht zur Anwendung. Die Vorinstanz habe nicht ausreichend begründet, weshalb sie trotz der Möglichkeit einer Geldstrafe (unter altem Recht) und der Geltung der Geldstrafe als mildere Sanktion die Freiheitsstrafe gewählt habe. Allein ein pauschaler Hinweis auf das Verschulden genüge nicht.
- Fazit zur Strafzumessung: Das Bundesgericht erachtete die Strafzumessung der Vorinstanz in Bezug auf die Wahl der Sanktionsart für die Delikte des versuchten Betrugs und der Urkundenfälschung als bundesrechtswidrig. Die Rüge bezüglich einer Verletzung des Grundsatzes "nemo tenetur" (Verbot des Selbstbelastungszwangs) wies das Gericht zurück, da die Vorinstanz das Aussageverhalten des Beschwerdeführers nicht strafschärfend berücksichtigt, sondern lediglich festgestellt habe, dass er nicht von positivem Nachtatverhalten profitieren könne.
7. Endergebnis
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Die Schuldsprüche wegen versuchten Betrugs und mehrfacher Urkundenfälschung sowie die zivilrechtliche Ersatzpflicht werden bestätigt. Das Urteil des Kantonsgerichts Luzern wird jedoch bezüglich der Strafzumessung aufgehoben und zur neuen Entscheidung über die Sanktionsart (Geld- oder Freiheitsstrafe) für die Betrugs- und Urkundenfälschungsdelikte an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
8. Kosten und Entschädigung
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist (durch teilweises Obsiegen). Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer im Umfang seines Unterliegens auferlegt (reduziert auf Fr. 1'000.-- aufgrund seiner finanziellen Lage). Der Kanton Luzern hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren im Umfang des Obsiegens angemessen zu entschädigen (Fr. 500.--).
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Schuldsprüche des Kantonsgerichts wegen versuchten Betrugs und mehrfacher Urkundenfälschung. Die Anfechtung der Beweiswürdigung und der daraus abgeleiteten Verletzungen der Unschuldsvermutung scheiterte an den hohen Anforderungen der Willkürrüge und der mangelnden Substantiierung durch den Beschwerdeführer, der es nicht schaffte, die Gesamtbeweislage der Vorinstanz als willkürlich erscheinen zu lassen. Die Anfechtung der zivilrechtlichen Ersatzpflicht wurde abgewiesen, da sie an die erfolglose Anfechtung der Schuldsprüche geknüpft war. Hingegen hiess das Bundesgericht die Beschwerde teilweise gut, soweit sie sich gegen die Strafzumessung richtete. Konkret erachtete das Gericht die Wahl der Sanktionsart (Freiheitsstrafe statt Geldstrafe) für die Delikte des versuchten Betrugs und der Urkundenfälschung als bundesrechtswidrig begründet, da die Vorinstanz nicht ausreichend dargelegt hatte, weshalb sie trotz der Möglichkeit einer milderen Geldstrafe unter dem anwendbaren (alten) Recht die Freiheitsstrafe wählte. Die Sache wurde deshalb zur neuen Strafzumessung an die Vorinstanz zurückgewiesen.